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Plötzlich steht der Zoll vor der Tür

Beamte gehen in Gaststätten und Shisha-Bars dem Verdacht auf Schwarzarbeit nach, finden aber auch etwas anderes. Auch in Bautzen gab es jetzt eine Kontrolle.

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© Jens Fritzsche

Von Jens Fritzsche

Bautzen. Der nieselkalte Feierabend liegt ein bisschen müde über dem Holzmarkt am Rand der Bautzener Innenstadt. Ein paar Parkplätze sind belegt, die meisten frei. Auf einer der Bänke inmitten des Platzes sitzen ein paar Männer – bei Bier und lauten Männergesprächen. Die Läden ringsum bereiten sich auf den Ladenschluss vor, als es plötzlich hektisch wird. Aus allen Richtungen rollen Transporter mit abgedunkelten Scheiben an. Eilig werden die Autotüren aufgeschoben, Männer und Frauen in grünen und grauen Uniformen mit der weißen Aufschrift „Zoll“ springen zügig aus den Fahrzeugen. Sie scheinen genau zu wissen, wohin.

Heike Wilsdorf, Sprecherin des Hauptzollamtes Dresden, erklärt, warum gerade Gaststätten auf Schwarzarbeit kontrolliert werden.
Heike Wilsdorf, Sprecherin des Hauptzollamtes Dresden, erklärt, warum gerade Gaststätten auf Schwarzarbeit kontrolliert werden. © Steffen Füssel

Sie postieren sich vor einem Dönergeschäft und auch vorm benachbarten Laden, der orientalische Lebensmittel verkauft. Einige der Uniformierten sichern die Hinterausgänge. Und auch für die Shisha-Bar im Obergeschoss des Dönerladens interessieren sich die Beamten.

„Guten Tag, Hauptzollamt Dresden, verdachtsunabhängige Kontrolle“, lautet die Ansage mit fester Stimme. Routiniert wirkt das Ganze, die Mitarbeiter werden nun geduldig einzeln befragt: Seit wann arbeiten Sie hier? Sind Sie angestellt? Wie werden Sie bezahlt? …

Kontrollen in ganz Ostsachsen

Der Einsatz am Dienstagabend in Bautzen ist Teil einer zeitgleichen Kontrolle in ganz Ostsachsen. Auch in Görlitz und Zittau schauen sich die insgesamt 65 Beamten des Hauptzollamtes Dresden in Shisha-Bars um. Schwerpunkt des Einsatzes ist in erster Linie das Thema Schwarzarbeit, sagt Zoll-Sprecherin Heike Wilsdorf. Dass dabei vor allem Gaststätten ins Blickfeld rücken, sei kein Zufall, macht sie deutlich. Denn Gastronomie, aber auch Speditionen oder Gebäudereinigungen sind Berufsfelder, „in denen viele Tätigkeiten zu vergeben sind, für die man keine ausgebildeten Fachleute braucht“. Und dort sei mitunter zu beobachten, „dass diese Angestellten keinen Mindestlohn bekommen“, weiß sie aus langjähriger Erfahrung.

Wie viele Kilometer Heike Wilsdorf dabei gemeinsam mit ihren Kollegen jährlich unterwegs ist, kann sie aus dem Hut nicht sagen. Aber als Sprecherin der Behörde hat sie dennoch eine Menge spannender Zahlen parat: So haben die Beamten im Bereich des Hauptzollamtes Dresden – das von der polnischen Grenze bei Görlitz bis hinter den Flughafen Leipzig reicht – beispielsweise allein im vergangenen Jahr bei Schwarzarbeits-Kontrollen einen Schaden von 24 Millionen Euro aufgedeckt. „Wird nicht nach Mindestlohn bezahlt oder fließen keine Sozialabgaben, sind das Gelder, die den Sozialkassen fehlen.“ Das Thema habe sich dabei in den vergangenen Jahren immer mehr verschärft, nicht zuletzt nach der Einführung des Mindestlohns.

Mit ins sprichwörtliche Netz gehen bei diesen Kontrollen dann aber auch mitunter illegal beschäftige Ausländer oder Leute, die offiziell arbeitslos gemeldet sind und Sozialleistungen erhalten. Insgesamt 4 800 Straf- und Bußgeldverfahren sind dabei 2017 im Bereich des Dresdner Hauptzollamtes gelaufen.

Auch der Keller wird kontrolliert

Die Stimmung hinter der Döner-Theke ist trotz der vielen Uniformen im Raum entspannt. Bereitwillig geben die Mitarbeiter Auskunft. Es bleibt ihnen auch nichts anderes übrig, der Gesetzgeber lässt keinen Widerspruch zu. Und auch die Zoll-Beamten nicht. Freundlich, aber bestimmt füllen sie ein vorgegebenes Datenblatt mit den Antworten der Befragten aus.

