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Neue Halle, neuer Sport

Handball in Dresden – ist fast schon in Vergessenheit geraten. Zwei Männer haben das geändert. Und der Zweitliga-Aufstieg soll nicht das Ende sein.

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© Robert Michael

Von Tino Meyer

Der Magier ist machtlos. Gut unterhalten werden die Zuschauer vom Auftritt des André Sarrasani und dessen Akrobaten in der Halbzeitpause dieses Handballspiels allemal, doch Zaubern hilft im Leistungssport nun mal nicht. Die Partie am Ende eines ereignis- wie erfolgreichen Jahres werden die Männer des Aufsteigers HC Elbflorenz Dresden krachend verlieren. Wer sich so viele Fehler erlaubt, hat keine Chance – erst recht nicht in der zweiten Bundesliga.

Sie liegen sich in den Armen, es ist geschafft. Uwe Saegeling und Christian Pöhler sind Aufsteiger.
Sie liegen sich in den Armen, es ist geschafft. Uwe Saegeling und Christian Pöhler sind Aufsteiger. © Thomas Heide

Diese Erfahrung haben die Dresdner zuletzt reichlich gemacht. Und der Abschluss, die Niederlage gegen den Tabellenführer und Liga-Krösus aus Solingen verbunden mit der Sarrasani-Einlage, fasst die vergangenen Monate noch einmal vorzüglich zusammen. Große Momente, viel Gefühl, Triumphe und Niederlagen, immer wieder begeisterte Zuschauer genauso wie schmerzverzerrte Gesichter – das Jahr 2017 ist unterm Strich doch das beste für den Verein seit seinem knapp zwölfjährigen Bestehen. Vor allem aber ist es das Comeback einer ganzen Sportart.

Handball in Dresden – den Slogan, den der HC Elbflorenz inzwischen mit einem dicken Ausrufezeichen garniert, hat man schließlich fast ein halbes Jahrhundert mit einem Fragezeichen versehen müssen. Ein Länderspiel hat es mal gegeben, dazu Bemühungen in verschiedensten Konstellationen, in erster Linie allerdings den weißen Fleck in der breiten Leistungssportpalette der Landeshauptstadt und Erinnerungen an die guten, alten Feldhandballzeiten der 1920er- und 30er-Jahre sowie die Ära der BSG Lokomotive Dresden.

1962 ist die Mannschaft in die Hallenhandball-Oberliga aufgestiegen, und nach dem Abstieg 1967 hat Lok in der Saison 1968/69 noch einmal in der höchsten DDR-Klasse gespielt. „Legendär sind die Meisterschaftsspiele im Hexenkessel Emrich-Ambros-Ufer, gegen alle führenden Klubmannschaften der DDR. Da sind wir alle heute noch sehr stolz“, sagt Gerd Bartmuß, der mit einer Chronik im Internet versucht, die Anfänge nicht vergessen zu lassen.

Doch nicht zuletzt aus Mangel an einer geeigneten Spielsporthalle kam man über den Status „Talentlieferant für Leipzig und Berlin“ nicht hinaus. Und auch als 1974 die WM in der DDR stattfand, fehlte Dresden als Spielort – weil sich der Eislaufverband gegen den temporären Umbau der Eislaufhalle im Ostragehege samt Heizung und auswechselbarem Parkett wehrte.

Ein Zauberer ist auch Uwe Saegeling nicht, obwohl es – so hat es zumindest den Anschein – nichts gibt, was der 51-Jährige nicht kann. Zumindest hat Saegeling, der sein Geld mit einem gleichnamigen Medizintechnik-Unternehmen verdient, in Eigeninitiave jene Halle gebaut, die Dresden und dem Handball so lange gefehlt hat.

