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Schwere Jungs helfen Kindern

Ein Insasse der JVA Zeithain sammelt unter Gefangenen Geld. Er sitzt dort nicht gerade wegen Kleinkram ein.

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© Sebastian Schultz

Von Christoph Scharf

Glaubitz. Breite Schultern, kurz geschorene Haare, tätowierte Unterarme: Matthias A. sieht nicht wie jemand aus, der Spenden für ein Kinderprojekt einsammelt. Auch wenn der 42-Jährige freundlich schaut, flößt sein Auftreten Respekt ein. Dafür müsste man nicht mal wissen, dass der Mann aus der Sächsischen Schweiz gerade in der JVA Zeithain einsitzt. Fragt man den Vater eines erwachsenen Sohnes, warum, gibt er Auskunft: „Schutzgelderpressung, Organisierte Kriminalität.“

Doch diese Welt will Matthias A. nach sechs Jahren Haft hinter sich lassen: Deshalb hat er sich für die bundesweit bekannte Suchttherapie in der JVA Zeithain entschieden, wo er endlich Schluss machen will mit seinem Crystal-Problem. Und deshalb geht er jetzt sprichwörtlich mit dem Klingelbeutel unter seinen Mitgefangenen herum, um anderen zu helfen, die es wohl schwerer haben als er selbst.

„Den Anfang hat ein Beitrag im MDR-Fernsehen gemacht“, sagt der Mann mit den kräftigen Oberarmen. Im Oktober 2017 sah er dort die Hallenserin Tina Witkowski, die den Preis „Goldene Henne“ für ihr Engagement im Verein Kahuza bekommen hat: Der von ihr gegründete Verein setzt sich seit 2005 gegen Kinderarmut in Deutschland ein. „Das hat mich beeindruckt“, sagt A., der hinter Gittern Saxofon in der JVA-Band spielt. Deshalb hat er eine Spendenaktion unter seinen Mitgefangenen gestartet. Der Leiter der Band – Kunsttherapeut Alfred Haberkorn – rief bei Tina Witkowski an, die schickte einen persönlichen Brief und Fotos in die JVA. Daraus bastelte der Gefangene eine Art Wandzeitung und ging auf Spendensuche.

„Manche haben 50 Cent gegeben, manche zwei, manche fünf Euro.“ Bargeld dürfen die Leute zwar nicht besitzen – aber ein Guthabenkonto, von dem man etwas abgeben kann. „Monatlich gibt es etwa 35 Euro Handgeld – und das muss man ja nicht alles für Tabak ausgeben“, findet A..

Auch JVA-Besucher konnten sich beim Weihnachtsmarkt an der Aktion beteiligen. Für sie gab es von Gefangenen gebastelte Teelichthalter – etwa Elch- oder Eulenfiguren – als Anerkennung. Insgesamt kamen so knapp 800 Euro zusammen, weil auch Bandleiter Haberkorn etwas dazu gab. – Anfang März soll A. aus dem geschlossenen in den offenen Vollzug kommen – und dann soll die Hilfsaktion erst richtig losgehen. „Über Facebook habe ich Kontakt zu mehr als 1 000 Ex-Gefangenen“, sagt der 42-Jährige. Draußen will er den Verein und den Spendenaufruf noch bekannter machen. Und auch in der JVA Zeithain soll die Spendenaktion nach seiner Entlassung weiter gehen – mit Hilfe eines anderen Gefangenen und zweier Bedienstete.

Der Anstalt in Zeithain ist er jedenfalls für das Angebot der Suchttherapie dankbar. „Ich war zuvor im Maßregelvollzug – das ging überhaupt nicht. Hier dagegen kann ich offen über alles reden und meine Vergangenheit bewältigen“, sagt der Gefangene, der gerade an seiner Biografie schreibt. Bald könnte noch ein Kapitel dazu kommen: Im Februar will A. Tina Witkowski in die JVA Zeithain einladen, damit sie ihr Projekt dort vorstellen kann.