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Leuchtende Ideen am laufenden Band

Das Textilunternehmen F. J. Rammer in Ohorn geht neue Wege mit Glas- und Steinfasern. Darauf wartet die Industrie.

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Von Tilo Berger

Ohorn. Auf Bänder aus Ohorn in der Oberlausitz vertrauen viele. Zum Beispiel Autofahrer, wenn sie ihre Außenspiegel einstellen. Feuerwehrleute, wenn sie sich eine Sauerstoffflasche auf den Rücken schnallen. Bauarbeiter, wenn sie ihre Schuhe schnüren. Sicherheitsbedienstete, wenn sie Absperrungen auf Flughäfen ziehen. Kaum eine Branche kommt ohne Produkte der Bandfabrik F. J. Rammer in Ohorn aus.

Das Unternehmen steigt jetzt in die Produktion leuchtender Bänder ein.
Das Unternehmen steigt jetzt in die Produktion leuchtender Bänder ein. © dpa

Jetzt betritt das Traditionsunternehmen ein neues Geschäftsfeld. Die Oberlausitzer wollen künftig auch Bänder weben, die Licht bis zu fünf Stunden speichern und wiedergeben können. Auf solche Textilien warten unter anderem die Auto- und Luftfahrtindustrie sowie die Medizintechnik. „Die ersten Versuche dazu gab es bei uns schon“, berichtet Christian Schwarze. Der 44-Jährige führt das Ohorner Unternehmen gemeinsam mit seiner Schwester Annekathrin Schwarze und Cousine Franziska Hennersdorf seit zehn Jahren in der nunmehr sechsten Generation.

Gegründet hat die Bandweberei im Jahre 1815 Friedrich Josef Rammer in einem Umgebindehaus, neben dem heutigen Firmensitz. 1972 wurde der Betrieb verstaatlicht und Teil des VEB Bandtex Pulsnitz. 1990 leiteten die Eltern der heutigen Geschäftsführer unverzüglich die Reprivatisierung des Familienbetriebes in die Wege.

Kundenwünsche werden spezieller

Heute beschäftigt die F. J. Rammer GmbH in Ohorn und in einer Werkhalle in Großröhrsdorf insgesamt 55 Mitarbeiter, davon drei Lehrlinge. „Unsere Stärke ist, dass wir auch kleine Aufträge erledigen. Die Wünsche unserer Kunden werden immer spezieller“, erklärt Geschäftsführerin Annekathrin Schwarze. Bundesforschungsministerin Johanna Wanka (CDU) ist skeptisch: „Und das rechnet sich?“ „Ja“, antwortet die Chefin, „eben weil wir uns nicht auf Massenproduktion wie in Asien einlassen.“

Die Ministerin ist nach Ohorn gekommen, um sich nach der Verwendung von Fördermitteln zu erkundigen. Bis 2019 fließt Geld aus dem Programm „Innovative Regionale Wachstumskerne“ in ein Netzwerk, dem neben der Firma Rammer 17 weitere Textilunternehmen sowie drei Forschungsinstitute in Sachsen und Thüringen angehören. Sie tüfteln zusammen an „maßgeschneiderten optischen Fasern“. Eine Firma allein wäre damit überfordert, die meist mittelständischen Betriebe können sich keine eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilung leisten.

Schaltstelle zwischen allen Beteiligten ist die Gesellschaft für intelligente textile Produkte (ITP) mit Sitz in Weimar. Deren Geschäftsführer Klaus Richter erklärt, wie so eine optische Faser beschaffen sein kann: aus hauchdünnem, elastischem Glas. Wissenschaftler in Jena arbeiten gerade daran, dieses Glas zu entwickeln. „Bisher wurden Fasern aus Quarzglas verwendet, zum Beispiel für Hitzeschutzbänder oder Heizaggregate“, sagt Richter. „Diese Fasern sind aber sehr empfindlich und deshalb schlecht zu verarbeiten.“ Die Jenaer Erfindung dagegen soll geschmeidig über die Rammer-Webmaschinen laufen. Andere Fasern aus dünn gespaltetem Gestein wiederum können so in Bänder eingewebt werden, dass diese sich nicht biegen.

Technische Textilien legen zu

Solche speziellen Produkte seien genau der richtige Weg, um auf dem Weltmarkt mitzureden, findet Peter Werkstätter. Er führt die Geschäfte des Verbandes der Nord-Ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie. „Über den Preis ist der Wettbewerb mit Asien nicht zu gewinnen, aber über Spezialprodukte.“ Es komme darauf an, Textilien mit neuen, zusätzlichen Funktionen auszurüsten oder ihnen ganz neue Einsatzmöglichkeiten zu schaffen. Zum Beispiel in der Medizintechnik: „Ekzeme auf der Haut kann man heute nur punktuell mit einem Laser in einem sehr langwierigen Prozess behandeln“, erklärt Projektleiter Klaus Richter. „Mit einem Band könnte man einen viel größeren Bereich behandeln und die Therapie verkürzen.“

Mit sogenannten technischen Textilien erwirtschaftet die Branche mittlerweile 50 Prozent ihres Umsatzes. „Tendenz steigend“, erklärt Verbands-Chef Werkstätter. Seinen Angaben zufolge arbeiten in der ostdeutschen Textil- und Bekleidungsindustrie derzeit rund 16 000 Menschen.