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„Natürlich musste die Polizei die Schafe erschießen“

Der Besitzer der getöteten Tiere äußert Verständnis für die Polizei-Schüsse auf der B 178. Der SZ schildert er das ganze Schafs-Drama.

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© dpa

Von Markus van Appeldorn

Das Drama um die zwei von der Polizei auf der B 178 erschossenen Schafe – immer noch regt sich Unmut darüber in den sozialen Medien. Gute Ratschläge sind unter den Kommentaren auf der Facebookseite SZ Löbau. Etwa der, ob die Polizei nicht auch ein Betäubungsgewehr hätte nehmen können.

Nun kommt immer mehr Licht in die Sache. Wie berichtet, handelte es sich bei den erschossenen Tieren aller Wahrscheinlichkeit nach um die zwei letzten von ursprünglich fünf Kamerun-Schafen, die schon vor über zwei Monaten ihrem Besitzer in Kottmar ausgekommen waren. Die Polizei besitzt keine schafzüchterische Kenntnis, konnte sie die Rasse der Tiere am Einsatzort nicht bestimmen. „Wir unterscheiden bei so einem Einsatz nicht zwischen Heidschnucken und Kamerun-Schafen“, sagt Polizeisprecher Thomas Knaup.

Die SZ hat den Besitzer jener entflohenen Kamerun-Schafe getroffen. Er schildert den ganzen Zirkus, den ihm die Tiere bereitet haben, möchte aber ungenannt bleiben. Ob es sich bei den erschossenen Tieren wirklich um seine handelte, wird sich nie mehr klären lassen. Das von ihm beschriebene rassetypische Verhalten der Schafe lässt aber daruf schließen und macht den finalen Schusswaffen-Einsatz der Polizei nachvollziehbarer. Die Tiere hatten sich auf der rundum eingezäunten Bundesstraße in eine Falle manövriert. Über eine der Auffahrten waren sie auf die Straße gelangt und fanden nun den Ausweg nicht mehr – gefährlich für den Verkehr.

Der Mann aus Kottmar hat eigentlich ökologisch korrekt gehandelt. Statt den stinkenden Benzin-Rasenmäher anzuwerfen, wollte er die großen Grünflächen rund um sein Haus lieber auf natürliche Weise abgrasen lassen. Kamerunschafe geben nicht nur ein schmackhaftes Fleisch ab. Sie sind auch im Privatbereich als Landschaftspfleger durchaus beliebt. Dazu hatte sich der Besitzer bereits im vorigen Jahr zwei Schafe einer anderen Rasse in einem mobilen Elektrogatter gehalten – und diese Vorrichtung sollte sich bei den Kamerun-Schafen als Problem erweisen.

Im April brachte ihm eine Schafhalterin aus der näheren Umgebung dann die fünf Schafe. „Wir wollten die Tiere vom Hänger ins Gatter bringen, da rannte schon das erste davon in den Wald“, sagt der Besitzer. Kamerunschafe sind keine handzahmen Tiere, sondern halbwild. Sie werden nur mit viel Aufwand zutraulich und nahbar und bleiben eher ängstlich, zurückhaltend und fluchtbereit.

„Mit Hilfe der Schafhalterin konnten wir das Tier wieder mit Futter anlocken“, erzählt der Besitzer. Schließlich waren alle fünf Schafe im Gatter. Doch eins verschwieg die Züchterin: Elektrogatter sind ungeeignet zur Haltung von Kamerun-Schafen. Ein Stromschlag hält die Tiere nicht wie andere Schafe von der Flucht aus der Umzäunung ab. Im Gegenteil, sie geraten in Panik und trampeln das Gatter dann womöglich nieder oder überspringen es. „So ein Kamerunschaf springt aus dem Stand 1,80 Meter hoch“, sagt der Besitzer.

Und so kam es. Als ein Jungtier auf die Kante des Zauns sprang und beim Stromschlag laut schrie, geriet die ganze Herde in Panik und brach aus. Quer übers Grundstück, die Straße und in den Wald. „Wenn so ein Schaf im Dickicht steht, das sieht man bei seiner Fellfärbung auch gar nicht“, sagt der Besitzer. Er engagierte mehrere Freunde, die beim Einfangen mithelfen sollten. Ein Nachbar hatte bereits die Polizei gerufen, weil Schafe über die Straße rannten. „Die Polizei richtete aber auch nichts aus“, sagt der Besitzer. Die Schafzüchterin brachte sogar ein weiteres Lock-Tier und pflockte es im Gatter an.

Immer wieder, wenn die Tiere mal in die Nähe des Grundstücks kamen, versuchte er sie mit Futter über die Straße anzulocken: „Dann kam hier jedesmal einer mit Karacho hochgefahren, da waren alle wieder davon.“ Nach ein paar Tagen wurde sogar die Agrargenossenschaft bei ihm vorstellig. Die Tiere würden die Ernte auffressen. „Ja genau, nun übertreib mal nicht“, hat der Besitzer gesagt. Aber reichlich Futter in freier Wildbahn – das war genau das Problem. „Im Sommer finden die überall genug Futter“, sagt er, „da brauchen die uns nicht.“ Er war der Verzweiflung nah. „Ich habe gesagt, wer sie fängt, darf sie behalten. Ich will sie nicht zurück.“

Gleichzeitig wandte er sich aber auch an einen ihm bekannten Jäger aus Eibau. Er solle die Tiere abschießen. Sie seien einfach zu gefährlich für den Straßenverkehr. Der Jäger erlegte, wie berichtet, drei der Tiere Ende Mai im Wald am Kottmar. Der Schafsbesitzer hat kein Verständnis für Facebook-Kommentare die die Polizei als schießwütig darstellen:„Natürlich mussten die Beamten die Tiere erschießen. Was hätten sie denn machen sollen?“