Derweil läuft das Döner-Geschäft weiter. „Kein Problem, kommen Sie ruhig rein“, sagt einer der Beamten freundlich zu einer verunsichert blickenden jungen Frau an der Eingangstür. Vorsichtig geht sie an die Theke, der Kellner lächelt. Normalität; an einigen Tischen sitzen Gäste. „Gibt es hier auch einen Keller?“, fragt einer der Zöllner dann. Der Chef des Restaurants nickt und führt die Beamten die Treppe hinunter. In der Zwischenzeit wird einer seiner Mitarbeiter zu seinem Auto begleitet – dort hat er seinen Ausweis. Den bekommen wenig später zwei Beamte, die in einem der Transporter sitzen und dort die Personaldokumente prüfen. Der Transporter ist voller Computertechnik, gefälschte Ausweise würden sofort auffallen. Über alldem liegt eine für Außenstehende – und eifrige Fernseh-Tatort-Fans – erstaunliche Ruhe …

Kaum Beanstandungen

Die Abläufe sitzen. „Und das sozusagen auf beiden Seiten“, sagt Zoll-Sprecherin Heike Wilsdorf schmunzelnd. „Wir haben sehr viel Öffentlichkeitsarbeit betrieben, haben auch bewusst immer wieder mit auffälligen grün-weißen Einsatzfahrzeugen Kontrollen durchgeführt.“ So habe sich die Gesetzeslage herumgesprochen, „die Unternehmen und auch die Mitarbeiter wissen, dass sie uns auskunftspflichtig sind – da gibt es auch meist keine großen Probleme mehr“. Auch bei der Kontrolle in Bautzen nicht. Lohnbescheinigungen, Arbeitsverträge und Aufenthaltsgenehmigungen werden ohne Zögern vorgelegt. Was wiederum auch ein umfassendes Wissen bei den Beamten voraussetzt. Sie müssen die Gesetze kennen, müssen wissen, wer als Ausländer in Deutschland arbeiten darf, wie viel Empfänger von Sozialleistungen hinzuverdienen dürfen oder wie viele Wochenarbeitsstunden erlaubt sind. „Natürlich sind unsere Mitarbeiter sehr gut geschult“, unterstreicht Heike Wilsdorf. Regelmäßige Weiterbildungen für die insgesamt 1 200 Beamten im Hauptzollamt Dresden gehören ebenso dazu, wie eine fundierte Berufsausbildung. „Ja, Zöllner ist ein Ausbildungsberuf, das wissen viele leider nicht“, macht die Zoll-Sprecherin auch gleich noch ein bisschen Werbung für eine Ausbildung beim Zoll. Und findet, „wir sind das spannendste Hauptzollamt Deutschlands“. Kein anderes Amt habe zum Beispiel gleich zwei Auslandsgrenzen – eine polnische und eine tschechische –; nicht zu vergessen das große Luftfracht-Drehkreuz in Leipzig. „Dort haben wir jüngst zum Beispiel eine Tonne Rauschgift aus einer Fracht geholt.“

Beim Einsatz in Ostsachsen werden die Beamten ebenfalls fündig. Bei den Kontrollen in Görlitz, Zittau und Bautzen stellen sie 26 Kilogramm unversteuerten Wasserpfeifentabak sicher. Zudem bestehe in mehreren Fällen der Verdacht auf illegale Beschäftigung sowie Verstöße gegen Auflagen des Aufenthalts- und Asylverfahrensgesetzes, zieht Heike Wilsdorf noch am späten Abend eine erste Bilanz. Ob die Fälle aus Bautzen stammen oder aus den anderen kontrollierten Bars, bleibt allerdings das Geheimnis der Beamten.

Das Knacken und Rauschen der Funkgeräte verstummt schließlich. Nach und nach steigen die Zoll-Beamten in die Autos. Und fast so schnell, wie sie vor etwa zwei Stunden plötzlich aufgetaucht waren, sind sie nun wieder verschwunden. „Jetzt beginnt erst die richtige Arbeit“, sagt einer der Zöllner schmunzelnd noch kurz beim Einsteigen. Denn nun werden all die gesammelten Daten überprüft. Arbeitsagenturen werden gefragt, Ausländerbehörden angesprochen. Dann erst wird sich zeigen, was dieser Einsatz gebracht hat.

Und am Holzmarkt in Bautzen ist es nun wieder ein ganz normaler Abend …