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Mit Angst ins Wasser

Sommerzeit ist Badezeit. Was aber tun, wenn man gar nicht schwimmen kann? Kurse für Erwachsene im Landkreis Görlitz sind rar.

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© B. Gärtner

Von Susanne Sodan

Die älteste Teilnehmerin in Peter Junghans‘ Kursen ist 80 Jahre alt gewesen. „Und sie hat das geschafft“, sagt er. Junghans gibt gemeinsam mit einer Kollegin regelmäßig Schwimmkurse im Görlitzer Neißebad, ein Angebot der VHS. Aber nicht für Kinder, sondern für Erwachsene. Die Kurse sind klein. „Mitunter hatten wir aber auch schon bis zu zehn Leute“, erzählt Peter Junghans. Zu ihm kommen Menschen, die das Schwimmen nie gelernt haben oder nicht sicher schwimmen können. Eine Gruppe, die immer größer wird, sagt Achim Wiese, Sprecher der Deutschen Lebens-Rettungs-Gesellschaft (DLRG). „Die Schwimmfähigkeit nimmt insgesamt immer weiter ab, bei den Kindern wie bei den Erwachsenen.“

Aber solche Kurse, wie der von der Volkshochschule Görlitz, sind im Landkreis selten. „Früher hatten wir einen Schwimmkurs für Erwachsene“, erzählt Jens Zachmann, Schwimmlehrer und Bewegungstrainer im Trixi-Bad Großschönau. Heute aber nicht mehr. „Die Nachfrage ist einfach zu gering.“ Allgemein seien die Wasserkurse im Trixi sehr beliebt, vor allem die Rücken-Fitness oder auch das Vorschul-Schwimmen. Aber der Anfängerkurs für Erwachsene? „Ich nehme an, viele getrauen sich einfach nicht“, sagt Jens Zachmann. „Wir haben die vorhandenen Kapazitäten für andere Kurse genutzt“, erzählt er. Die Hemmschwelle, im Erwachsenenalter noch schwimmen zu lernen, sei äußerst hoch, bestätigt Achim Wiese von der DLRG. Gar nicht unbedingt wegen körperlicher Voraussetzungen. Schwimmen lernen kann man auch im Erwachsenenalter. „Aber es ist ein riesiger Schritt zu sagen: Ich kann nicht richtig schwimmen, ich lerne das jetzt.“

Noch in den 90er Jahren seien rund 90 Prozent der Erwachsenen deutschlandweit sichere Schwimmer gewesen. Die Zahl ist deutlich gesunken. Laut DLRG sind heute etwa die Hälfte der Gesamtbevölkerung keine sicheren Schwimmer mehr. Sicher schwimmen, das bedeutet ausdauernd schwimmen um im Notfall die Orientierung im Wasser behalten zu können. Warum Menschen nicht sicher – oder überhaupt nicht – schwimmen können, hat unterschiedliche Gründe. Ganz allgemein sieht Wiese einen Punkt in der Entwicklung der Bäderlandschaft. „Ende der 60er Jahre hatte im Grunde fast jede Kommune ein Bad“, erzählt Wiese. Mit der Schließung vieler Frei- und Hallenbäder in den vergangenen Jahrzehnten aber seien auch die Möglichkeiten geschwunden, regelmäßig schwimmen zu gehen. „Dazu kommt die Umwandlung vieler Schwimmbäder in Spaßbäder.“ Die häufig weniger auf Schwimmen ausgelegt seien, sagt Wiese.

Die Möglichkeit, als Erwachsener noch schwimmen zu lernen, gibt es aber: „Wenn jemand zu mir kommt, dann würde ich mir erst mal die Voraussetzungen und den Stand der Kenntnisse ansehen“, sagt Jens Zachmann vom Trixi-Bad. Und dann würde sich sicher ein Weg finden, sagt er. So ist es auch bei der DLRG Zittau. Regelmäßige Kurse werden zwar auch hier nicht angeboten, ebenfalls wegen der geringen Nachfrage. „Es ist ganz wenig, vielleicht eine Nachfrage in fünf Jahren“, erzählt David Kupke von der DLRG Zittau. Aber: Wenn jemand den Schritt tut, „dann werden wir auch eine Möglichkeit finden“, sagt er. Auf Nachfrage also gibt es Anfängerunterricht, auch für Einzelpersonen. „Man braucht ohnehin fast eine 1-zu-1-Betreuung“, sagt David Kupke. Körperlich sei Schwimmenlernen auch im Alter nicht das Problem. „Aber erstens muss man sich zunächst selber eingestehen, dass man nicht richtig schwimmen kann. Zweitens muss man jemanden um Hilfe bitten. Das sind schon zwei Hemmschwellen.“ Eine Herausforderung bei Erwachsenen sei auch die Wassergewöhnung. „Ein Kind denkt über Gefahren und Angst weniger nach. Ein Erwachsener weiß, was im Wasser passieren kann.“ Kupke schätzt, rund 40 Prozent der Erwachsenen können nicht sicher schwimmen.

Schämen sollte man sich auf keinen Fall, sagt Peter Junghans in Görlitz. Wenn jemand nicht schwimmen kann, dann habe das auch seine Gründe, weiß er aus Erfahrung. Manche haben es nie gelernt. Anderen wurde das Schwimmen vielleicht beigebracht – aber mit einer falschen Technik. „Wenn das Schwimmen zu anstrengend ist, man wegen der falsch angewandter Technik zu viel Kraft braucht, dann macht es auch keinen Spaß.“ Schwimmen kann man nicht verlernen? Doch, durchaus, sagt Peter Junghans. Viele kommen auch deshalb zu ihm, weil sie negative Erfahrungen mit dem Wasser gemacht haben. Zum Beispiel bei Schwimmunfällen oder bei Scherzen – wie Untertauchen –, die für die Betroffenen keine Scherze waren. Bei Peter Junghans geht es ganz von vorne los, für alle Teilnehmer. Das Ziel: „Die Leute sollen am Ende sicher, ruhig und ausdauernd schwimmen können“, sagt Junghans. Bereits nach den ersten Übungsstunden merke man, wie die Anspannung bei den Teilnehmern schwindet. „Es ist eine neue Lebensqualität, die mit dem Schwimmen kommt“, sagt er. „Das Schönste ist, wenn die Leute am Ende rausgehen und sagen: Das habe ich geschafft.“ So, wie die 80-Jährige. Junghans‘ nächster VHS-Kurs wird im September beginnen.