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Olympischer Geist

Er stammt aus Sachsen, hat mit dem Eishockey-Team Silber gewonnen, aber die Spiele in der Heimat verpasst Frank Hördler.

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© action press

Von Sven Geisler

Die Silberjungs kommen nach Sachsen? Das ist ein wenig geflunkert. Tatsächlich stehen nur zwei Spieler im Aufgebot für die Partien gegen die Slowakei in Weißwasser und Dresden, die bei Olympia ein Eishockey-Wunder vollbracht haben: Torhüter Thomas Pielmeier und Verteidiger Björn Krupp. Bundestrainer Marco Sturm muss in der WM-Vorbereitung auf die anderen Helden von Pyeongchang verzichten, am Mittwoch erklärten nach Kapitän Christian Ehrhoff auch Marcel Goc und Patrick Reimer ihren Rücktritt aus dem Nationalteam. Die meisten, nämlich zehn, spielen noch um die deutsche Meisterschaft.

Durch den Einzug ins Finale verpasst auch Frank Hördler, seit 15 Jahren bei den Eisbären Berlin, sein Heimspiel. Der 32 Jahre alte Verteidiger stammt aus Weißwasser, aber auf Eishockey hatte er mit vier Jahren noch keine Lust. Sein Papa Jochen, der damals bei Dynamo spielte, hatte ihn zum Schnuppertraining mitgenommen. Nur Schlittschuhlaufen fand der Sohn jedoch zu eintönig. Er spielte Fußball, Tennis oder einfach Hasche mit den Kindern im Karree, „Langeweile gab es nicht“, erinnert sich Hördler junior an seine Kindheit.

Erst als Jochen Hördler 1991 einen Profi-Vertrag in Selb bekommt und die Familie nach Bayern zieht, findet auch Frank zum Eishockey – und bildet 2002 für ein Spiel eine Sturmreihe mit dem Vater und Bruder David in der Oberliga, der dritthöchsten Spielklasse. „Mein Papa hatte seine Karriere beendet, ist aber noch mal eingesprungen“, erzählt Frank Hördler. „Mit ihm und dem Bruder vor 4 000 Zuschauern auf dem Eis zu stehen – das lässt sich nicht beschreiben, einfach gigantisch.“

Vergleichbar vielleicht mit den Glücksgefühlen bei Olympia, auch wenn er sagt: „Das muss man aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten: Das eine Ereignis ist sehr emotional, familiär, das andere der sportliche Höhepunkt.“ Dabei ging es für Hördler und die anderen sofort weiter, nur wenige Tage nach der Rückkehr aus Südkorea spielten sie wieder für ihre Klubs in der Deutschen Eishockey-Liga. „Das fand ich gut, wir sind nicht aus dem Rhythmus gekommen.“ Allerdings konnte er dadurch noch nicht realisieren, an einem Erfolg beteiligt gewesen zu sein, den man historisch nennen darf: Olympia-Silber toppt die beiden Bronzemedaillen von 1932 und 1976.

Beeindruckender Zusammenhalt

„Ich werde mir nach der Saison die Zeit dafür nehmen, um meine Eindrücke zu reflektieren“, meint Hördler. Wenn er von den Spielen in Asien erzählt, dann nicht zuerst über die Sensationssiege gegen Schweden und Kanada oder das unglücklich in der Verlängerung verlorene Finale gegen die russische Auswahl. „Ich war zum ersten Mal bei Olympia, bin mit riesiger Vorfreude dorthin geflogen“, sagt er. „Und ich wurde nicht enttäuscht. Was mich am meisten beeindruckt hat, war der Zusammenhalt im Team Deutschland. Rodler, Bobfahrer, Eisschnellläufer, egal, welche Sportart: Alle haben mit- und füreinander gefiebert, sich gegenseitig angefeuert. Dieser Sportgeist hat mich beeindruckt“, sagt Hördler.

Erst haben die Eishockey-Profis Biathletin Laura Dahlmeier und Skispringer Andreas Wellinger Gold gewinnen sehen, „später hat es sich dann umgekehrt und die anderen Athleten und Funktionäre kamen zu unseren Spielen“. Eine solche Begeisterung fürs Eishockey in Deutschland hätte er sich zwar erträumt, meint Hördler, aber nicht für möglich gehalten. „Ich finde das klasse. Wenn die Handballer oder die Fußballer ein Turnier spielen, bin ich auch begeisterter Zuschauer vor dem Fernseher. Umso schöner ist es, dass diesmal so viele uns zugejubelt haben.“

Die Länderspiele in Weißwasser und Dresden sind natürlich ausverkauft. Hördler aber spielt am Freitag in München und am Sonntag in Berlin. „Wenn wir es nicht geschafft hätten, wäre es ein kleiner Trost gewesen, mal wieder in der Heimat zu spielen“, sagt er, aber: „Mir ist es schon lieber, mit den Eisbären im Finale zu stehen.“ Sieben Titel hat er mit dem früheren Weißwasseraner Dynamo-Rivalen schon gewonnen. Nach dem achten Streich, so hofft Hördler, stößt dann auch er zum Team des Olympia-Zweiten, das zum WM-Auftakt am 5. Mai auf Gastgeber Dänemark trifft.

Den traditionellen Besuch beim „harten Kern der Familie“, wie er sagt, in Weißwasser zu Himmelfahrt, muss er wegen des Auswahl-Einsatzes verschieben. Seine WM-Teilnahme abzusagen, ist kein Thema, obwohl er stolz verkündet: „Ich werde spätestens im Mai noch mal Vater, das ist ein Riesenereignis für mich.“ Mit seiner Frau Corinna und den Söhnen Eric, 13 Jahre, und Jonas, neun, lebt Hördler bei Berlin.

Trotzdem interessiert ihn nach wie vor, wie es um die Lausitzer Füchse in Weißwasser steht. „Natürlich wünsche ich mir, dass sie in der DEL 2 oben mitmischen, aber das ist nicht immer möglich“, sagt er. „Der Klassenerhalt ist wichtig, weil Eishockey für die Region eine große Bedeutung hat.“ Deshalb, meint er, werden seine Nationalmannschaftskollegen am Samstag eine besonders emotionale Atmosphäre erleben.

TV-Tipp: Sport 1 überträgt die Spiele in Weißwasser (Sa., 17.45) und Dresden (So., 17.00) live.