Merken

Schwierige Ermittlungen zu Khaleds Tod

Die Angst trieb Khaled nach Europa - durch die Sahara und übers Meer. Seine Hoffnungen auf Sicherheit und ein neues Leben aber endeten in Dresden. Die Ermittler stehen unter Druck.

Teilen
Folgen
© Alexander Schneider

Dresden. Die Ermittlungen zum gewaltsamen Tod eines jungen Asylbewerbers in Dresden bleiben schwierig und kommen nur langsam voran. „Wir stehen noch am Anfang“, sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft, Lorenz Haase, am Freitag. Die Spurensuche in der Wohnung, wo der 20-Jährige namens Khaled mit Landsleuten aus Eritrea lebte, ist abgeschlossen. Die Befragung der Mitbewohner und von Anwohnern in der Plattenbausiedlung dauert an, auch die Videos des nahen Supermarktes werden noch ausgewertet.

Tod eines Asylbewerbers in Dresden

Am Jorge-Gomondai-Platz liegen am Mittwochnachmittag nach einer Kundgebung Blumen im Gedenken an den ums Leben gekommenen jungen Eritreer.
Am Jorge-Gomondai-Platz liegen am Mittwochnachmittag nach einer Kundgebung Blumen im Gedenken an den ums Leben gekommenen jungen Eritreer.
Das mit Trauerflor geschmückte Foto soll den getöteten Khaled I. zeigen.
Das mit Trauerflor geschmückte Foto soll den getöteten Khaled I. zeigen.
Mahnwache am Gomondai-Platz für den toten 20-Jährigen.
Mahnwache am Gomondai-Platz für den toten 20-Jährigen.
Ein Polizeifahrzeug steht vor einem Plattenbau an der Johannes-Paul-Thilman-Straße im Stadtteil Dresden-Leubnitz-Neuostra.
Ein Polizeifahrzeug steht vor einem Plattenbau an der Johannes-Paul-Thilman-Straße im Stadtteil Dresden-Leubnitz-Neuostra.
Der Eritreer ist dort am Dienstag tot im Hof gefunden worden.
Der Eritreer ist dort am Dienstag tot im Hof gefunden worden.
Weiße Tulpen liegen neben einer getrockneten Blutlache an der Stelle, an der der Tote aufgefunden wurde.
Weiße Tulpen liegen neben einer getrockneten Blutlache an der Stelle, an der der Tote aufgefunden wurde.
Nachdem bekannt wurde, dass der Eritreer umgebracht worden sein soll, formierte sich eine Spontandemonstration von Asylbewerbern auf der Hauptstraße in Dresden.
Nachdem bekannt wurde, dass der Eritreer umgebracht worden sein soll, formierte sich eine Spontandemonstration von Asylbewerbern auf der Hauptstraße in Dresden.
An der Demo für den jungen Mann beteiligten rund 200 Asylbewerber und Unterstützer.
An der Demo für den jungen Mann beteiligten rund 200 Asylbewerber und Unterstützer.
Asylbewerber aus Eritrea sprachen davon, dass sie Angst haben und Hilfe brauchen. In der Stadt herrsche ein fremdendfeindliches Klima.
Asylbewerber aus Eritrea sprachen davon, dass sie Angst haben und Hilfe brauchen. In der Stadt herrsche ein fremdendfeindliches Klima.
Vor dem Albertinum, wo der Neujahrsempfang des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) stattfand, sprach Petra Köpping (SPD), Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, mit den Demonstranten.
Vor dem Albertinum, wo der Neujahrsempfang des sächsischen Ministerpräsidenten Stanislaw Tillich (CDU) stattfand, sprach Petra Köpping (SPD), Staatsministerin für Gleichstellung und Integration, mit den Demonstranten.

