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Ohne Robe auf der Gerichtsbank

Ein rechtskräftig verurteilter Betrüger aus Coswig bezichtigt einen anderen des Betruges. Der Mann war mal Rechtsanwalt.

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© Symbolbild/dpa

Von Jürgen Müller

Meißen. Der Coswiger kennt sich aus in Gerichtssälen. Etliche Male hat er auch hier in Meißen gesessen in Robe neben seinen Mandanten. Denn der 46-Jährige ist ausgebildeter Jurist, hat beide Staatsexamen und inzwischen einige Vorstrafen. Seine Zulassung als Rechtsanwalt hat er schon vor längerer Zeit aus gesundheitlichen Gründen zurückgegeben. Doch die wäre ihm von der Rechtsanwaltskammer ohnehin entzogen worden, nachdem er im Mai 2012 wegen Subventionsbetruges in mehreren Fällen, Unterschlagung und Verletzung der Buchführungspflicht vom Landgericht Dresden zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und zwei Monaten verurteilt wurde. Er hatte Fluthilfegelder, die für ein Kino in Freital bestimmt waren, veruntreut. Es ging um Hunderttausende Euro. Die Strafe hat er teilweise verbüßt, die restlichen sechs Monate wurden zur Bewährung ausgesetzt. Auch seine Frau hat keine Zulassung als Rechtsanwältin mehr seit der Insolvenz ihrer Kanzlei.

Erst im September vergangenen Jahres wurde der Angeklagte vom Amtsgericht Meißen wegen versuchten Betruges zu einer Haftstrafe von sechs Monaten ohne Bewährung verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Sollte das passieren, muss er auch noch weitere sechs Monate der ersten Haftstrafe absitzen. Die wurde zur Bewährung ausgesetzt. Jetzt sitzt er wieder vor Gericht. Ohne Robe und auf der Anklagebank. Diesmal wird ihm falsche Verdächtigung vorgeworfen.

Der Betrüger hat nun selbst einen Mann wegen Betruges angezeigt. Er hatte im Oktober 2015 Anzeige bei der Staatsanwaltschaft Berlin gegen einen ehemaligen Angestellten seiner beziehungsweise der Kanzlei seiner Frau gestellt. In dem 21-seitigen Schreiben warf er dem Mann unter anderem vor, im Namen der Kanzlei Werbematerial und Visitenkarten bei einer Druckerei bestellt und nicht bezahlt zu haben. Wie sich herausstellte, traf dies alles nicht zu. Der Mann hatte die Ware bezahlt, teilweise in bar, teilweise per Überweisung, wenn auch in Raten und erst nach Mahnung.

Angezeigt, was er gehört hat

Der Ex-Anwalt hat zwar einen Verteidiger, doch die meiste Zeit spricht er selbst, lange und weit ausholend. An dem Mann, den er anzeigte, lässt er kein gutes Haar. Der sei mal zu einer Gefängnisstrafe verurteilt worden und habe sich nach Spanien abgesetzt. Dort wurde er gefunden, ausgeliefert und saß einen Teil seiner Strafe ab. Die Frau des Angeklagten hatte ihn vertreten und erreicht, dass er nur die Hälfte verbüßen musste. „Die hatten ihn im Gefängnis einfach vor die Tür gesetzt. Alles, was er hatte, war in Spanien“, sagt der Angeklagte. Deshalb habe er ihm die Einliegerwohnung in seinem Haus vermietet. Über ein Jahr habe der keine Miete gezahlt, sich als Anwalt ausgegeben, sei dann untergetaucht. Eine Mitarbeiterin der Druckerei habe ihn gesucht, sei nach Coswig gekommen. Seiner Frau und seiner Mutter habe sie erzählt, dass der Mann seine Ware nicht bezahlt hatte. „Ich habe angezeigt, was man mir erzählt hat. Es war meines Erachtens Betrug, weil er nicht bezahlen konnte“, so der Ex-Anwalt. Irgendwelche Belege hat er dafür nicht. Er weiß nicht mal, wie hoch der Rechnungsbetrag war, um den es ging. Auch bei der Druckerei hat er sich nicht erkundigt. „Sie wissen nichts, haben einfach eine Anzeige ins Blaue gemacht“‘, wirft ihm der Richter vor. Ganz offenbar sind sich die beiden Männer spinnefeind, überziehen sich gegenseitig mit Anzeigen.

Diesmal kommt der frühere Anwalt ohne Strafe davon. Ein Freispruch, wie von ihm gewünscht, wird es aber nicht. Der Richter stellt das Verfahren auf Antrag des Staatsanwalts in Hinblick auf die letzte Verurteilung zu einer sechsmonatigen Haftstrafe ein. Die neue Tat fällt dabei nicht groß ins Gewicht. Gegen das damalige Urteil hat der Mann Berufung eingelegt. Darüber wird im Juni am Landgericht Dresden verhandelt. Dann wird sich entscheiden, ob der Ex-Rechtsanwalt erneut ins Gefängnis muss.