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Leitung ziehen über die Elbe

Am Radebeuler Ufer sorgen Monteure in der Höhe dafür, dass Ende der Woche wieder Strom fließen kann.

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© Lutz Weidler

Von Peter Redlich

Radebeul. Kein Vergnügen, an diesem Vormittag 39 Meter hoch über dem Elbufer im Stahlmast zu hängen. Der Wind pfeift, der Regen peitscht körnige Tropfen ins Gesicht. Doch es muss sein für die Monteure der Radebeuler Firma LTB Leitungsbau. Sie wollen die neuen Stromleitungen für die Masten nahe der neuen Elbbrücke jetzt einziehen.

Der alte Betonfuß eines abgerissenen Mastes wird weggepickert.
Der alte Betonfuß eines abgerissenen Mastes wird weggepickert. © Norbert Millauer
An den Seilen werden sogenannte Vogelzugfahnen eingehängt. Sie schützen Zugvögel im Elbtal.
An den Seilen werden sogenannte Vogelzugfahnen eingehängt. Sie schützen Zugvögel im Elbtal. © Norbert Millauer
2,5 Zentimeter ist das Stromseil für die 110-Kilovolt-Leitung stark.
2,5 Zentimeter ist das Stromseil für die 110-Kilovolt-Leitung stark. © Norbert Millauer

Ende dieser Woche, da sind sich Carsten Protze, Gruppenleiter für die 110-Kilovolt-Leitungen vom Stromversorger Enso Netz und Tim Klahre von LTB einig, soll wieder Strom durch die Leitungen fließen. Der kommt von weit her, vom Kraftwerk in Hirschfelde. Seit 2011 werden Masten und Leitungen ersetzt. Protze nennt die 110-Kilometer-Strecke von Hirschfelde bis hierher. Von denen sind bisher 88 Kilometer mit neuen Masten und Seilen für den 110-kV-Stromtransport versehen. Zwölf Kilometer Stromstrecke sind gerade im Bau.

In den letzten Wochen seit Oktober haben die Männer von Bauleiter Peter Grottke die neuen Masten aufgestellt. Erst Löcher in die Tiefe gegraben, dann stahlbewehrten Beton in Metallröhren gegossen, die die vier Füße für die Masten bilden. Und zuletzt die Masten Stück für Stück nach oben montiert. Sieben Masten standen vorher hier. Jetzt werden nur noch fünf gebraucht. Einer ist in einem privaten Garten an der Radebeuler Uferstraße abgebaut worden. Die Familie, die hier ihre Wochenenden verbringt, hat jetzt mehr Freiheit auf ihrer Wiese.

Oben auf jedem Mast stehen zwei Monteure, gut gesichert mit Gurten. Noch ist der Sturm mit angekündigten Spitzen bis über 100 km/h nicht im Elbtal angekommen. „Ab 50 bis 60 km/h schicke ich keinen Monteur mehr nach oben. Einfach zu gefährlich“, sagt Bauleiter Grottke. Es gäbe Situationen, etwa bei Leitungsrissen und vielen betroffenen Stromabnehmern, wo auch in Ausnahmesituationen jemand selbst mit Eis am Mast mal rauf muss, so Rolf Schletter von Enso Netz. Aber dann nur erfahrene Leute mit doppelter Sicherung und nicht an schwingenden Seilen. Aber das sei die absolute Ausnahme.

Es ist kurz nach 10 Uhr. Seit acht sind die Männer in der Höhe. Sie haben sogenannte Fahnen mit nach oben getragen. Aktentaschen große aufgehängte schwarze und weiße Plastikstäbchen an einer Metallschiene. Aller 20 Meter Seil hängen sie diese Fahnen ein. „Hier ist Vogelzuggebiet“, sagt Enso-Ingenieur Protze. Diese Kennzeichnung verlangt die Umweltbehörde. Vögel können Drähte erst ab zwei Zentimeter Stärke gut erkennen. Die stromführenden Leitungen sind mit zweieinhalb Zentimetern zwar gerade im Maß. Aber darüber sind etwas dünnere Kabel gespannt – 1,5 Zentimeter Durchmesser. Sie sollen oberhalb der Stromträger Blitze abfangen. Und eben nicht die Vögel gefährden.

Es geht gut voran bei den Männern in der Masthöhe. Hinter den Gartengrundstücken auf Radebeuler Uferseite steht eine große Trommel. Davor noch eine Bremse. Am anderen Ende des großen Zuges, auf Niederwarthaer Seite am Umspannwerk, steht die Zugmaschine. Die eine zieht, die andere hält das Seil straff. 1,2 Kilometer Stromkabel müssen neu eingezogen werden. Direkt über die Elbe sind es 290 Meter. Ein Kilo pro Meter Kabel. Über Rollen lässt sich der aus vielen einzelnen Drähten bestehende Gesamtstrang über drei Masten zügig aufziehen.

Ziel der Auftraggeber von Enso Netz und der Mannschaft von LTB Leitungsbau Radebeul ist es, an diesem Arbeitstag die Leitungen auf dem letzten Abschnitt eingehängt zu haben. Nächste Woche müssen noch einige Umbauten an den Anschlüssen erledigt werden. Dann soll Ende der Woche der Strom wieder draufgeschaltet werden. Zwischen Niederwartha und Schmölln werden damit das deutsche und das europäische Netz verbunden. Auch kleinere Umspannwerke wie in Radebeul, Radeburg, Weixdorf, Radeberg und Leppersdorf hängen an dieser Trasse.

Die Mittagszeit ist ran. Auch mit Mützen unter dem Schutzhelm und Handschuhen macht die Arbeit in Wind und Regenschauern keine Freude. Trotzdem, die Männer sind zufrieden und auch ein wenig stolz, als sie wieder den Boden erreicht haben. Ein gehöriges Stück Modernisierung einer großen Stromtrasse findet seinen Abschluss am Radebeuler Elbufer.

Von Mai bis September werden dann nochmals Monteure in die Höhe steigen. Die neuen Masten und ihre jeweils vier Füße werden den ersten Anstrich bekommen. Grau-grün, sagt Carsten Protze, so wie die anderen Masten, die schon an der Elbe stehen. Der Wind pfeift und am Niederwarthaer Ufer wird noch der letzte alte Betonfuß vom Bagger weggepickert.