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Neues Leben für ein Geisterhaus

Jörg Herberger hat ein altes Klinikgebäude in Arnsdorf gekauft. Hier sollen Senioren-Wohngruppen entstehen.

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© Thorsten Eckert

Von Nadine Steinmann

Arnsdorf. Mit ein wenig Fantasie und Vorstellungskraft kann derjenige, der das verlassene Haus an der Hufelandstraße betritt, die Geister der Vergangenheit heraufbeschwören. Kann das Pflegepersonal beschäftigt durch die Gänge eilen sehen und die Patienten in ihren Zimmern beobachten. Denn vieles in diesem Haus, das im ersten Moment fast gespenstisch wirkt, erinnert an die Zeit, als in dem Haus auf dem Gelände des Sächsischen Krankenhauses Arnsdorf noch geschäftiges Treiben herrschte.

An vielen Zimmertüren des zweigeschossigen Hauses sind noch Namen zu lesen – von Patienten oder von Mitarbeitern des Arbeiterwohlfahrtsverbandes, der offenbar zuletzt in den Räumlichkeiten sein Domizil hatte. Das Büro im ersten Stock ist sogar eine richtige Zeitkapsel. Auf dem Schreibtisch, an dem vermutlich seit vielen Jahren niemand mehr gesessen hat, liegt ein Kalender aus dem Jahr 1999. Ein Ordner mit der Aufschrift „Betreuungspersonen“ ist ebenso zu finden, wie ein alter Taschenrechner, ein nicht funktionierendes Telefon und zahlreiche Notizzettel. Auf einem kleinen Beistelltisch ist eine massive Metallkasse mit Dutzenden Quittungen zu finden, im Schrank steht eine Packung Krümeltee, deren Haltbarkeitsdatum allerdings schon im Jahr 2002 abgelaufen ist. Am Türrahmen hängt ein Klebezettel auf dem – in langsam verblassender Schrift – folgender Satz zu lesen ist: „Wolfgang, habe bis 13 Uhr gewartet, musste dann aber nach Großröhrsdorf.“ Darunter ist ein weiterer Zettel mit den Worten „Fenster schließen“ zu sehen. Alles wirkt, als wäre das Gebäude fluchtartig verlassen worden. Als wäre die Zeit stehen geblieben. Einzig die Zimmer der Patienten sind bis auf die Gardinen an den Fenstern leer geräumt.

Wenn alles klappt, verschwinden aber auch die übrigen Relikte aus der vergangenen Zeit in wenigen Monaten aus dem Haus. Denn das Gebäude, das ehemals die Nummer B9 trug, hat vor zwei Jahren Jörg Herberger gekauft. Der 47-Jährige lebt seit 20 Jahren in Bischofswerda und arbeitet als selbstständiger Versicherungsfachmann in Bautzen. Seit mehreren Jahren ist er bereits auf der Suche nach einem passenden Objekt für Senioren-Wohngruppen. „Viele meiner älteren Kunden wohnen allein. Die Kinder sind ausgeflogen und leben weit weg“, berichtet der gebürtige Freitaler. Er wollte einen Ort schaffen, an dem einsame Rentner gemeinsam leben können. Wie eine WG sozusagen. Eine Rentner-WG.

Als er zum ersten Mal das verlassene Haus an der Hufelandstraße gesehen hat, verliebte sich Jörg Herberger auf den ersten Blick in das Objekt. Die Lage sei ideal. Die Landeshauptstadt sei genauso schnell zu erreichen wie umliegende Städte wie Kamenz oder Bautzen. Seine langjährige Suche war beendet. Er kaufte das Haus dem Freistaat ab. Seitdem laufen die Planungen auf Hochtouren. Mehrere Architekten hat sich der 47-Jährige ins Boot geholt, um dem Geisterhaus neues Leben einzuhauchen. Geplant ist nun, im Erdgeschoss und im ersten Stock die Wohngruppen einzurichten. Jeweils acht Senioren sollen hier Platz finden. Also 16 Wohnungen insgesamt. Fast jede Wohnung soll ein eigenes Bad sowie eine kleine Küchenzeile erhalten. Im großen Gemeinschaftsraum ist eine vollausgestattete Küche vorgesehen. Hier können die Bewohner gemeinsam kochen, essen oder eine Runde Skat spielen.

Das komplette Haus soll zudem barrierefrei umgebaut werden. Aus diesem Grund will Jörg Herberger auch einen Fahrstuhl einbauen lassen. Ein Pflegebad ermöglicht es den Rentnern zudem, in den Wohngruppen zu bleiben, auch wenn sie sich nicht mehr selbst umsorgen können und Hilfe bei der Bewältigung der täglichen Aufgaben benötigen.

Und auch für das riesige Dachgeschoss hat der Bischofswerdaer bereits eine Nutzung gefunden. „Ein Pflegedienst möchte sich erweitern und hat einen langjährigen Mietvertrag bei mir unterschrieben“, berichtet Jörg Herberger. „Die Mitarbeiter warten nur darauf, dass es los geht“, erzählt er lachend. Doch wann ist der Startschuss? „Hoffentlich im Herbst“, so der 47-Jährige. Das hänge von den letzten Abstimmungen mit der Denkmalbehörde ab. „Noch fehlt mir die Baugenehmigung.“ Doch Jörg Herberger ist positiv gestimmt und hofft, dass die Arbeiten in den kommenden Monaten beginnen können. Nach einem Jahr sollen sie, wenn alles planmäßig verläuft, beendet sein. Dabei möchte der Bischofswerdaer auch das Außengelände auf Vordermann bringen lassen. Denn immerhin umfasst das Grundstück 5 000 Quadratmeter Fläche, die momentan aber mit wilden Sträuchern und Bäumen bewuchert ist. Abschließend soll daraus eine kleine Parklandschaft entstehen.

Insgesamt investiert der Versicherungsfachmann 1,5 Millionen Euro in sein Herzensprojekt. Unterstützung erhält er dabei von seinem Geschäftspartner Jens Liebscher sowie von der Leader Region Westlausitz, die mit EU-Mitteln Projekte im ländlichen Raum fördert. Für die Komplettsanierung des Geisterhauses auf dem Arnsdorfer Krankenhausgelände macht der Verein immerhin 150 000 Euro locker. Also zehn Prozent der Gesamtinvestition.

Sobald die Baugenehmigung da ist und die Bagger an der Hufelandstraße anrücken, will Jörg Herberger auch eine Internetseite für die Wohngruppen erstellen und diese öffentlich ausschreiben.