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Sorgen um Gläserne Produktion

Viele Lebensmittelbetriebe locken mit einem Blick hinter die Kulissen. Doch das ist jetzt nicht mehr überall möglich.

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© Willem Darrelmann

Von Jens Fritzsche

Radeberg. Spagat tut immer weh. Aber dieser ist besonders schmerzhaft. Auch für die zahlreichen Lebensmittelproduzenten im Landkreis Bautzen. Einerseits wollen die Verbraucher heute genau wissen, wo und vor allem wie ihre Lebensmittel hergestellt werden. Andererseits dürfen sie möglichst wenig mit eben genau dieser Herstellung in Berührung kommen. Wobei Berührung hier durchaus wörtlich zu nehmen ist. So will es die EU, die jetzt mit neuen, noch strengeren Vorschriften unter der Überschrift „Food Defense“ – Lebensmittel-Verteidigung“ – für eine hygienische Lebensmittelherstellung sorgen will.

Strenge Vorschriften, strenge Qualitätsstandards und trotzdem Transparenz? Funktionieren da die auch im Landkreis immer beliebter werdenden „Gläsernen Produktionen“ eigentlich noch? Was letztlich ja auch zunehmend ein touristisches Aushängeschild und ein Marketingfaktor für die Region geworden ist.

Genau dieser Spagat war das Problem, warum zum Beispiel der bekannte Fleischwarenhersteller Korch zum Jahresanfang seine beliebte Gläserne Produktion am Radeberger Stadtrand geschlossen hat. „Wir bedauern das sehr, denn wir hatten jedes Jahr viele Tausend Besucher“, sagt Geschäftsführer Michael Korch auf SZ-Nachfrage. Und so hatten sich im Dezember nun die letzten Besucher in der Produktion umgeschaut. „Wir schieben ja zum Beispiel frische Räucherwaren zur Verpackung – wenn dann Besuchergruppen vorübergehen, könnte ja jemand die Ware berühren, das darf nicht sein …“, beschreibt Michael Korch das Problem. Und da das Radeberger Unternehmen nach dem höchsten Hygiene-Standard zertifiziert ist, „mussten wir nun schweren Herzens auf die Rundgänge verzichten“. Eine Alternative wäre ein kompletter Umbau gewesen, aber der wäre zum einen sehr teuer, zum anderen bräuchte es dafür auch ausreichend Platz. „Das ist baulich leider nicht möglich“, sagt der Geschäftsführer. Ab und an gibt es dennoch die Chance, ganz nah dran zu sein: „Alle zwei, drei Jahre laden wir zum Hoffest mit Rundgängen ein.“ Im Anschluss wird desinfiziert, „und wir können weiterproduzieren“, erläutert Michael Korch.

Besucher schauen durch Glasscheibe

Und der große „Nachbar“ Radeberger Exportbierbrauerei? Immerhin über 20 000 Besucher schauen sich hier jedes Jahr an, wie der namhafte Gerstensaft gebraut wird. Nicht nur aus ganz Deutschland kommen die Gäste, auch aus England und zunehmend sogar China. „Dort, wo die Besucher unterwegs sind, haben wir geschlossene Systeme“, beschreibt Brauereisprecherin Jana Kreuziger, warum es hier auch künftig Führungen geben kann. Die Abfüllung – dort also, wo das Bier dann tatsächlich aus diesen Kreisläufen herauskommt – bleibt für Besucher verschlossen. „Wir haben dafür eine Galerie gebaut, von der aus die Besucher durch große Glasscheiben zuschauen können.“ Hochmoderne interaktive Video-Technik sorgt zudem für Einblicke, wo es notwendig, hygienisch aber nicht möglich ist. Und so hat die Brauerei Ende des vergangenen Jahres dann mit der neuen Norm FSSC 22000 zum wiederholten Male das höchste Qualitätszertifikat in Sachen Lebensmittelsicherheit bekommen.

Etliche Prozente mehr als das Radeberger haben dabei die Produkte aus der Wilthener Brennerei. Seit über 175 Jahren wird hier destilliert; der Weinbrand ist weit über Sachsen hinaus bekannt. Und deshalb kommen auch nach Wilthen zahlreiche Besucher, um sich die täglich angebotenen Führungen nicht entgehenzulassen. Probleme mit strengen Hygienevorschriften sieht Geschäftsführer Lutz Schürer dabei nicht, sagt er. „Wir hantieren hier ja mit einem natürlichen Desinfektionsmittel.“ Außerdem werden die Führungen so organisiert, dass die Besucher in der Herstellung den Produkten nicht zu nahe kommen.

Besucher sind auch in der Hammermühle in Bautzen willkommen. Hier, unterhalb der Bautzener Burg, werden schon seit 1880 Leinöl und Senf hergestellt. In kleiner Manufakturproduktion. Und die neue EU-Richtlinie schreckt Dennis Hierl nicht im Geringsten, sagt sie. Sie und ihr Mann betreiben die Hammermühle. „Kleine Betriebe können ja flexibler sein, als die großen“, sagt sie lächelnd. Und das zahle sich auch bei diesem Thema aus. Wichtig ist, dass Besucher und Produktion nicht zusammenkommen, erklärt sie. „Und das kann man ja auch organisieren“, ist Dennis Hierl überzeugt. So gibt es auch in der Hammermühle Anlagen, die nicht für Besucher zugänglich sind – „und wir machen in der Senfproduktion zudem extra Durchläufe für Besuchergruppen“, beschreibt sie. Ab dem Sommer wird zudem die Ölpressung hinter Glas zu verfolgen sein. „Und wir haben dann eine kleine Handpresse, an der sich die Besucher ausprobieren können.“ Es wird hier also auch weiterhin jede Menge zu sehen geben.

Und auch der Landkreis Bautzen kann weiter auf Gläserne Produktionen in Sachen Leckereien als wichtigen Marketingfaktor setzen.