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Leerstand als Chance

In der Innenstadt schließen mehr Geschäfte als eröffnet werden. Das schafft auch Platz für neue Ideen.

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© Dietmar Thomas

Von Jens Hoyer

Döbeln. Die erzgebirgischen Holzfiguren sind ins Schaufenster der ehemalige Kunststube am Obermarkt zurückgekehrt. Die Firma Holzkunst Kuhnert gibt schon mal einen Vorgeschmack, was die Kunden ab 20. September erwartet. Und gegenüber im ehemaligen Reformhaus hat im vergangenen Monat Hörakustikerin Ira Fritzsche ein Geschäft eröffnet. Zwei Läden in guter Geschäftslage sind damit wiederbelebt. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. „Wir schließen am 30.8.“ steht auf einem Zettel im Schaufenster des Geschäfts „Bella Cosa“ am Obermarkt. Und „Schlussabverkauf“ am Mode- und Dessousladen „Cecilé Köhler“ in der Sattelstraße. Es schließt ebenfalls Ende des Monats. Zu den Gründen wollen sich die Inhaberinnen öffentlich nicht äußern.

Derzeit stehen noch fünf weitere Ladenlokale im östlichen Teil des Obermarktes leer. Die Diakonie hatte vor einigen Monaten ihr Geschäft zugemacht, weil es sich nicht rentierte. Der Trend ist unübersehbar: Derzeit schließen mehr Läden in Döbeln als neue eröffnet werden.

Internet als Konkurrenz

In Döbeln ist das Problem im Vergleich mit anderen Städten noch überschaubar. Aber die Gründe sind aber überall ähnlich, wie Dr. Cindy Krause, Referentin Handel/Dienstleistung bei der IHK in Freiberg sagte. Einer davon: Die digitale Handelswelt ändert das Kaufverhalten der Kunden. „Onlineshops und Online-Marktplätze stehen 24 Stunden an sieben Tagen in der Woche zur Verfügung“, so die Expertin. Im Internet könne man auch Preise vergleichen. Dazu komme der großflächige Einzelhandel auf der „grünen Wiese“. Die Geschäften in der Innenstadt haben weniger Verkaufsfläche und können auch kaum erweitert werden. Und seltener stehen kostenfreie Parkplätze zur Verfügung.

Freie Parkstunde auf der Kippe

In Döbeln sind die Kunden in Sachen Parkplätzen noch in der komfortablen Lage. Eine Stunde parken ist kostenlos. Aber daran würde die Stadtverwaltung gerne rütteln. In der längerfristigen Finanzplanung ist vorgesehen, die erste freie Parkstunde ab dem Jahr 2018 wegfallen zu lassen – das würde etwa 40 000 Euro Mehreinnahmen pro Jahr bringen. Ohne Zustimmung des Stadtrates geht es nicht, es müsste eine Rechtsverordnung geändert werden, sagte Stadtsprecher Thomas Mettcher. „Das wird noch in verschiedenen Gremien diskutiert.“ Die freie Parkstunde war seinerzeit auf Initiative der Freien Wähler eingeführt worden. Fraktionschef Rocco Werner (FDP) gibt den Plänen der Stadt eine klare Absage. „Wir sind für den Erhalt der freien Parkstunde. Jeder Großmarkt und jedes Einkaufszentrum hat freie Parkplätze. Die Döbelner Innenstadt ist auch nicht anderes als eine Art Einkaufszentrum.“

Auch Cindy Krause von der IHK warnt davor, die freie Parkstunde wegfallen zu lassen. „Das wäre kein gutes Zeichen für die Belebung der Innenstadt. Die treuen Besucher werden damit vor den Kopf gestoßen“, sagte sie. Schwarzmalen will sie aber nicht für Döbeln. „Die Stadt ist bekannt als Einkaufsstadt und für ihr Flair.“ Die Hochwasser haben viel Schaden angerichtet, aber auch viel gebracht. „Die Stadt ist sehr chic wieder aufgebaut worden.“

Optimistische Einschätzung

Mit ihrem Optimismus ist sie auf einer Wellenlänge mit Nicolas Sihombing. Der gebürtige Indonesier hatte vor zwei Jahren am Obermarkt die Firma Kaffee Batavia gegründet. Er importiert hochwertigen Kaffee aus seiner Heimat, röstet und verkauft ihn übers Internet. Sihombing steht auch für die Händlerinitiative „Döbeln.jetzt“, die ein Stadtmagazin herausgibt, Veranstaltungen organisiert und auch sonst für die Döbeln trommelt. „Es ist schade, dass die Situation gerade so ist. Als Unternehmer sehe ich darin aber auch reelle Chancen, dass kreative Köpfe nach Döbeln kommen“, so Sihombing. Und er begründet seine Ansicht: „Die Metropolen sind übersättigt und es gibt eine deutliche Differenz bei den Mietpreisen dort und hier.“

„Döbeln.jetzt“ sende „starke Impulse“ an potenzielle Unternehmensgründer, die ihre Geschäftsideen realisieren wollen, so Sihombing. Dabei nutzt die Initiative gerade die modernen Medien, die dem Handel zu schaffen machen. Bei der neusten Aktion werden über den Fotodienst Instagram leerstehende Geschäfte in der Stadt beworben. Und das immer in Verbindung mit Menschen. „Wir wollen einen Überblick zeigen, was es hier für Läden und für Leute gibt. Mutige Existenzgründer dürfen auf unsere Hilfe rechnen“, so Sihombing. Er ruft die Händler auf, sich mit modernen Vertriebsformen zu beschäftigen. „Hier gibt es gestandene Geschäfte, die sind online nicht verfügbar“, sagt er. Sihombing wünscht sich aber auch mehr Flexibilität von den Vermietern der Ladenlokale, die Räume an die Wünsche der potenzielle Mieter anzupassen. „Manche wollen den leichten Weg gehen und warten lieber, bis der richtige Mieter auftaucht.“

Sehr viel Verkaufsfläche

Ein Problem, mit dem die Innenstadt zu kämpfen hat, ist sehr döbelnspezifisch. Es gibt deutlich mehr Geschäfte als in Städten ähnlicher Größe. Im Jahr 2015 wurde in Döbeln auf rund 63 700 Quadratmeter Fläche verkauft. Davon entfielen 25 310 Quadratmeter auf innenstadtrelevante Sortimente wie Bekleidung, Schuhe, Spielwaren und Geschenkartikel. Auf jeden Einwohner kommen somit mehr als 2,9 Quadratmeter Verkauffläche. Damit überflügelt Döbeln locker die Kreisstadt Freiberg, wo rund 2,3 Quadratmeter Verkaufsfläche pro Einwohner zur Verfügung stehen.

Die Stadt hat sich vor einigen Jahren mit dem Einzelhandelskonzept ein Instrument geschaffen, den Bau weiterer Märkte zu verhindern – außer in Döbeln Nord, wo dafür Bedarf festgestellt wurde. Nur im Bereich der Innenstadt können alle Sortimente angeboten werden. In den Außenbereichen wird das zulässige Sortiment dagegen deutlich eingeschränkt.