Von Ingolf Reinsch und Theresa Hellwig
Bischofswerda. Mit ihrem Nähkästchen hat Madlen Schwarz den Nerv nicht nur vieler Bischofswerdaer, sondern auch den von auswärtigen Kunden getroffen. Das Geschäft an der Bautzener Straße, das sie im vergangenen Herbst eröffnete, findet Zuspruch. Das Angebot ist gediegen, das Konzept auf Kundenwünsche zugeschnitten und in sich stimmig. Die Uhysterin, Mutter von fünf Kindern, verkauft Selbstgeschneidertes, vor allem Kindersachen. Auf Bestellung näht sie aber auch für Erwachsene. Sie richtet Nähkurse und Workshops aus, verkauft Stoffe und Kurzwaren und bietet einen Service rund um elektrische Nähmaschinen an, die man bei ihr auch ausleihen kann. Unter Bischofswerdas Innenstadthändlern gehört die 38-Jährige zu den Dienstjüngsten. Was tut sich noch zurzeit und in naher Zukunft im hiesigen Handel?
Das sagen Bischofswerdaer Händler
Gewinne: Drei Neueröffnungen und eine Geschäftsübernahme
Der Innenstadthandel ist in Bewegung. Es gibt mehrere Beispiele, die Mut machen. Die Uhyster Friseurmeisterin Kerstin Enderlein übernahm zu Jahresbeginn den Salon Heine an der Hans-Volkmann-Straße und führt ihn nach einer Modernisierung unter dem Namen Friseur & Kosmetik „Am Markt“ weiter. In ihrer unmittelbaren Nachbarschaft plant ein in Bischofswerda bereits tätiger Unternehmer die Eröffnung eines neues Geschäftes. Bereits im März möchte Künstlerin Anja Herzog im ehemaligen Kreativum an der Kamenzer Straße ihre Auftragsmalerei eröffnen. Sie folgt damit einem Trend, den man auch in anderen Städten beobachten kann: Kreative bereichern mit ihren Angeboten die Innenstädte. Dass sich so etwas auch in Bischofswerda tragen kann, beweist Maranke Thunig. Im April 2016 eröffnete sie an der Bahnhofstraße ihre Keramikwerkstatt. Von der Resonanz sei sie „sehr positiv überrascht“, sagt die Kunsthandwerkerin. Der Zuspruch zeige ihr, dass das Interesse an schönen, individuellen und von Hand gefertigten Dingen vorhanden ist, sagt Maranke Thunig.
Auch für das Ladenlokal des Ende 2014 geschlossenen Partyservice an der Bautzener Straße fand sich ein neuer Nutzer: Ein Unternehmer stellt dort Käse her, verkauft ihn aber (noch) nicht vor Ort. Er arbeitet bereits in der Stadt.
Verluste: Geschäftsschließungen aus Altersgründen
Das gut sortierte Fachgeschäft für Handarbeiten, Kurzwaren und Bastlerbedarf an der Bahnhofstraße wird Bischofswerda demnächst verlieren. Inhaberin Gudrun Israel, die beruflich kürzer treten und deshalb das Geschäft abgeben möchte, suchte fast zwei Jahre lang nach einem Nachfolger – leider ohne Erfolg. Es gab mehrere Interessenten. Doch in den meisten Fällen scheiterte eine Übernahme an der Finanzierung. Dabei ließ die Geschäftsfrau nichts unversucht, einen Nachfolger zu finden. Sie sprach bei der Industrie- und Handelskammer vor, prüfte zusammen mit dem städtischen Wirtschaftsförderer Möglichkeiten eines staatlichen Zuschusses für einen Nachfolger. Alles vergeblich. Jetzt läuft der Räumungsverkauf.
Weitere eingesessene Geschäftsinhaber könnten noch in diesem oder im nächsten Jahr ihren Laden aus Altersgründen aufgeben. Einige von ihnen stehen noch täglich im Geschäft, obwohl sie schon im verdienten Ruhestand sein könnten.
Herausforderung: Innenstadt braucht Läden mit Anspruch – und Menschen
Internethandel und Einkaufszentren, wie der Elbepark oder die Altmarkt-Galerie in Dresden, graben vielen kleinen Geschäften das Wasser ab. Dieser Trend wird sich in Zukunft noch verstärken, sind sich Handelsexperten einig. Inhabergeführte Geschäfte in Kleinstädten wie Bischofswerda haben auf Dauer nur eine Chance, wenn sie Besonderes bieten: hohe Qualität der Erzeugnisse, sehr gute Beratung, 1 A-Kundendienst und – siehe Beispiel Nähkästchen – ein Angebot, das sich vom Umfeld abhebt, indem es auch auf Individuelles setzt. Alles das hat seinen Preis. Doch die Erfahrungen von erfolgreichen Geschäftsleuten in der Stadt zeigt auch: Bischofswerda braucht keine Billigheimer, sondern Geschäfte mit Anspruch, die für Einwohner und Kunden von außerhalb gleichermaßen interessant und attraktiv sind.
Nicht für jedes der rund 40 leerstehenden Geschäfte wird sich ein neuer Händler oder Dienstleister finden. Überlegungen von Stadtverwaltung und Wirtschaftsförderverein gehen deshalb auch in die Richtung, leere Läden fürs Wohnen umzubauen und sie mit Kultur zu beleben. So mietete der Wirtschaftsförderverein das ehemalige Modegeschäft am Kirchplatz an und nutzt es, um für die heimische Wirtschaft zu werben, „Ideen sind gefragt“, sagte Ulrich Käppler, Mitglied des Wirtschaftsfördervereins, kürzlich in einem SZ-Gespräch. Buchlesungen, Musik oder auch darstellende und bildende Kunst können das Erlebnis Einkaufen bereichern.
Die Innenstadt braucht jedoch nicht nur Kunden, sondern vor allem Menschen, die darin leben und sich wohlfühlen. Die Stadtratsfraktion von Bürger für Bischofswerda (BfB) denkt schon seit Jahren darüber nach. Mit Blick auf den Kinderbonus, den die Stadt bei der Vermarktung des Eigenheimstandortes am Paul-Kegel-Weg gewährte, fordert BfB ähnliche Förderungen für Familien, die ein Haus in der Innenstadt kaufen und sanieren. Auch der Vorschlag, leerstehende Innenstadtgebäude und -geschäfte in eine städtische Datenbank aufzunehmen, um Verkäufer und potenzielle Käufer zusammenzuführen, wurden bereits vor Jahren von BfB unterbreitet.