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Mit Siemens in einem Boot

Das Unternehmen KSC in Hagenwerder arbeitet für den Weltkonzern – und erwartet von ihm mehr Einsatz für die Region.

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© KSC Cottbus

Von Sebastian Beutler

Hagenwerder. Für Michael Stein ist der Strukturwandel nichts Neues. Als das Kraftwerk Hagenwerder 1997 schloss, blieb seine Firma Kraftwerks-Service Cottbus (KSC) in dem Görlitzer Ortsteil. „Wir haben Glück gehabt, dass wir mit Siemens und Bombardier gute Partner gefunden haben“, sagt KSC-Geschäftsführer Stein. „Wir konnten sogar unseren Umsatz und unsere Leistung steigern.“ Die Arbeitsplätze hätten auch zur gestiegenen Attraktivität der Region beigetragen, denn ohne Jobs gehen die Menschen eben weg. „Wir fühlen uns mit der Region verbunden, identifizieren uns mit ihr und fühlen uns dadurch auch über die engen Grenzen des Unternehmens hinaus für die Mitarbeiter und ihre Familien verantwortlich“, sagt Michael Stein.

Hat viel Erfahrung: KSC-Geschäftsführer Michael Stein.
Hat viel Erfahrung: KSC-Geschäftsführer Michael Stein. © KSC Cottbus

Heute beschäftigt KSC am Standort in Hagenwerder 100 bis 150 Mitarbeiter – da sind die Leiharbeitskräfte mit eingerechnet. In seinem ganzen Unternehmen, das seinen Sitz in Cottbus hat und an zahlreichen Kraftwerksstandorten in der Lausitz vertreten ist, gibt es 175 Mitarbeiter, davon 110 gewerbliche. Hinzu kommen noch rund 230 Leihmitarbeiter. Alles zusammen sind es rund 400 Stellen, die KSC derzeit bietet bei einem Jahresumsatz von 31 Millionen Euro. Allein zehn Millionen Euro trug der Standort Hagenwerder bei, von denen rund 800000 Euro aus Aufträgen von Siemens stammen. Neben Bombardier und der Kraftwerkssparte ist der Görlitzer Maschinenbau einer der großen Auftraggeber für KSC in Hagenwerder. Dessen Bedeutung war schon mal noch größer. Vor zehn Jahren hatte KSC den Bau der Kondensatoren vom Görlitzer Siemens-Werk übernommen. Doch vor einigen Jahren konnten die Hagenwerderer nicht mehr mit den Weltpreisen konkurrieren. Seitdem liefert KSC vor allem Turbinenrahmen für Siemens. Ursprünglich hatte KSC vor, jetzt eine neue Halle im Süden von Görlitz zu errichten. Es wäre nach 2004 und 2009 die dritte. Doch angesichts der Unsicherheiten bei zwei seiner Auftraggeber hat Stein das Projekt erst mal auf Eis gelegt, wenn er auch immer noch davon ausgeht, dass er die Halle irgendwann bauen wird. „Aber wir wollten der Politik auch das Signal geben, dass es wirklich ernst ist“, sagt er. Solidarität zeigt KSC auch an diesem Freitag: Eine „attraktive Abordnung“ in KSC-Jacken und mit Transparenten wird sich einreihen, wenn die große Demo für den Erhalt des Industriestandortes Görlitz durch die Innenstadt zieht.

Das Görlitzer Siemens-Werk ist spätestens ab 2023 von der Schließung bedroht, wenn der Siemens-Konzern bei seinen Plänen für die Neuordnung der Kraftwerkssparte bleibt. Zwar hat Siemens-Chef Joe Kaeser zuletzt Verhandlungen über die Zukunft des Görlitzer Standortes angeboten, in manchen Zeitungen wird über einen Industriepark mit Siemens-Beteiligung spekuliert. Andere glauben, Siemens würde andere Arbeiten nach Görlitz verlegen. Doch beginnen Sondierungen und Gespräche zwischen Konzernspitze und Arbeitnehmervertretung erst Ende Januar. Alles, was derzeit von der einen wie der anderen Seite zu hören ist, dient dazu, sich in eine gute Ausgangslage für die Gespräche zu bringen. Mehr nicht, aber auch nicht weniger. So hat der Betriebsrat des ebenso vom Verkauf bedrohten Siemens-Generatorenwerkes Erfurt nach Medienberichten ein Zukunftskonzept für den Thüringer Standort entwickelt, das den Einstieg in den Bereich der Windenergieerzeugung vorsieht. Auch in Görlitz gibt es Strategiesitzungen. Oberbürgermeister Siegfried Deinege erklärte jüngst, dass dabei die Kostenstruktur des Werkes eine Rolle spiele. Er gab sich aber positiv, dass das Görlitzer Werk erhalten bleiben kann. „Veränderungen ja“, sagte der Görlitzer OB. „Aber warum sollen das die Jungs bei Siemens in Görlitz nicht hinbekommen?“ Bombardier und Siemens hätten schon zwei Weltkriege in Görlitz überstanden, auch den Sozialismus. „Warum sollen sie nicht auch die soziale Marktwirtschaft überstehen?“

Auch KSC-Geschäftsführer Michael Stein erwartet von Siemens, dass es zu seiner Verantwortung steht. Bei einem Überschuss von 6,2 Milliarden Euro sollte das seiner Ansicht nach möglich sein. So müsse Siemens seinen Beitrag genauso leisten wie die Politik, der er wegen einer überstürzten und unüberlegten Energiewende eine Mitverantwortung für den Druck auf die gesamte Kraftwerkssparte bei Siemens zuweist. „Und für die Veränderungen benötigen wir ausreichend Zeit, damit sich die Region und die Mitarbeiter darauf einstellen können.“ Natürlich hofft Stein, dass Siemens am Standort bleibt, dass der Wirtschaftsstandort Görlitz auch künftig mit dem Namen des Weltkonzerns aus München für sich werben kann. „Dadurch wird Görlitz enorm aufgewertet, über Siemens können wir Märkte erschließen, wo wir allein nie hinkommen würden“, sagt Stein.

Doch zugleich entwickelt KSC zusammen mit der Technischen Universität in Cottbus sowie der Hochschule Zittau/Görlitz neue Produkte. 2016 kündigte das Unternehmen an, im September dieses Jahres ein neuartiges Leichtbau-Gerätecontainersystem vorzustellen. Gleichwohl würde es mit Siemens auch KSC leichter fallen, den Strukturwandel zu meistern.

Die Demo am Freitag beginnt 13 Uhr vor den Werktoren von Bombardier und Siemens. Sie führt dann über den Brautwiesenplatz, die Bahnhofstraße, Berliner Straße und Postplatz zum Obermarkt, wo ab 14 Uhr eine Kundgebung geplant ist.