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Riesa als Kundenmagnet

Eine Erhebung zeigt: Die Stadt zieht Einkaufende auch aus dem Umland an. Was die Daten aussagen – und was nicht.

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© Sebastian Schultz

Von Stefan Lehmann

Riesa. Rund um die Weihnachtsfeiertage drängte sich im Parkhaus der Elbgalerie und auf dem Riesapark-Parkplatz wieder der Verkehr. Zu sehen waren dabei nicht nur Riesaer Kennzeichen. Riesa ist ein Kundenmagnet fürs Umland – das zeigt auch die sogenannte Zentralitätskennziffer. Sie gibt an, wie groß die Attraktivität einer Stadt oder Gemeinde als Einkaufsort ist. Riesa schneidet dabei im kreisweiten Vergleich augenscheinlich besonders gut ab: Kein anderes Mittelzentrum schneidet so stark ab. Doch ganz so simpel ist das nicht, sagt Lars Fiehler von der Industrie- und Handelskammer (IHK) in Dresden.

Wie wird die Zentralitätskennziffer berechnet, und was sagt sie aus?

Die Berechnung der Kennzahl ist denkbar einfach, erklärt Fiehler: „Sie wird als Quotient aus Umsatz und einzelhandelsrelevanter Kaufkraft – multipliziert mit 100 – bestimmt.“ Liegt der Wert, der dabei herauskommt, bei über 100, dann bedeutet das, dass in der Stadt mehr Geld in den Einzelhandel fließt, als eigentlich an Kaufkraft vorhanden wäre. Für Riesa liegt der Wert bei 124, erst dahinter folgen Großenhain (119), Meißen (112) und Radebeul (70). Öffentlich einsehbar sind die Zahlen übrigens nicht, sagt der IHK-Sprecher. Auch die IHK kauft sie nur bei Marktforschungsunternehmen ein.

Welche Faktoren beeinflussen die „Zentralität“ einer Stadt?

Ganz entscheidend ist laut Lars Fiehler das Angebot. Das wiederum rühre „aus der Frage, ob eine Kommune Grund-, Mittel- oder Oberzentrum ist.“ So haben Oberzentren die Aufgabe, Mittel- und Grundzentren mit bestimmten Waren zu versorgen. „Große Möbelhäuser wie Höffner und Ikea wird man etwa eher in Dresden als in Nünchritz finden.“ Ein Vergleich zwischen Riesa und Dresden macht deshalb wenig Sinn. Auch die geografische Lage ist entscheidend. Der Zentralitätswert für Radebeul ist auch deshalb so niedrig, weil der Weg nach Dresden so kurz ist. Hinzu kommen laut Fiehler „Zusammenhänge, die aus Pendlerbewegungen resultieren“, das heißt, dass Pendler etwa einen Teil ihres Geldes am Arbeitsort ausgeben.

Wie steht Riesa im Vergleich mit anderen sächsischen Städten da?

Während Riesa im kreisweiten Vergleich die Spitzenposition innehat, lässt sich das im sächsischen Vergleich nicht behaupten. Bautzen (165), Hoyerswerda (148,7) und Görlitz (127,4) haben teils deutlich höhere Werte. Allerdings hinkt der Vergleich, sagt Lars Fiehler. Denn diese Städte haben als sogenannte Oberzentren auch eine andere Funktion. Unter den Mittelzentren liegt übrigens Kamenz enorm weit oben. Dort beträgt der Wert fast 183.

Wer profitiert von der großen Anziehungskraft einer Stadt?

Die Antwort darauf fällt nicht leicht. „Meist profitieren tatsächlich relativ viele Produktgruppen von ‚Auswärtskundschaft‘“, sagt Lars Fiehler. Wer etwa auf der Suche nach einem Fernseher von Zeithain nach Riesa fahre, der schaue eben gleich noch beim Drogeriediscounter vorbei. „Solche Sortimente würde man im Zweifelsfall auch in Wohnortnähe finden, sich ergebende Synergien werden aber gern genutzt.“ Allerdings räumt auch Fiehler ein, dass nicht jeder Laden gleichermaßen profitiert. Es spreche einiges dafür, dass „Auswärtige“ eher die großen Einkaufszentren ansteuern, die gut zu erreichen sind und in denen sich viele Geschäfte unter einem Dach befinden. „Man denke an den Elbepark in Dresden direkt an der Autobahnabfahrt der A 4.“ Die berühmte Laufkundschaft bliebe folglich für kleinere Geschäfte in schlechterer Lage aus.

Was kann diese Kennzahl nicht erklären?

Gerade weil er so simpel zu berechnen ist, kann der Zentralitätswert nicht alles erklären. Interne Kaufströme lassen sich damit etwa nicht abbilden, erklärt Fiehler. „Eine ganz konkrete Aussage, wo etwa die Meißner ihr Geld ausgeben, kann man demzufolge nicht treffen.“ Zudem sagt die Zahl nichts darüber aus, wie stark eine Stadt in absoluten Zahlen profitiert. Dresdens Zentralitätskennziffer beispielsweise falle „auf den ersten Blick mit 107,9 recht gering aus“. Hinter diesen rund acht Prozent verberge sich aber ein Zufluss von 250 Millionen Euro. Zum Vergleich: Alle Riesaer zusammen verfügen jährlich über etwa 175 Millionen Euro zum Einkaufen.

Der Grund liegt auf der Hand: Einwohnerzahl und damit auch Kaufkraft sind in Dresden ungleich größer. Voreilige Schlüsse lassen sich aus den Zahlen daher nicht ziehen, so Fiehler. „Nur am Rande sei erwähnt, dass in all den klassischen Modellen der Einfluss des Online-Handels gar keine Rolle spielt.“ In den fließe ja ebenfalls ein Teil der Kaufkraft ab, was das Berechnungsschema „schon wieder in Schieflage bringt – zumindest etwas“.