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Schauburg-Gründer wollte aufgeben

Im Lichtspielhaus haben Bauarbeiter eine Kapsel mit einem Schreiben des Kino-Gründers gefunden.

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© Repro: Ove Landgraf

Von Ralf Hübner

Dresden. Der Baggerfahrer ist aufmerksam gewesen. Bei den Bauarbeiten im Dresdner Neustadtkino Schauburg hatte er im Foyer einen neuen Keller graben wollen. Dann war er auf ein unscheinbares, graues Bleirohr gestoßen und stoppte. Neben Münzen aus den 1920er-Jahren enthielt es auch einen mit Maschine geschriebenen Brief des Schauburg-Erbauers Arnulf Huyras (1897– 1957). In ihm schildert dieser, wie es zum Bau des Hauses kam, wie er zunächst als Teilhaber in das Hansa-Theater, einem anderen Neustadtkino, eingestiegen war, sich mit den Partnern überwarf und sich deshalb zum Bau der Schauburg entschloss. Er klagt über Schwierigkeiten mit den Behörden und erzählt, wie er beinahe aufgegeben hätte. Jetzt hat Schauburg-Chef Stefan Ostertag das Dokument dem Stadtarchiv vermacht.

Das Kino „Astoria“ auf der Leipziger Straße zog 1929 in den Gasthof „Stadt Bremen“ ein. 1970 wurde es geschlossen, war denn Probebühne und stand danach lange leer.
Das Kino „Astoria“ auf der Leipziger Straße zog 1929 in den Gasthof „Stadt Bremen“ ein. 1970 wurde es geschlossen, war denn Probebühne und stand danach lange leer. © Sammlung Holger Naumann
Einst war es eines der kleinsten Kinos der Stadt: das Kino am Hauptbahnhof. Hier mit seinem letzten Betreiber Manfred Krieger.
Einst war es eines der kleinsten Kinos der Stadt: das Kino am Hauptbahnhof. Hier mit seinem letzten Betreiber Manfred Krieger. © Steffen Füssel

Die 1927 eröffnete Schauburg ist eines der letzten Kinos aus der Urzeit des Dresdner Kintopps, in dem noch immer täglich Filme über die Leinwand flimmern, und es war nach dem Krieg ein wichtiger Ort in der damals zerstörten Stadt. Mit mehr als 1000 Sitzplätzen war es das größte Kino in der Dresdner Neustadt. Als sich der Vorhang zum ersten Mal hob, mussten sich die Zuschauer noch mit einfachen Sperrholzplätzen statt Polsterstühlen begnügen. Der rot gehaltene Saal wirkte weiträumig, das Foyer war effektvoll beleuchtet. Einen Orchestergraben gab es und eine Kinoorgel. Die billigste Karte kostete 60 Pfennige und an der Kasse erhielten die Besucher die hauseigene Kinozeitung, von der jede Woche eine neue Ausgabe erschien.

Die Schauburg war – damals ungewöhnlich – ein frei stehendes Gebäude und hatte eine markante Fassade. Huyras hatte das Eckgrundstück an der Königsbrücker Straße einem Fleischermeister abgekauft. Für den Bau konnte der 1866 in Blasewitz geborene Architekt Martin Pietzsch gewonnen werden, damals ein Stararchitekt, der sich schon mit anderen Kino-Projekten ausgezeichnet hatte. Er entwarf 1925 das Capitol, mit zunächst 1 715 Sitzplätzen das größte Kino der Stadt.

Ein Jahr später folgen die T.B.-Lichtspiele – das „Theater am Bischofsplatz“ – in unmittelbarer Nähe der Schauburg – und der Gloria-Palast auf der Schandauer Straße. Pietzsch orientierte sich bei der Schauburg an seinem Capitol, nur etwas kleiner, ohne Seitenränge und eben 700 Sitzplätzen weniger. Um 1930 ist die Schauburg eines von 33 Kinos in der Stadt und zusammen mit dem jetzigen Programmkino Ost das einzige aus jener Zeit, das noch immer in Betrieb ist.

In der Schauburg liefen noch Ufa-Filme, als im April 1945 schon fast der Geschützdonner der nahenden Front zu vernehmen war. Dann war Schluss und Huyras wurde enteignet. Vor der Wiedereröffnung 1946 beherbergt die Schauburg kurzzeitig den Zirkus Sarrasani, der mit der Zerstörung seine Hauses heimatlos geworden war. In der Schauburg wurde 1953 der Fußballclub SG Dynamo Dresden gegründet.

Aktuell haben in dem Kino gerade wieder einmal die Bauleute das Sagen. Schon 1993/94 war das Haus innen gründlich umgestaltet und von einem auf drei Säle erweitert worden. Jetzt sollen mit einem Anbau im Erdgeschoss und einer teilweisen Aufstockung des Daches noch zwei weitere hinzukommen. Die Eröffnung der ersten Säle ist laut Ostertag am 15. Oktober vorgesehen. An diesem Tag hatte das Kino 90 Jahre zuvor den Betrieb aufgenommen. Bis Ende des Jahres sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein, sagte er.

Viele der großen Paläste von einst sind während des Krieges, aber auch danach verloren gegangen, wie etwa das Capitol in der Prager Straße oder der Faunpalast auf der Leipziger Straße. Die Liste ist lang. Das T.B. – „Theater am Bischofsplatz“ – heißt noch immer T.B.. Das Kürzel steht aber jetzt für „Terrassen am Bischofsplatz“ . Der einstige Kinosaal ist abgetragen, eine Bierterrasse ist entstanden. Andere Kinos wie das Rundkino, der Ufa-Kristallpalas oder das Kino in der Fabrik, das UCI Kinowelt Elbe Park sind hinzugekommen.

Im bundesweiten Vergleich kann sich Dresden noch immer sehen lassen. Angaben der Filmförderungsanstalt zufolge hatte die Stadt im vergangenen Jahr 18 Spielstätten. Damit kommt Dresden nach Berlin, München und Hamburg auf Platz vier – noch vor Köln und Stuttgart. Die Zahl der Besucher ist allerdings verglichen mit 2015 um gut 11 Prozent auf etwa 1,6 Millionen zurückgegangen. Das reicht nur zu Platz acht. An der Spitze liegen auch hier Berlin, München und Hamburg.