Dass der HC Elbflorenz, bei dem Saegeling vom Fan über den Wirtschaftsbeirat bis zum Präsident und Hauptsponsor aufgestiegen ist, an dem Wochenende der Halleneröffnung auch den so lange geplanten Aufstieg in die zweite Liga schafft, macht die Sache rund. Insgesamt 2 500 Zuschauer passen bei Handballpartien in die Ballsportarena, die Saegeling innerhalb von 18 Monaten errichten ließ – für rund 15 Millionen Euro und mit einem Alleinstellungsmerkmal. Der Bodenbelag aus Spezialglas, auf dem die Spielfeldmarkierungen für verschiedene Sportarten mittels LED-Lichtern angezeigt werden, ist deutschlandweit einmalig.

Neue Halle gucken, mal Handball erleben und diesen Glasboden anfassen – das gehört zusammen und sorgt für ungeahnten Andrang bei den Elbflorenz-Heimspielen. „Für die 1 500 Zuschauer, mit denen wir im Schnitt planen, sind wir belächelt worden, auch kritisiert. Doch inzwischen liegen wir deutlich drüber, ganz deutlich“, betont Saegeling. Im November beim Sieg gegen Eisenach war die Halle zum ersten Mal restlos ausverkauft, und auch jetzt, im letzten Spiel des Jahres, sind wieder über 2 000 Zuschauer gekommen. „Der Aufstieg, die Halle und ein Platz im Mittelfeld der zweiten Liga. Was wollen wir mehr?“, fragt Saegeling.

Vielleicht irgendwann auch mal in der Bundesliga spielen, so wie der Gegner zum Jahresabschluss? Saegeling lässt solche Fragen unbeantwortet verklingen. Ausgeschlossen ist ja grundsätzlich nichts. Doch wie viel seinen HC Elbflorenz von einem potenziellen Erstligisten trennt, weiß er natürlich ebenfalls nur zu gut. Allen anderen hilft der Blick zur Anzeigetafel: 8:16 steht dort zur Halbzeit, 21:28 am Ende.

Trotzdem taucht Saegeling in der zweiten Hälfte am Spielfeldrand auf und ist so engagiert bei der Sache, als wolle er persönlich auch noch für die Aufholjagd sorgen. Er fuchtelt mit den Armen genauso wie kurz zuvor der Magier – und wie der Mann auf der anderen Spielfeldseite. Nur dass Dresdens Trainer Christian Pöhler, der da an der Linie hoch und runter läuft, gestikuliert und seinen Unmut den Schiedsrichtern gestenreich mitteilt, dafür die Gelbe Karte sieht.

Da haben sich zwei nicht unbedingt gesucht, aber gefunden. Was Saegeling an Rahmenbedingungen schafft, setzt Pöhler in sportlicher Entwicklung um – wobei auch in diesem Bereich aller Anfang schwer war. Dafür genügt der Blick zurück in die Vorsaison. Die ersten drei Spiele hatten die Dresdner unter dem damals neuen Trainer verloren, der anvisierte Aufstieg drohte einmal mehr frühzeitig zu scheitern. Doch Pöhler, ausgestattet mit einem Drei-Jahres-Vertrag, bekam die Zeit – und Saegeling den gewünschten Erfolg. Am 29. April 2017 war der Aufstieg endgültig besiegelt.

Ein gutes halbes Jahr später ist die Euphorie noch zu spüren, verbunden mit der Neugier und den Härten des Zweitliga-Alltags. „Inzwischen sind wir in der Realität angekommen“, sagt Pöhler in seinem Jahresfazit, und er meint: „Der Aufstieg war schön, doch noch schöner ist es, in der Liga zu bleiben.“ Zweifel daran hat er nicht – auch dank des Publikums. „Das ist eine absolute Top-Kulisse, die Zuschauer stehen 60 Minuten hinter uns, auch wenn wir jetzt schon vier Heimspiele verloren haben. Doch die Leute honorieren den Sport“, sagt Pöhler.

Handball und Dresden – da entwickelt sich etwas mit reichlich Potenzial nach oben, sportlich wie auch im ganzen Drumherum. „Die Leute mögen Handball, wollen Handball, und sie sind leidenschaftlich dabei. Cool!“, sagt Saegeling, und er freut sich schon aufs erste Heimspiel des neuen Jahres. Auch Sarrasani hat angekündigt, gerne mal wiederzukommen.