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Wirt verblüfft mit Tisch-Regel

Ein Dresdner Ehepaar kehrt in der Elbtalschmiede ein. Zwar sind noch Plätze in der Sonne frei, bedient werden sie hier aber nicht. Das hat einen Grund.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. Mit dem Zug von Dresden nach Nünchritz bei Riesa und dann mit dem Rad zurück. Diese kleine Reiseroute mögen Lothar Hanusch und seine Frau sehr. Schon mehrfach hat das Ehepaar aus der Landeshauptstadt dabei schöne Stunden verbracht – auch weil ein Zwischenstopp in Meißen immer dazugehört. „Wir sind große Meißen-Fans, machen gerne Ausflüge hier her“, sagt Lothar Hanusch.

Der vergangene Montag mache da aber eine Ausnahme, berichtet der 64-Jährige. An diesem Tag kehren die beiden Radfahrer zur Mittagszeit in der idyllisch an der Elbe gelegenen Meißner Gaststätte Elbtalschmiede ein. Die milde Herbstsonne liegt einladend über den meisten der Vierer-Tische, die auf der Terrasse des Restaurants stehen. Ein bisschen Wärme und Spätsommergefühl wollen auch die Hanuschs genießen. „Leider saßen an jedem der Tische schon Leute. Bei einem jungen Paar waren aber noch zwei Plätze frei. Wir haben höflich gefragt, ob wir uns dazusetzen dürfen. Und das wurde auch bejaht“, erinnert sich Lothar Hanusch.

Was dann passiert, beschäftige ihn und seine Frau noch immer. Denn anstatt die Bestellung der Neuankömmlinge aufzunehmen, erklärt der Wirt dem Ehepaar, dass sie an diesem Tisch nicht sitzen bleiben können. Sobald Plätze schon belegt seien, gelte die Regel: Dazusetzen nicht erwünscht. Darauf mache auch ein Schild vor dem Restaurant aufmerksam, erläutert der Gastronom.

Der heißt Matthias Ahlemann und ist gleichzeitig Chef in der Elbtalschmiede. Er erinnert sich: „Leider wollte der männliche Gast das nicht gleich einsehen und wurde aufbrausend. Ich habe ihn aber nicht weggeschickt, sondern einen freien Tisch angeboten und ihm die Regel kurz erklärt“, so Ahlemann weiter. Da die noch freien Plätze sich aber im Schatten beziehungsweise im Inneren des Restaurants befanden, lehnte Hanusch empört ab und zog mit seiner Frau lieber hungrig weiter. Im Nachhinein bezeichnet er die Regel als Bevormundung für jeden Gast. So etwas habe er bisher noch nicht erlebt. „Davon abgesehen ist das doch für die Gaststätte geschäftsschädigend und einfach nur unsinnig“, sagt der Dresdner. Man stelle sich vor, jedes Ausflugsrestaurant verfahre so. „Dann gibt es ja überhaupt keine Geselligkeit mehr. Gerade unter Radfahrern will man doch gerne mal miteinander sprechen.“ Für ihn sei das Vorgehen unverständlich, zumal die bereits Sitzenden ausdrücklich einverstanden gewesen seien.

Matthias Ahlemann verteidigt sich, sagt, er habe überwiegend positive Reaktionen von Gästen erhalten. Natürlich würden die meisten fremden Ausflüglern Plätze am eigenen Tisch nicht verwehren. Nach seiner Erfahrung geschehe das aber meist nur aus Höflichkeit. Viele wollten lieber unter sich bleiben. „Im konkreten Fall handelte es sich außerdem um zwei verliebte junge Leute. Die haben verträumt Händchen gehalten und man hat ihnen deutlich angesehen, dass sie lieber ungestört bleiben wollten“, erzählt Ahlemann. Der 56-Jährige räumt zwar ein: „Ich verzichte natürlich nicht gerne freiwillig auf Umsätze, will niemanden wegschicken.“ Dennoch ist er von seiner Maßnahme überzeugt. Die habe auch damit zu tun, dass seine Elbtalschmiede eben kein Imbiss oder ein Schnellrestaurant sei, wo voll besetzte Tische oder gar Bierbänke dazu gehörten. „Wir sind ein Haus mit anspruchsvoller Küche und stilvollem Ambiente. Wenn ein Gast bei uns 19 Euro für unseren beliebten Ostsee-Dorsch bezahlt, darf er einen gewissen Wohlfühlfaktor erwarten. Dazu gehört auch ein Mindestmaß an Privatsphäre“, sagt der gebürtige Radebeuler.

Ob es in Meißen oder der Umgebung ähnliche Tisch-Regeln gebe, wisse er nicht. „Aber ich habe es bei einem Kollegen in Brandenburg schon gesehen. Der handhabt es genauso und macht damit gute Erfahrungen.“ Außerdem gelte der Grundsatz in der Elbtalschmiede schon seit vergangenem Jahr.

Lothar Hanusch und seine Frau dürfte das kaum trösten. Meißen, erzählt der Dresdner, werden sie trotzdem bald wieder besuchen.