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Lucas gegen Jonas

Zwei Großenhainer spielen in der Handball-Bundesliga – und am Mittwoch in der alten Heimat gegeneinander.

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© dpa

Von Thomas Riemer

Großenhain. Wenn Lucas Krzikalla und Jonas Hönicke zu ihren gefürchteten Würfen ansetzen, sind sie sich verblüffend ähnlich: im Bewegungsablauf, im Kraftaufwand – und im Gesichtsausdruck mit dem Markenzeichen: der ausgestreckten Zunge. „Ich hab das noch gar nicht gemerkt, aber alle sagen es“, sagt Lucas und muss lachen. „Wir haben uns da nicht abgesprochen“. Jonas Hönicke, mit 20 Jahren der jüngere des Großenhainer Handball-Erfolgsduos, hat ebenfalls „keine Ahnung“, woher die Marotte kommt. „Vielleicht hab ich mir das von ,Kritschi‘ abgeguckt. Auf jeden Fall kriege ich deswegen immer mal ein paar Sprüche im Team“, sagt er.

Jonas Hönicke gehört seit einem Jahr zu Zweitligist Dessau/Rosslauer HV.Das Event am Mittwoch
Jonas Hönicke gehört seit einem Jahr zu Zweitligist Dessau/Rosslauer HV.Das Event am Mittwoch © Koenig/Eibner-Pressefoto

Sich gegenseitig die Zunge rausstrecken werden die Beiden am kommenden Mittwoch garantiert nicht. „Beim Spiel wird die Freundschaft zwar mal kurz beiseitegelegt“, sagt Lucas Krzikalla. Er kommt mit dem Erstligisten SC DHfK Leipzig nach Großenhain, trifft im Testspiel auf Zweitligist Dessau-Rosslauer HV mit Lucas Hönicke. Doch davor und danach überwiegt die Freude über ein großes Familientreffen. Eltern und Geschwister werden in der Halle sein, aber auch viele Freunde vom Handballclub Großenhain, bei dem Lucas und Jonas ihre ersten Tore geworfen haben.

Einer wird leider fehlen, obwohl er sonst so etwas wie Stammgast beim Großenhainer Handball ist: Eberhard Rohm. „Ich bin mit meiner Enkelin zu einer Flusskreuzfahrt unterwegs“, sagt der 76-Jährige. Was nur wenige wissen: Rohm war zwischen 1960 und 1964 der erste Großenhainer, der den Sprung in die damalige DDR-Oberliga mit Lok Leipzig, später dem SC Leipzig, schaffte. „Wir haben damals noch auf dem Feld gespielt, nur im Winter in der Halle“, erzählt der Senior.

Das Event am Mittwoch

Das Spiel: Der SC DHfK Leipzig (1. Bundesliga) tritt gegen den Dessau/Rosslauer HV (2. Bundesliga) an.

Der Anlass: Beide Mannschaften befinden sich in der Vorbereitung auf die neue Saison und sehen die Begegnung als wichtigen Test an.

Der Spielort: Die Großenhainer Rödertalhalle fasst rund 500 Zuschauer. Sie war bereits Schauplatz mehrerer Bundesliga-Auftritte von Nachwuchsteams des SC DHfK.

Der Kartenvorverkauf: Tickets gibt es bei Sport-Schmidt in Großenhain, Meißen und Elsterwerda.

Der Termin: Die Begegnung findet am 26. Juli statt. Anwurf ist 19 Uhr, Einlass ab 18 Uhr.

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Der SCL habe seinerzeit in erbitterter Konkurrenz mit dem SC DHfK gestanden – und war letztlich zunächst der „Kleinere“. Während die DHfK in Leipzig eine eigene Halle zum Training hatte, „mussten wir zum Beispiel nach Wurzen ausweichen“, so Rohm. Er hat mit Pit Kretschmar auf dem Parkett gestanden, bei der DHfK stand damals der 2014 verstorbene Paul Tiedemann aus Radeburg, der spätere Auswahltrainer, im Aufgebot.

Eberhard Rohm schaffte es bis in den Auswahlkader, „aber ich durfte nicht mit ins Ausland, höchstens mal nach Vilnius“, erinnert er sich schmunzelnd. Der Grund: Westbeziehungen seiner Familie. „Aber das hat man mir nicht gesagt.“ Als er nach Abschluss seines Ingenieurstudiums 1964 zur Armee sollte, war die Leistungssport-Karriere faktisch beendet. „Ich bin dann zurück nach Großenhain, habe dort mit 50 noch in der Bezirksklasse mitgespielt“, so Rohm. Missen möchte er die Zeit nicht. „Praktisch hat mir der Leistungssport viel gegeben.“

Die Entwicklung beim HCG, aber auch der Jungs in den Spitzenvereinen wie Lucas Krzikalla und Jonas Hönicke, verfolgt er natürlich intensiv. Beide werden am Mittwoch „mit schweren Beinen“ spielen. Jonas ist mit seinen Dessau-Rosslauern noch im Trainingslager in Tschechien. „Wir machen hier fast alles ohne Ball, trainieren vor allem Athletik und Kraft“, sagt er. Lucas geht es kaum anders beim DHfK-Trainingscamp in Köln. Erst weit nach 22 Uhr ist am Donnerstag beispielsweise endlich Zeit zum Regenerieren und Telefonieren gewesen. Gänzlich zufrieden ist der 23-Jährige noch nicht. 14 Monate war er verletzt, „ich habe noch einige Baustellen“.

Auf das Aufeinandertreffen in der alten Heimat freut sich das Duo diebisch. „Es wird sicher ein ganz gutes Spiel, die Halle wird bestimmt voll sein“, glaubt Lucas Krzikalla. „So was kommt nicht alle Tage.“ Auch Jonas Hönicke fiebert dem Event entgegen. „Es ist für uns beide was Besonderes, in Großenhain zu spielen“, sagt er. Zumal die Besuche in der Heimatstadt selten geworden sind. Jonas wohnt in Leipzig, pendelt zum Training fast täglich nach Dessau-Rosslau. Die Bundesliga verlangt alles ab. Selbst am 26. Dezember wird gespielt, „da kommt man höchstens mal am Heiligabend kurz nach Hause, um unterm Weihnachtsbaum zu feiern.“

Zu Christian Prokop, dem früheren DHfK-Trainer und jetzigem Bundes-Coach, haben sowohl Hönicke als auch Krzikalla natürlich eine ganz besondere Beziehung. Schwingt da auch der Wunsch mit, eines Tages in der deutschen Nationalmannschaft zu spielen? Lucas Krzikalla hat daran zurzeit keinen Gedanken, will erst einmal nach seiner Verletzung wieder ordentlich in der 1. Liga Fuß fassen. Für Jonas Hönicke wäre die Nationalmannschaft natürlich „das ganz große Ziel“.

Aber bis dahin sei es ein langer Weg. In Dessau-Rosslau hat er gerade für ein Jahr verlängert, will in Leipzig einen guten Schulabschluss hinlegen. Was danach kommt? „Großenhain ist immer noch mein Zuhause“, sagt er. Und wohin auch immer seine Handball-Karriere ihn führt, mehr als zwei oder zweieinhalb Stunden von Großenhain entfernt sollte es nicht sein.