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Razzia bei VW-Millionären

Staatsanwälte und Steuerfahnder durchsuchen Büros von Betriebsratschef Bernd Osterloh und Vorständen – Verdacht auf Untreue.

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© picture alliance / julian strate

Von Henrik Mortsiefer

Der große Einfluss des Betriebsrats auf die Geschicke des VW-Konzerns hat Bernd Osterloh, den Vorsitzenden der Arbeitnehmervertretung, zum Millionär gemacht. In besonders guten Jahren kassierte Osterloh bis zu 750 000 Euro, hinzu kamen – zum Beispiel im vergangenen Jahr – gut 250 000 Euro für sein Aufsichtsratsmandat. Letztere überwies der 61-Jährige, wie bei der IG Metall üblich, an die gewerkschaftsnahe Hans-Böckler-Stiftung. Es blieben ihm in der Branche beispiellos üppige Bezüge.

Ob sie zu hoch sind und bei VW alles mit rechten Dingen zugeht, beschäftigt schon seit einigen Monaten die Staatsanwaltschaft Braunschweig. Sie geht dem „Anfangsverdacht der Untreue“ nach. Am Mittwoch gipfelten die Ermittlungen in einer Razzia: Unternehmen und Betriebsrat bestätigten, dass bereits am Dienstag das Büro von Osterloh sowie die Räume von Personalvorstand Karlheinz Blessing und Finanzvorstand Frank Witter durchsucht wurden. Auch Beamte der Steuerbehörde waren beteiligt. Es steht der Vorwurf der Steuerhinterziehung im Raum: Wenn VW Osterloh zu viel Geld gezahlt hat, könnte das Unternehmen auch zu hohe Betriebsausgaben angesetzt und damit zu wenig Steuern gezahlt haben. Früheren Angaben zufolge richten sich die Ermittlungen auch gegen Blessings Vorgänger Horst Neumann sowie gegen den Personalchef der Marke VW, Martin Rosik und dessen Vorgänger Jochen Schumm.

Osterloh soll Bezüge offenlegen

Der Autobauer und der Betriebsrat wiesen die Vorwürfe am Mittwoch zurück: Ein VW-Sprecher erklärte, man halte sich bei der Vergütung von Betriebsratsmitgliedern an die Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes. Bereits vor Monaten sei „die Entgeltfindung des Unternehmens für Bernd Osterloh auch durch einen externen juristischen Sachverständigen überprüft“ worden. „Wir gehen ebenso wie Volkswagen unverändert davon aus, dass das vom Unternehmen festgelegte Gehalt von Bernd Osterloh im Einklang mit den rechtlichen Vorgaben steht“, ergänzte ein Betriebsrats-Sprecher. In Wolfsburg wird argumentiert, Osterloh übernehme in herausragender Weise Verantwortung für die Belegschaft und den gesamten Konzern und müsse deshalb auch entsprechend bezahlt werden – nicht zuletzt, weil angenommen wird, dass er auch außerhalb des Betriebsrats Karriere machen könnte.

Osterloh hatte im Mai dieses Jahres angegeben, zuletzt „nur“ auf ein Grundgehalt von 200 000 Euro gekommen zu sein – plus (unbezifferte) Boni, die auch Manager in Abhängigkeit vom Geschäftserfolg erhalten. Dem Betriebsratschef waren vor zwei Jahren Ambitionen auf einen Wechsel in den Vorstand nachgesagt worden. Doch Osterloh wurde nicht Arbeitsdirektor des VW-Konzerns mit weltweit 600 000 Beschäftigten. Die Eigentümer-Familien Porsche und Piech sollen ihren Einfluss damals geltend gemacht haben: Weil Osterloh ein alter Vertrauter des früheren Konzernchefs Martin Winterkorn ist, fürchteten die Familien, der Personalvorstand könne ebenfalls in den Dunstkreis des Diesel-Skandals geraten. Man entschied sich für den früheren SPD-Bundesgeschäftsführer und späteren Stahlmanager Karlheinz Blessing. Ihn hatte die IG Metall vorgeschlagen – ein ungeschriebenes Gesetz bei der Besetzung des Postens im VW-Konzern. Mehr als 90 Prozent aller VW-Beschäftigten in Deutschland sind Gewerkschaftsmitglieder. Blessing verdiente laut Geschäftsbericht im vergangenen Jahr inklusive Boni knapp 5,4 Millionen Euro.

Die Diskussion um Osterloh erinnert an die Affäre um seinen Vorgänger Klaus Volkert, direkt zu vergleichen ist sie dennoch nicht. Denn Volkert musste 2008 wegen des Skandals um Lustreisen und Schmiergeldzahlungen ins Gefängnis. Das Landgericht Braunschweig verurteilte Volkert damals wegen Anstiftung und Beihilfe zur Untreue. Der damalige VW-Personalvorstand Peter Hartz kam mit einer Bewährungsstrafe davon und musste zudem eine Geldstrafe zahlen. Er hatte sich nach Überzeugung des Gerichts mit Sonderboni das Wohlwollen des mächtigen Betriebsratschefs erkauft.

Der große Einfluss der Arbeitnehmer und Gewerkschaften sowie der öffentlichen Hand auf den VW-Konzern hat historische Gründe: Die Mittel zum Aufbau des Volkswagen-Werks stammten aus dem von den Nazis zunächst beschlagnahmten und 1937 dann enteigneten Gewerkschaftsvermögen. Als Volkswagen nach dem Krieg im Jahr 1960 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde, gingen die „Volksaktien“ überwiegend an Kleinaktionäre. Je 20 Prozent erhielten zunächst der Bund und das Land Niedersachsen. Das Land hat bis heute eine Sperrminorität.

Beobachter sehen in der historischen Verantwortung allerdings eine schlechte Begründung für überhöhte Bezüge für Betriebsräte. So fordert der Duisburger Autoexperte Ferdinand Dudenhöffer mehr Transparenz: „Es wäre ein Anfang, wenn Herr Osterloh seine Bezüge komplett offenlegen würde – das wird ja auch von den Vorständen verlangt.“