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Puppenspieler vor den Trümmern ihrer Existenz

Das Zelt und die Bühne sind kaputt. Rücklagen hat die Familie mit vier Kindern nicht. Wie es weitergeht, ist ungewiss.

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© Dietmar Thomas

Von Sylvia Jentzsch

Döbeln. Wie ein großer Ballon ohne Luft liegt das Märchenzelt auf einer Wiese am Ortseingang von Zschäschütz. Puppenspielerin Tamara Köllner steht mit ihren Kindern und ihrem Partner davor und kann es immer noch nicht fassen. Ihre Existenz ist ruiniert.

Am späten Donnerstagnachmittag musste sie mit ansehen, wie eine Sturmböe das 200 Zuschauer fassende, erst ein Jahr alte Zelt aus den Angeln riss und die aufgestellten Zaunfelder förmlich in die Zelthaut flogen und sie aufschlitzen, große Löcher hineinrissen. Auch die Bühne, auf der von Freitag bis Sonntag das Puppenspiel „Grüffalo“ gezeigt werden sollte, ist völlig zerstört.

„Wir haben nichts mehr, auch keine Rücklagen. Wie es weitergehen soll, weiß ich noch nicht. Gestern war ich fassungslos und am Boden zerstört. Doch es muss weitergehen. Die Kinder brauchen mich und wir brauchen Auftritte, um Geld zu verdienen“, sagte Tamara Köllner (26). Sie und ihr Partner Janko Kaselowsky (25) waren froh, dass ihnen Landwirt Gerhard Gröbner die Wiese am Ortseingang von Zäschütz kostenlos zur Verfügung gestellt hat. „Uns wurde am Freitag sogar angeboten, länger zu bleiben, bis wir eine Lösung gefunden haben“, sagte Tamara Köllner. Doch um wieder Geld verdienen zu können, brauchen die Puppenspieler zumindest eine Bühne. Deren Reparatur würde etwa 2 000 Euro kosten. Für das Zelt könnten noch einmal 3 500 bis 4 000 Euro fällig werden. „Es ist unser einziges Theaterzelt. Repariert werden kann es nur von einer Fachfirma in Hamburg, da wir auch Sicherheitsbedingungen einhalten müssen“, erzählt die Puppenspielerin. Wie die junge Familie das Geld aufbringen soll, weiß sie nicht. Eine Versicherung für das Zelt, die Bühne und alles, was dazugehört, hat die Familie nicht. Die gebe es nicht und wenn, dann wären die Kosten so hoch, „dass wir uns das nicht leisten könnten.“

„Jeder Tag, den wir nicht auftreten, ist für uns ein Verlust. Wir brauchen auch Geld für die Versorgung unserer vier Kinder“, so Tamara Köllner. „Vielleicht gibt es einige Döbelner, die uns finanziell unterstützen. Unsere Kinder können nichts für dieses Unglück“, so die 26-Jährige.

Die Kinder spüren, wie unglücklich ihre Eltern sind, die versuchen, das zu verbergen. Alessia ist erst neun Monate alt, Julie ist zwei, Lijan vier. Chanel (7) ist in der Schule. „Ich muss für meine Kinder optimistisch sein, obwohl ich nicht weiß, was morgen oder übermorgen ist“, so Tamara Köllner.

Das Jahr 2017 sei sehr schlecht in Hinblick auf die Einnahmen gewesen. Deshalb haben sich die Eltern der vier Kinder auch entschieden, keine Winterpause einzulegen. Das Zelt hatten sich die Puppenspieler erst im vergangenen Jahr angeschafft. „Wir wollen unseren Zuschauern etwas bieten. Es sollte alles sehr schön sein. Denn wir sind Puppenspieler mit Leidenschaft. Und nun das“, so Tamara Köllner.

Das kaputte Zelt liegt noch auf der Wiese, die wenigen Zaunfelder, die ganz geblieben sind, stehen am Wagen für die Zelteinrichtung. „Gut, dass es am Wohnwagen keine Schäden gibt. Der ist unser einziges Zuhause“, sagt die Mutter von vier Kindern.

Im Wohnwagen verbrachten sie die schrecklichen Stunden während des Sturms am Donnerstag. Das Heulen des Windes und das Ruckeln des Wagens durch den Sturm seien furchtbar gewesen. „Wir haben ständig auf die Daten, der Unwetterzentrale geschaut. Unser Zelt ist so gebaut, das es 110 bis 120 Stundenkilometer Windgeschwindigkeit aushält“, sagte die Puppenspielerin. Zuvor hatte das Paar weitere Sicherungsmaßnahmen für das Zelt und die Zäune vorgenommen.

Das Zelt sei mit doppelten Eisen festgezurrt worden, die tiefer als sonst, ein Meter im Boden, befestigt wurden. Auch die Zaunfelder wurden verankert. Aus dem Wohnwagen verfolgten sie, wie das Zelt zunächst den Windböen standhielt. Doch dann passierte das Entsetzliche. „Wir mussten zusehen, wie alles zerstört wurde und konnten nichts machen. Im Nachgang kann ich nicht einmal sagen, wie alles passiert ist. Es ging so furchtbar schnell“, sagte Tamara Köllner. Wer der jungen Familie finanziell helfen will, kann sie auf dem Platz am Eingang von Zschäschütz besuchen.