Die Leiche des jungen Mannes aus Eritrea war Dienstagmorgen vor einem Mehrfamilienwohnhaus im Stadtteil Leubnitz-Neuostra gefunden worden. Die Polizei hatte nach eigenen Angaben zunächst keine Hinweise auf Fremdeinwirkung festgestellt. Erst die Obduktion ergab, dass der Mann durch Messerstiche in Hals und Brust getötet worden war. Das war laut Polizei zunächst nicht erkennbar, sie ging stattdessen von einem offenen Schlüsselbeinbruch aus. Noch nicht restlos geklärt ist laut Haase zudem, ob der Fundort der Leiche auch der Tatort ist.

Khaled lebte zuletzt im Sudan, wohin er als Vierjähriger mit seiner Mutter nach dem Tod des Vaters geflüchtet war, erzählte eine Mitarbeiterin der Opferberatung RAA Sachsen. Der junge Schwarze lebte seit etwa vier Monaten als Asylbewerber in Dresden und lernte auch Deutsch. In der Elbestadt soll der Muslim auch beerdigt werden. „Wir helfen zwei im Westen lebenden Verwandten, darunter einem Onkel, bei den Vorbereitungen.“ Noch ist die Leiche aber nicht freigegeben.

Ermittler unter Erfolgsdruck

Der 20-Jährige hatte mit sieben weiteren Flüchtlingen in einer Vierzimmerwohnung gewohnt. Nach Angaben seiner Mitbewohner habe er Montagabend nur schnell noch Zigaretten holen wollen, erzählte die RAA-Mitarbeiterin. Als er nicht zurückkam, suchten die Mitbewohner nach ihm - ohne Erfolg. Erst am Morgen fanden Passanten dann seine Leiche vor dem Hauseingang.

Wann und warum Khaled starb, kann Oberstaatsanwalt Haase nicht sagen. „Bisher haben sich nur wenige Zeugen auf den Aufruf gemeldet.“ Es gebe daher keine konkreten Hinweise. Ermittelt wird wegen Totschlags gegen unbekannt. „Motive und Hintergründe sind unklar.“ Auch die Tatwaffe, ein nicht näher beschriebenes Messer, wurde bisher nicht gefunden. Die Ermittler stehen unter Erfolgsdruck, auch angesichts der durch die Anti-Islambewegung Pegida aufgeheizten Stimmung in der Stadt.

Sozialarbeiter helfen vor Ort

Das dürfe aber nicht für Spekulationen genutzt werden, mahnte Innenminister Markus Ulbig (CDU). „Deshalb müssen die Ermittler jetzt zügig und professionell voranschreiten.“ Es gehe darum, einen „kühlen Kopf“ zu bewahren. Dabei ist das Medieninteresse groß, überregional und teilweise auch im Ausland, wie Oberstaatsanwalt Haase berichtete. Ziel sei, den oder die Täter möglichst schnell zu finden und die Sache aufzuklären.

Sozialarbeiter kümmern sich derweil um Khaleds Landsleute. „Wir sind vor Ort, sorgen für ein warmes Mittagessen und bieten Gespräche an“, sagte eine Sprecherin der Arbeiterwohlfahrt. Nach Angaben der Stadt wollen sie in den nächsten Tagen noch dort bleiben. Um mehr Ruhe zu finden, könnten sie in der nächsten Woche auch umziehen. „Das ist kein Problem, wir können auf die Wünsche eingehen“, erklärte ein Sprecher der Stadt, in der Ende 2014 exakt 2 093 Asylbewerber lebten.

Schon kurz nach Bekanntwerden der Gewalttat hatte es mehrere Mahnwachen gegeben. Am Samstag will der Sächsische Flüchtlingsrat mit einer Demonstration unter dem Motto „Rights and Safety for Refugees“ an den erstochenen Asylbewerber erinnern, die Kirchgemeinde Leubnitz plant für Sonntag ein Friedensgebet. Die in Dresden lebenden Eritreer sind nach Angaben des Flüchtlingsrats gut vernetzt. Mehrere von ihnen hätten erklärt, sich nicht mehr sicher zu fühlen, berichtete eine Sprecherin. „Khaled war ein ruhiger Mensch, den alle mochten.“ (dpa)