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Schafs-Tragödie bei Obercunnersdorf

Nachdem die Polizei zwei ausgerissene Tiere erlegt hat, ist nun klar: Das war das blutige Finale Ende einer langen Flucht.

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© M. Weber

Von Markus van Appeldorn

So eine Jagdszene hat es auf der B 178 noch nicht gegeben! Zwei ausgebüxte Schafe hatten sich am Dienstagmorgen auf die Schnellstraße bei Obercunnersdorf verirrt. Gefahr in Verzug. Die Polizei rückte in größerer Besetzung an und sperrte die Straße. Alle Versuche, die beiden Schafe einzufangen oder von der Straße zu treiben, scheiterten. Dann griffen die Beamten zur Heckler & Koch.

Die SZ fand nun heraus: Die Polizeischüsse bildeten nur den letzten Akt einer Schafs-Tragödie, die bereits im Mai ihren Anfang nahm. Damals waren insgesamt fünf Kamerun-Schafe ihrem Besitzer in Kottmar ausgebüxt. Und seitdem streiften sie gemeinsam unkontrolliert durch die Gegend. „Der Besitzer hat mir gesagt, er will die weggeschossen haben“, sagt der zuständige Jäger aus Eibau. Er betreut ein Revier am Kottmar. Und er kennt das Problem mit ausgerissenen Schafen: „Die werden ganz schnell so scheu, dass sie einen nicht mehr an sich herankommen lassen. Die lassen sich nicht einfach packen und einladen.“ Der Jäger erzählt von bizarren Szenen bei der Jagd nach den ausgebüxten Schafen: „So eine Müsli-Frau aus dem goldenen Westen wollte unbedingt verhindern, dass ich die Schafe schieße. Die hat gesagt, ihr Hund kuschelt so gerne mit denen und sie spricht mit ihnen.“ Diese Dame griff zur Schafrettung auch in die Trickkiste: „Die kam dann plötzlich mit einem anderen Schaf an und hat das mit einem Maulkorb an der Anhängerkupplung ihres Autos angepflockt – um die anderen Schafe anzulocken.“ Am nächsten Tag war auch dieses Schaf verschwunden. „Die Frau hat mir vorgeworfen, ich hätte ihr Schaf gestohlen. Ich sagte ihr: „Gute Frau, ihr Schaf steht mit Maulkorb und einer Kette am Hals im Wald. Holen sie es da weg, ehe es elendig verendet.“ Weil die flüchtigen Schafe auch immer wieder Straßen kreuzten, ordnete schließlich auch die Untere Jagdbehörde Zittau den Abschuss an. „Am Tag vor Vatertag habe ich gesagt, jetzt sind sie fällig. Das ist zu gefährlich mit den ganzen Motorradfahrern“, erzählt der Eibauer Jäger. In seinem Revier entdeckte er die kleine Herde und erlegte drei Schafe waidmännisch präzise. Die übrigen zwei musste er ziehen lassen: „Ich hatte nur drei Patronen dabei.“ Die Strecke hat er sich mit dem Besitzer der entflohenen Schafe geteilt. „Kamerun-Schafe haben ein hervorragendes Fleisch“, sagt der Jäger. Die beiden verbliebenen Schafe waren es nun höchstwahrscheinlich, die ihr Ende im Zuge der polizeilichen Gefahrenabwehr fanden.

Ist das der Wilde Osten? Wird die Polizei ohne Schießeisen nicht einmal mit zwei störrischen Schafen fertig? Wut und Reaktionen in den sozialen Medien waren daraufhin heftig. Viele Besucher des Facebook-Auftritts der SZ hielten den Abschuss der Tiere für unverantwortlich. Für andere hat sich die Polizei damit zur Lachnummer gemacht. Polizeisprecher Thomas Knaup verteidigt das Vorgehen der Beamten: „Für die Polizei geht es um Gefahrenabwehr und nicht um den Niedlichkeitsfaktor von Tieren“, sagt Polizeisprecher Thomas Knaup der SZ. Die Kollision mit einem Tier dieser Größe sei bei einer Geschwindigkeit um die 100 Stundenkilometer lebensgefährlich. „Leib und Leben von Menschen stehen im Vordergrund“, sagt Knaup.

Man habe versucht, zusammen mit der Veterinärbehörde den Halter zu ermitteln – vergeblich. Nach Abwägung aller Möglichkeiten habe man keine andere Lösung gesehen, als die Tiere zu erschießen. „Das mag manchem hart erscheinen, das muss nicht zwingend jedem gefallen“, sagt Polizeisprecher Knaup, „nichts anderes wäre geschehen, wenn es sich anstelle der Schafe um eine Rotte Wildschweine oder eine Schule Rehe gehandelt hätte.“