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Nordhausen greift an

Wie ein Kleinstadt-Verein aus Thüringen mit Macht versucht, in die 3. Liga aufzusteigen.

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© Mike Worbs

Von Dirk Pille

Die Botschaft war unmissverständlich: „Das Bayern München des Südharzes“. So stand es einst hochtrabend in einer Werbebroschüre des Nordhäuser Fußballvereins. Kurz darauf war Wacker pleite, meldete 2001 Insolvenz an. Inzwischen hat sich der Verein, der unter dem Namen Motor sogar einmal in der Aufstiegsrunde zur DDR-Oberliga stand, hochgearbeitet. Zweimal Platz drei in der Regionalliga.

Sportdirektor Maurizio Gaudino folgte seinem Bauchgefühl.
Sportdirektor Maurizio Gaudino folgte seinem Bauchgefühl. © Mike Worbs

Wacker steht dabei finanziell auf stabilen Beinen, wenn man Präsident Nico Kleofas glauben darf. Der Besitzer eines Wachschutz-Unternehmens hat im Lauf der Jahre zahlreiche Sponsoren gefunden. Größter Geldgeber ist der Gips-Riese Knauf im nahen Rottleberode. Über den Etat hüllt sich der Verein in Schweigen. Er dürfte zwischen 1,5 und zwei Millionen Euro liegen.

13 neue Spieler kamen, 13 gingen. Der Kader, der auch Spieler für die zweite Mannschaft in der Thüringenliga abstellt, ist mit 32 Mann üppig besetzt. „Wir wollen auf eine neue, professionelle Weise versuchen, innerhalb von zwei Jahren in die 3. Liga aufzusteigen“, sagte Kleofas.

Mit dem Darmstädter Kultstürmer Marco „Toni“ Sailer gelang dem Verein vor wenigen Tagen ein echter Transfercoup. Der urige Typ mit dem langen Bart sagte, warum er Nordhausen für den Herbst seiner Karriere gewählt habe: „Hier haben wir die Möglichkeit, etwas richtig Geiles zu machen. Das reizt mich. Mein Bauchgefühl hat für Nordhausen entschieden.“

Genau den Satz sagte bei seiner Vorstellung auch Maurizio Gaudino, den Kleofas als Sportdirektor verpflichtete. Der Spielerberater und der bullige Firmenchef hatten sich in Frankfurt/Main bei einer Reit-Gala getroffen. „Wir haben uns über Fußball unterhalten und sind uns sympathisch gewesen. Es ist sogar eine Art Freundschaft entstanden“, so Gaudino, der für zwei Jahre in Nordhausen unterschrieben hat.

Wacker scheint anziehend zu sein. Glaubt man den Aussagen im Umfeld, verzichten Spieler sogar auf mögliche höhere Gehälter bei Westklubs, um beim Nordthüringer Aufstiegsprojekt dabei zu sein. Mit Sailer, dem Torwart Tino Berbig (früher Jena), dem einstigen Rostocker Bundesligaspieler Zafer Yelen und dem aus Chemnitz stammenden Tobias Becker hat der neue Trainer Joe Albersinger routiniertes Personal. Albersinger war zuletzt U19-Trainer bei 1860 München, coachte zuvor die Reserve des FC Ingolstadt und hat eine studentische Vergangenheit als Assistenztrainer der Cayman-Inseln.

Wie Gaudino lebt seine Familie in München. Ein weiter Weg. „Doch ich habe keine Angst vor dem Osten. Ich schaue gern über den Tellerrand hinaus -- auch als Bayer. Ich wusste, hier ist etwas am Entstehen“, sagte Albersinger, der aus altgedienten und neuen Spielern eine erfolgreiche Elf formen soll.

Das scheint zu gelingen. Man startete mit der Vorbereitung zwei Wochen vor allen anderen Klubs. In Testspielen wurden Rot-Weiß Erfurt (3:2) und der Hallesche FC (1:0) nach starker spielerischer Leistung geschlagen. Nun aber wartet die Nagelprobe mit dem Saisonstart am Freitag (18.30 Uhr) in Babelsberg. „Wir wollen von Beginn an vorn mitspielen. Aber wir werden auch Geduld haben müssen“, sagt Albersinger und erntet ein Nicken von Gaudino und Präsident Kleofas. Auch der Sportdirektor will sich nicht in der ersten Saison gleich am Aufstieg messen lassen. „Ich habe hier für zwei Jahre unterschrieben“, sagte er.

Ohnehin wird die Zukunft nicht nur vom Erfolg der Mannschaft bestimmt. Der Albert-Kuntz-Sportpark gilt mit seinen nur 1 100 überdachten Sitzplätzen nicht gerade als Perle der Thüringer Arenen. Eine Modernisierung oder gar ein Neubau scheiterte bisher an den klammen Finanzen der 45 000-Einwohner-Stadt. Immerhin wurde eine Flutlichtanlage gemietet. Doch für den Sprung in die 3. Liga müssen nicht nur sportliche Fortschritte schnell nachgewiesen werden.