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Stadtrat Tim Lochner verlässt CDU

Der Tischler beklagt Denkverbote im Pirnaer Stadtverband. Mit der jüngsten Personalie sei für ihn das Maß voll gewesen, sagt er.

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© Daniel Förster

Von Christian Eissner

Pirna. Es ist ein kleines politisches Beben in Pirna: Der Tischlermeister Tim Lochner, Stadtrat und Präsident des 1. FC Pirna, tritt aus der CDU aus. Am Mittwochvormittag verkündete er dies mittels einer öffentlichen Erklärung. Die Partei zu verlassen, sei ein Schritt, „der mir sehr schwer fällt, der jedoch aus meiner Sicht konsequent ist“, schreibt Lochner. Auslöser sei dabei nicht die Politik der Bundes-CDU, so der 46-Jährige. „Wenn es danach gegangen wäre, hätte ich diesen Schritt längst vollziehen müssen.“ Grund sei vielmehr, dass er jetzt auch den Glauben an die Politik der CDU auf kommunaler Ebene verloren habe.

Tatsächlich scheint Tim Lochners Parteiaustritt folgerichtig angesichts der seit vielen Monaten schwelenden Konflikte im CDU-Stadtverband.

Grund 1: Zwei CDU-Fraktionen mit schwindenden Versöhnungs-Chancen

Der Jessener gehört zu den drei CDU-Mitgliedern, die bei der Stadtratswahl 2014 einen eigenen Wahlkampf als „Ihre Nachbarn“ führten, weil sie wichtige kommunale Themen im Ortsverband unterrepräsentiert sahen. Die drei Vertreter des CDU-Wirtschaftsflügels – neben Tim Lochner der Steuerberater Thomas Gischke und die Personalreferentin Katrin Lässig – bilden nun eine eigene Fraktion im Pirnaer Rat.

Ihrem Alleingang folgte allerdings ein von CDU-Stadt- und Kreisvorstand angestrengtes Parteiausschlussverfahren – wegen parteischädigenden Verhaltens. Der Fall wird zurzeit vor dem Kreisparteigericht der CDU in Dresden verhandelt, eine gütliche Einigung hatten Stadt- und Kreis-CDU zuletzt abgelehnt.

Nach SZ-Informationen tagt das Gericht am 7. Dezember wieder. Doch einen Parteiausschluss fürchtet Tim Lochner nach eigener Aussage gar nicht. „Nein, ich komme nicht meinem Parteiausschluss zuvor“, entgegnet er naheliegenden Vermutungen. Er sei überzeugt davon, das Gericht werde den Antrag des Kreisvorstandes auf Parteiausschluss ohnehin abweisen.

Grund 2: Umstrittene Kandidatin zur Oberbürgermeisterwahl

Tim Lochner zeigt sich mit der Arbeit im CDU-Stadtverband insgesamt unzufrieden, vor allem Personalien betreffend. Bei der Oberbürgermeisterwahl 2009 habe sich die Stadt-CDU blamiert. Er fürchte, dass sich das nun wiederhole, sagt der Tischlermeister. Damals hatte der Stadtvorstand seinen favorisierten Kandidaten Frank Ludwig durchgedrückt, der allerdings parteiintern umstritten war. Öffentlich ausgetragene Lagerkämpfe ließen Ludwig letztlich kaum Chancen auf ein gutes Wahlergebnis.

Genau das, sagt Lochner, drohe nun erneut. Mit Ina Hütter habe der Vorstand eine Kandidatin öffentlich präsentiert, ohne dass die Parteibasis die Chance gehabt hätte, darüber zu diskutieren. „Das ist basisverachtend, denn das Mitgliedervotum erfolgt erst am 7. November“, sagt Lochner. Bei seiner Kritik, betont er, gehe es ihm nur um das Prozedere, nicht um die Kandidatin selbst: „Dazu kenne ich die Bewerberin zu wenig und bewundere ihren Mut zu diesem Schritt zu sehr.“

Grund 3: Tim Lochner vertrat klar den politisch rechten Parteiflügel

Was seine politischen Einstellungen betrifft, war Tim Lochner im rechten Flügel der CDU zu Hause. Vor allem die Flüchtlingspolitik der Bundesregierung kritisiert er scharf. Facebook-Einträge wie: „Ja ich bin asylkritisch. Ja ich sage es laut: Es kann und es wird keine Integration geben. Ja, ich war schon zweimal bei Pegida, und empfehle jedem dies auch einmal zu tun. Ja, ich mache die CDU und die SPD für diesen Zustand verantwortlich“, brachten ihm parteiintern heftige Kritik ein. Zugleich monierte er eine „unerträgliche Überheblichkeit“ von Mandatsträgern.

Im Juli dieses Jahres kritisierte er gemeinsam mit zwei anderen Unternehmern in einem offenen Brief Landrat Michael Geisler (CDU), weil dieser vor dem Landratsamt die Regenbogenfahne zum Zeichen der Solidarität mit Schwulen und Lesben hissen ließ. Das verletze das Neutralitätsgebot, hieß es in dem Brief.

Lochner steht dazu. Jeder habe das Recht auf eine eigene Meinung, und um sich diese zu bilden, sei es nicht verkehrt, sich andere Meinungen anzuhören, sagt er. Vom Stadt- und Kreisvorstand der Union fühlt er sich diffamiert, eine offene Diskussion über strittige Themen finde nicht statt. Zuletzt sei es ein Auftritt in einem Beitrag des ZDF-Magazins „Mona Lisa“ vom 24. September gewesen, über den man „wie immer feige hinter meinem Rücken“ geredet habe. In dem Beitrag, in dem es um Verunsicherung in Deutschland geht, wird Lochner als künftiger AfD-Wähler bezeichnet, wenngleich er das selbst nicht sagt. Er fordert vor der Kamera, es müssten „mal ganz klare Ansagen kommen, wie das weitergehen soll“ im Land. Statt in der Stadt-CDU darüber miteinander zu reden, würden anklagende E-Mails nach Dresden und Berlin geschickt, ärgert sich Lochner.

Ausblick: Welche Konsequenzen hat der Austritt für die CDU?

Wie Tim Lochner selbst, so nennt auch der Pirnaer CDU-Stadtvorstand den Parteiaustritt des Tischlermeisters konsequent. „Das Verhältnis war zerrüttet“, erklärt CDU-Ortschef Oliver Wehner. Als Mitglied einer Partei müsse man demokratisch getroffene Beschlüsse akzeptieren und demokratische Spielregeln einhalten, was Lochner oft nicht gelungen sei. „Wie will man in einer Fußballmannschaft gemeinsam auf ein Tor spielen, wenn man eigentlich ein anderes Trikot anhat?“, fragt Wehner und spielt darauf an, dass er Tim Lochner politisch eher bei AfD und Pegida verortet sieht.

Unterdessen muss sich der Wirtschaftsflügel der Pirnaer CDU, für den Tim Lochner, Thomas Gischke und Katrin Lässig vor zweieinhalb Jahren in den Stadtratswahlkampf gezogen waren, Gedanken darüber machen, wie es mit der Stadtratsfraktion „Ihre Nachbarn“ weitergeht. Es werde Gespräche geben, für eine öffentliche Stellungnahme sei es aber noch zu früh, sagt Sven Vater, Vorsitzender der CDU-Mittelstandsvereinigung MIT in Pirna.