SZ +
Merken

Musik kann auch Lärm sein

Berufsmusiker tragen bei Proben und Auftritten Gehörschutz. Komfortable Lösungen haben den Papierstöpsel abgelöst.

Teilen
Folgen
NEU!
© Dietmar Thomas

Von Sylvia Jentzsch

Döbeln. Gehörschutz ist für Ingolf Barth wichtig und selbstverständlich Er ist Trompeter bei der Mittelsächsischen Philharmonie. Im Orchestergraben werden bei bestimmten Werken Spitzenwerte von bis zu 100 Dezibel gemessen. „Deshalb tragen viele Kollegen Lärmschutz. Obwohl die Sache zwei Seiten hat. Wir spielen Musik, um sie zu hören. Doch in diesem Fall geht die Gesundheit vor“, sagte Ingolf Barth. Er ist froh, dass die Kosten für den Gehörschutz von seinem Arbeitgeber, dem Mittelsächsischen Theater, übernommen werden. „Früher haben wir unser Gehör mit Stöpseln geschützt, die wir selbst aus Papiertaschentüchern gedreht haben“, so Barth.

Dass auch klassische Musik zu den Lärmmachern gehören kann, ist im Gegensatz zu röhrenden Autos, dröhnenden Flugzeugen und ratternden Rasenmähern weniger bekannt. Lärm gibt es fast immer und überall. Er kann zu Schwerhörigkeit oder Stress führen. „Während es für den Gehörschutz auf Arbeit durch die Berufsgenossenschaften strenge Auflagen gibt, kann der Freizeitlärm nicht kontrolliert werden“, sagt Hörakustikmeisterin Claudia Vogler-Bergmann, Inhaberin von Vogler Augenoptik & Hörakustik.

Tag gegen Lärm

„Laut war gestern“ unter diesem Motto steht der internationale Tag gegen Lärm am Mittwoch. Dem kann sich Hörakustikmeister Rico Opitz von Geers in Döbeln nur anschließen. Er ruft am Tag gegen Lärm dazu auf, sich leise Momente im Alltag besonders bewusst zu machen. Als Hörakustikmeister ist er bei der Arbeit häufig mit den Folgen von zu viel Lärm konfrontiert. „Uns fällt kaum noch auf, dass wir eigentlich den ganzen Tag von vielen kleinen und größeren Lärmquellen umgeben sind. Gleichzeitig gönnen wir uns kaum noch Erholung durch Ruhezeiten“, so Opitz.

Das bestätigt Claudia Vogler- Bergmann. Musik zum Beispiel könne eine sehr schöne Ablenkung, aber auch unerträglicher Krach sein. „Fest steht, wenn Musik zu laut ist oder wenn jemand Lärm mit hoher Lautstärke, gleich welcher Art ausgesetzt ist, schadet das den Ohren“, so die Fachfrau. Ist der Lärmpegel längere Zeit zu hoch, sterben die Haarzellen im Innenohr langsam ab und das Gehör wird schlechter. „Denn die Haarsinneszellen sind eine der Voraussetzungen, dass wir die Sprache verstehen können. Sie nehmen die Schallwellen vom Trommelfell auf und leiten die Signale als Nervenimpulse weiter zum Gehirn“, erklärt Claudia Vogler-Bergmann. Einmal beschädigt, können sie sich nicht mehr regenerieren. Doch nicht nur die Ohren leiden unter Lärm.

Krach hat viele Folgen

„Ständiger Krach setzt Stresshormone frei und steigert das Risiko für Bluthochdruck- und Herzkreislauferkrankungen. Auch Lern-, Konzentrations- und Schlafstörungen können die Folgen sein“, sagt die Hörakustikmeisterin.

Sie selbst schützt ihre Ohren vor Lärm zum Beispiel bei Konzertbesuchen oder wenn sie auf Reisen im Zug oder Flugzeug etwas mehr Ruhe möchte. „Es gibt eine große Auswahl von Varianten – vom günstigen Standardgehörschutz, über verschiedene Arten von Komfort-Gehörschutz mit Filtertechnik bis zum individuell maßgefertigten Profi-Gehörschutz für Berufsmusiker. Auch Partygänger können sich durchaus vor Lärm schützen, denn die Beschallung in einer Diskothek über mehrere Stunden kann bereits zu ersten Schäden führen. Für sie gibt es zum Beispiel standardisierten oder maßgefertigten Gehörschutz mit speziellen Musikfiltern, die Schutz bieten, ohne den Klanggenuss zu beeinträchtigen.

Die Hörakustikmeisterin rät auch Heimwerkern, einen Gehörschutz zu tragen. Immerhin schadet bereits ein Lärmpegel von 85 Dezibel – das entspricht der Lautstärke eines Rasenmähers – wenn man dieser regelmäßig für längere Zeit ausgesetzt ist.

Gehörschutz ist auch für Jäger und Schützen zwingend notwendig. „Hier ist die Lärmbelastung zwar nur kurz, aber viel intensiver. Die kurzen, lauten Schallwellen können ein Knalltrauma hervorrufen, das in manchen Fällen irreparabel ist“, so Claudia Vogler Bergmann. Deshalb sollten auch diejenigen ihr Gehör schützen, die nur Zuschauer oder Beobachter sind. Das trifft auch auf Gäste von Motorsportrennen zu.

Ohrgeräusche sind Alarmsignale

Gehörschutz spielt bei der Hörakustikmeisterin nicht nur am „Tag gegen Lärm“ eine Rolle. „Ich bin seit über 20 Jahren unter anderem zu Aktionstagen in Schulen unterwegs, um die Kinder für die Problematik Lärm und dessen Folgen zu sensibilisieren. Und es ist schon erstaunlich wie viele Kinder der dritten oder vierten Klasse bereits Tinnitus hatten“, so Claudia Vogler-Bergmann. Ein solches Ohrgeräusch sei oft ein Alarmsignal, das nicht übergangen werden sollte. Sie empfiehlt deshalb auch normal Hörenden alle zwei Jahre einen kostenlosen, unverbindlichen Hörtest. „Statistisch gesehen kommen auch häufiger jüngere Menschen in unsere Fachgeschäfte, um sich über Gehörschutz oder Hörsysteme zu informieren beziehungsweise diese anpassen zu lassen. Die Gründe dafür sind unterschiedlich. Es gibt zum einen ein gestiegenes Bewusstsein zur Vorsorge, zum anderen aber auch die Zunahme von Hörschäden auch durch Freizeitlärm“, so die Hörakustikmeisterin.

Das Gehör sei ein leistungsfähiges Organ und könne sich nach zu viel Lärm wieder erholen. Doch dafür braucht es Ruhe. Am Tag gegen Lärm wünscht sich Opitz, dass möglichst viele Menschen nach Ruheinseln in ihrem Lärmalltag suchen, um dem Gehör einen Ausgleich zu bieten. Stille kann bewusst gesucht werden, Zuhause hilft es, das Radio oder den Fernseher auszulassen, das Handy lautlos zu stellen oder einen Waldspaziergang zu machen.

Auch Trompeter Ingolf Barth sucht nach Proben und Auftritten Ruhe. „Auf der Heimfahrt schalte ich zum Beispiel kein Radio an und Zuhause finde ich vor allem im Garten Ruhe“, so der Musiker.