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Scheibenwischermotoren steuern Spiegelteleskop

Am Sonnabend vor 50 Jahren ist die Zittauer Volkssternwarte eingeweiht worden. Der Verein Sternfreunde feiert erst im Juni.

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© Matthias Weber

Von Mario Heinke

Martin Franze ist von Anfang an dabei. Der 88-Jährige interessiert sich seit frühster Jugend für Sterne und Himmelskörper. Mit Gleichgesinnten erlebte den ersten bemannten Mondumflug und die Apollo-Mission in der Volkssternwarte, war viele Jahre lang Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Astronomie im Kulturbund der DDR, aus der später der Verein Zittauer Sternfreunde hervorging. Jeden Mittwoch besucht er die Vortragsabende des Physikers Mathias Scholz zu astronomischen, astrophysikalischen und naturwissenschaftlichen Themen.

Neben Martin Franze kümmern sich 16 Vereinsmitglieder ehrenamtlich um die Volkssternwarte „Erich Scholz“. Sie organisieren Beobachtungsabende, wissenschaftliche Vorträge, Führungen, Projekttage mit Schülern und pflegen die Technik. Organisatorisch ist die Sternwarte in der Hochwaldstraße dem Christian-Weise-Gymnasium Zittau angegliedert. „Allein könnten wir das Objekt gar nicht erhalten“, erklärt Vereinsvorsitzender Dietmar Kitta, dessen Lieblingsstern die Wega ist, der Hauptstern im Sternbild Leier. Der 66-Jährige ist froh darüber, dass immer noch Schüler des Gymnasiums regelmäßig zum Astronomieunterricht in die Volkssternwarte kommen, obwohl die Jugend heutzutage viel Wissen mithilfe der Computer erwirbt. Ein Blick auf die Himmelskörper durch das zwei Meter lange Spiegelteleskop ist doch authentischer, als nur Bilder auf dem Monitor zu betrachten, sagt er.

So wie die Vereinsmitglieder ist auch die Sternwarte in die Jahre gekommen. Am Sonnabend jährt sich die Einweihung der Volkssternwarte zum 50. Mal. Der Zittauer Optiker Erich Scholz war es, der damals die Initiative ergriff, damit die Sternwarte entsteht. Die finanziellen Mittel stammten zum Großteil aus Einnahmen der staatlichen Lotterie. Mit unheimlich viel Eigeninitiative und Erfindergeist beteiligten sich viele Menschen an dem Projekt und leisteten freiwillige Aufbaustunden. So ist das Spiegelteleskop ein Eigenbau. Den Spiegel, der einen Durchmesser von 40 Zentimetern besitzt, fertigte ein Spezialist in Falkensee in Handarbeit an, erzählt Kitta. Scheibenwischermotoren aus dem Pkw Skoda und mehrere Elektromotoren aus Plattenspielern der Marke Ziphona sorgen bis heute zuverlässig dafür, das Teleskop in Position zu bringen oder während der Beobachtung automatisch den Sternen zu folgen. In sechs Karteikasten archivieren die Astronomen 1 300 Mittelformat-Negative von Sternenbildern und Himmelskörpern. Auf jedem Umschlag sind Sternenname, Einstellungen am Fotoapparat, Datum, Ort, Autor und Erklärungen zur Beobachtung sorgfältig notiert.

Die Sternfreunde, die sich in der Jugendzeit trafen, „um mit interessanter Technik was zu machen“, sind sich auch menschlich näher gekommen. So gehen drei Eheschließungen auf das Konto der Volkssternwarte, behauptet Dietmar Kitta. Auch er lernte seine Frau Gudrun dort kennen. Als die beiden sich 1974 verlobten, pflanzten sie eine zarte Birke auf dem Rasen vor der Sternwarte. Der Stamm der Birke hat inzwischen einen beachtlichen Durchmesser. Im Juni begeht der Verein das 50-jährige Jubiläum mit einer Festveranstaltung, zu dem auch der Sohn des Gründers Erich Scholz eingeladen ist. Wer selbst mal durch das Spiegelteleskop schauen möchte, kann jeden Donnerstag ab 20 Uhr den öffentlichen Beobachtungsabend unter der Leitung von Dietmar Kitta besuchen. Vorher sollten Interessenten jedoch in den Himmel schauen, denn der Beobachtungsabend findet nur bei schönem Wetter und wolkenlosem Himmel statt.

Chronik

1961 Optiker Erich Scholz teilt dem Rat des Kreises Zittau sein Anliegen zum Bau einer Volkssternwarte mit

27. April 1968 Einweihung der Volkssternwarte

1983 Die Sternwarte erhält den Namen „Erich Scholz“

Anfang der 1990er Jahre die Sternwarte geht an das Richard-von-Schlieben-Gymnasium über

2002 Gründung des Vereins „Zittauer Sternfreunde“, der die Volkssternwarte bis heute betreut

2005 Sternwarte wird ans Christian-Weise-Gymnasium angegliedert

Quelle: Verein Zittauer Sternfreunde