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Roter Teppich für Pegida?

Die Versammlungsbehörde verhält sich bei Genehmigung korrekt, sagen Gutachter. Aber sie finden Fehler in Details.

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© Benno Löffler

Von Andreas Weller

Dresden. Rund 50 000 Euro ließ die Stadt sich ein Gutachten kosten, das am Freitag präsentiert wurde. Es geht darum, ob Pegida und andere rechte Versammlungen gegenüber deren Gegnern von der Versammlungsbehörde bevorzugt werden. So zumindest wurde es mehrfach von den Anmeldern des Gegenprotests behauptet und auch Politiker der linken Mehrheit im Stadtrat erhoben ähnliche Vorwürfe.

Auf Beschluss dieser Mehrheit beauftragte Oberbürgermeister Dirk Hilbert (FDP) Jura-Professor Ralf Poscher von der Uni Freiburg und den ehemaligen Polizeipräsidenten von Bonn Michael Kniesel, dem nachzugehen. Die Gutachter wurden mit dem Stadtrat ausgewählt. Beide kommen klar zu dem Schluss: „Die Versammlungsbehörde hat sich generell an das Recht gehalten.“ Die immer wieder diskutierte Möglichkeit, rechte Versammlungen zu beschränken und weniger attraktive Orte zuzuweisen, bestehe nicht. „Aufgabe der Behörde ist es, Versammlungen zu ermöglichen und für Sicherheit zu sorgen“, so Poscher. Kniesel ergänzt, dass die Gesellschaft mit extremistischen Auffassungen leben und sich politisch mit ihnen auseinandersetzen müsse. „Wenn der Gegenprotest nicht die gewünschte Anzahl erreicht, kann das nicht die Behörde erledigen – sie hat keinen Spielraum.“

Wenn Pegida rechtsextremistisch oder gar verfassungsfeindlich wäre, müsse die Politik diesen Verein verbieten. „Dann dürfte er auch keine Versammlungen abhalten“, so Kniesel. Solange das nicht erfolgt, gilt, dass jeder an seinem gewünschten Ort Versammlungen durchführen kann. „Die Behörde muss schon sehr gute Gründe haben, dies zu untersagen“, erklärt Poscher. Eine Gefahr für die allgemeine Sicherheit, sei so ein Grund.

Die Experten haben die Akten der Versammlungsbehörde zu mehreren brenzligen Versammlungen gesichtet. Daraus ergeben sich keine systematischen oder grundsätzlichen Fehler. Aber Fehler in Details. So beanstanden Poscher und Kniesel unter anderem, dass bei mehreren Anmeldungen zum Gegenprotest von der Behörde geantwortet wurde, es gebe kein Grundrecht, in Hör- und Sichtweite zu protestieren. „Das muss eine Versammlungsbehörde generell schon ermöglichen“, sagt Poscher. Verboten werden könne es nur, wenn mit einer unmittelbaren Gefahr zu rechnen sei. Und so stellen sie schon in einigen Fällen Fehler fest. Die Behörde hat mindestens eine Eilversammlung von Pegida-Gegnern mit einer falschen Begründung verboten. Aber auch eine Verlegung einer Pegida-Versammlung war aus ihrer Sicht falsch. Genauso das dauerhafte Verbot für Pegida-Frontmann Lutz Bachmann, als Versammlungsleiter aufzutreten, weil dieser nicht zuverlässig sei.

Dennoch sei mehr Gegenprotest möglich, als es die Behörde bisher zugelassen hat. Speziell beim Thema Blockaden hat Poscher eine klare Haltung: Ein generelles Verbot ist falsch. „Symbolische Blockaden sind vom Recht geschützt.“ Sofern sie kurzfristig stattfinden, nicht länger als zehn bis 15 Minuten dauern und die eigentliche Versammlung nicht ernsthaft behindern. „Dass dort für eine streitbare Position demonstriert wird, müssen Gegner symbolisch darstellen dürfen“, erklärt der Jurist. In vielen Fällen konstatieren die Experten der Behörde aber eine „fehlerfreie Arbeit“.

Was sie kritisieren, ist die Doppelzuständigkeit von Polizei und Versammlungsbehörde während der Demonstrationen und Versammlungen. Das könne zu Missverständnissen, keinen gradlinigen Entscheidungen und einer unterschiedlichen Verfolgung von möglichen Verstößen führen. „Diese Doppelkompetenzen gehören abgeschafft“, fordert Poscher. Wenn die Stadt diese an die Polizei abgeben würde, könne sich auch der Oberbürgermeister besser politisch positionieren. Ist die Stadt zuständig, sollte der OB neutral bleiben, weil er oberster Dienstherr der Versammlungsbehörde ist. Ordnungsbürgermeister Detlef Sittel (CDU) will das mit dem Innenministerium, das auch das Gutachten erhält, diskutieren. Dort solle auch mehr für politische Bildung getan werden, um extreme Tendenzen einzudämmen.

Zufrieden sind Linke, Grüne und SPD mit dem Ergebnis des Gutachtens nicht. „Zu kurz gesprungen, Thema verfehlt“, so Grünen-Fraktionschefin Christiane Filius-Jehne. Die Ungleichbehandlung von Pegida- und Gegendemonstrationen sei nicht genügend untersucht worden – etwa bei Kontrollen, ob Auflagen eingehalten werden. Gespräche mit Anmeldern fehlen, darin sind sich alle drei Fraktionen einig. Dass Bescheide rechtmäßig seien, trete in den Hintergrund, meint Linke-Fraktionschef André Schollbach. „Wenn auf der Straße Nazi-Aufmärsche und zivilgesellschaftlicher Protest ungleich behandelt werden.“ Immerhin handle die Behörde nicht systematisch rechtswidrig, so SPD-Fraktionschef Christian Avenarius. „Das Gutachten verlangt aber auch, Gegenprotest in deutlich weiterem Umfang zu ermöglichen als bisher. Eine positive Herausforderung.“