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Restaurants müssen Köche mieten

Da Fachkräfte in Dresden massenhaft fehlen, greifen viele Gastronomen auf Leiharbeitsagenturen zurück. Das ist richtig teuer.

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© René Meinig

Von Julia Vollmer

Acht Wochen vorher. So lange im Voraus muss Johannes Lohmeyer bei einer Leiharbeitsagentur anrufen, wenn er einen Koch braucht. Während die Worte Weihnachten und Silvester bei den meisten Freude hervorrufen, treiben sie Dresdner Gastronomen wie Johannes Lohmeyer Schweißperlen auf die Stirn. Denn große Feste bedeuten viele Gäste, die essen und trinken wollen. Dafür brauchen die Hoteliers Personal. Doch das fehlt – Köche und Kellner sind Mangelware. Das Gespenst Fachkräftemangel spukt seit Monaten in der Stadt. Sternekoch Stefan Hermann schließt seine Restaurants mittlerweile an zwei Tagen pro Woche, um sein vorhandenes Personal zu schonen. Die Restaurants des Schlosshotels Pillnitz, des Dorinth-Hotels und des Ringhotels Residenz Alt Dresden haben ebenfalls einen Schließtag in der Woche. Zuletzt musste der Italiener Piazza Nova am Neumarkt Insolvenz anmelden. Der Grund: da Personal fehlt, musste Geschäftsführer Claus-Carsten Heidsieck vermehrt Mietköche einkaufen, das kostet viel Geld. Müssen auch andere Gastronomen Köche und Kellner mieten?

„Wir machen das laufend, wenn wir denn noch welche bekommen“, sagt Johannes Lohmeyer, Chef des Courtyard by Marriott und gleichzeitig Vorsitzender des Tourismusverbandes. Auch über die Zeitarbeitsfirmen gäbe es oft kaum noch Mitarbeiter, denn der Ansturm sei riesig. Wenn er dann noch Köche oder Restaurantfachleute ausleihen kann, sei die Qualität oft mäßig. „Unzuverlässig oder unmotiviert“ seien die Leute zum Teil. Auch er kennt das Problem, viel Geld für die Leiharbeiter zu bezahlen. „Sie kosten mich im Schnitt rund 30 Prozent mehr als meine Festangestellten“, sagt er.

Doch diese sind schwer bis gar nicht zu finden. Denn es werden immer weniger Köche und Restaurantfachleute ausgebildet. Während 2007 noch 629 Azubis in Dresden ihre Lehre zum Koch begonnen haben, waren es 2016 nur noch 189, so Lars Fiehler, Sprecher der Industrie- und Handelskammer. Das weiß auch Siri Leistner, die das Berufsschulzentrum für Gastgewerbe leitet. Während 2011 noch 192 junge Leute ihre Ausbildung zum Restaurantfachmann oder zur -frau und 404 Koch-Azubis anfingen, waren es im Schuljahr 2016/17 noch 106 Kellner und 266 Köche.

Das kennt auch Marc Arendt, Chef des Ringhotels Residenz Alt Dresden. Allerdings mietet er statt Köchen vor allem Kellner. „Wir haben Anfang Oktober für den Dezember bei den Agenturen angefragt. Von zwanzig angefragten Tagen haben wir an einem noch Restaurantfachleute bekommen“, erzählt er. Bis zu 20 Euro die Stunde muss er ihnen bezahlen. Zu Weihnachten und Silvester bis zu 40 Euro pro Stunde pro Mitarbeiter. Dazu kommen Abend- und Feiertagszuschläge. Wenn die Lage brenzlich wird, stellt sich Arendt, selbst gelernter Koch, mit in die Küche.

Sein zusätzliches Personal mietet er bei den Dresdner Agenturen wie Elbtalteam oder CrashIce. Dort, beim Elbtalteam, kann man sich vor Anrufen von Gastronomen und Hotelchefs kaum retten, erzählt Martin Segura. „Es ist ein extrem wachsender Markt“, sagt der Sprecher. Spontan für den nächsten Tag buchen sei nicht möglich. Sechs Wochen Vorlaufzeit sei nötig, wenn man einen seiner 20 Leihköche haben möchte. Über seine Preise will er nicht reden und verweist auf die Konkurrenz.

Für einen Preis von um die 20 Euro netto pro Stunde können Gastronomen Mietkoch Jochen Gruber mieten. „Ich bekomme verstärkt Anfragen aus Dresdner Läden“, erzählt er. Er springt ein, wenn eine Feier bevorsteht oder Events wie Weihnachten. Für ihn hat das nur Vorteile, sagt er. Er kann selbst entscheiden, wann er arbeitet und wann er Zeit mit der Familie verbringen will. Schicht am Heiligabend? Nur dann, wenn er will. „Außerdem verdiene ich so mehr als als Angestellter“, betont er.

Das niedrige Gehalt geben viele junge Leute als Grund für ihre Entscheidung gegen den Koch- oder Kellnerberuf an. Wie wenig in der Gastronomie tatsächlich gezahlt wird, bestätigt auch Karin Vladimirov von der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG). „Der tarifliche Stundenlohn in der untersten Tarifgruppe beträgt in Sachsen 9,08 Euro brutto.“ Eine ausgebildete Fachkraft bekäme also monatlich 1669 Euro brutto bei einer 40-Stunden-Woche. Allerdings seien bundesweit nur ein Drittel der Unternehmen im Gastgewerbe tarifgebunden. Das heißt, oft arbeiten die Beschäftigten zum Mindestlohn. „Und der wird oft auch noch unterschritten, indem Überstunden nicht dokumentiert und nicht bezahlt werden“, so die Sprecherin. Das Gastgewerbe habe es selbst in der Hand, etwas gegen den Fachkräftemangel zu tun: bessere Tarifverträge, bessere Ausbildung, bessere Arbeitsbedingungen.

Marek Kvasnicak, Manager vom Wyndham Garden-Hotel, muss auch häufig zu Mietköchen greifen. Er hat inzwischen seine eigenen Methoden, um mit dem Fachkräftemangel klar zu kommen. Er setzt auf die Verschlankung von Abläufen. „Bei uns gibt es zum Beispiele keine Tischdecken mehr, sondern Platzsets. Da macht unseren Leuten weniger Arbeit.“ Außerdem arbeitet er mit Flüchtlingen, die in ihrer Heimat Koch oder Kellner gelernt haben.