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Lebenslang für beide Mörder

Im Prozess um den gewaltsamen Tod des Nieskyers Philipp W. ist das Urteil gefallen. Es behandelt die Angeklagten nicht gleich.

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© Danilo Dittrich

Von Frank Thümmler

Als am Mittwochnachmittag, 13.10 Uhr, Richter Theo Dahm das Urteil gegen Anne-Kathrin Hartmann und Stephan Kuhring verkündete, ging ein Raunen der Erleichterung durch die Reihen der Zuschauer. Die Eltern des Opfers, die beide als Nebenkläger anwesend waren, konnten ein paar Tränen nicht unterdrücken, während die beiden Angeklagten den Urteilsspruch äußerlich ungerührt hinnahmen: Das Landgericht Görlitz hat die beiden Angeklagten schuldig gesprochen, den 24-jährigen Nieskyer Philipp W. Anfang Februar dieses Jahres gemeinschaftlich ermordet zu haben, und beide zu einer lebenslänglichen Freiheitsstrafe verurteilt. Für die Angeklagte Hartmann stellte das Gericht als „treibende Kraft der Tat“ zudem die besondere Schwere der Schuld fest.

Stephan Kuhring nahm das Urteil an und verzichtete auf die Einlegung von Rechtsmitteln, wie bezüglich seiner Verurteilung auch Oberstaatsanwalt Sebastian Matthieu. Damit ist dieses Urteil bereits rechtskräftig. Für Anne-Kathrin Hartmann liegt der Fall anders. Sie hatte während des Prozesses dargestellt, an der eigentlichen Tötung des Opfers nicht teilgenommen zu haben und von ihr überrascht worden zu sein. Ihr Verteidiger André Kanzog forderte in seinem Plädoyer, seine Mandantin mit maximal fünf Jahren Freiheitsentzug zu bestrafen. Gestern im Gerichtssaal wollte sich Kanzog zwar noch nicht äußern, ob seine Mandantin Revision einlegen wird, wegen der großen Diskrepanz zwischen Strafforderung und Urteil ist das aber sehr wahrscheinlich. Eine Woche Zeit hat Anne-Kathrin Hartmann für diese Entscheidung.

Der Forderung des Oberstaatsanwaltes gefolgt

Konkret bedeutet die Verurteilung, dass Stephan Kuhring mindestens 15 Jahre im Gefängnis verbringen muss. Erst nach Ablauf dieser Zeit – Untersuchungshaft eingerechnet ist das der 13. Februar 2032 – kann der Rest der lebenslangen Strafe zur Bewährung ausgesetzt werden. Sollte die Verurteilung für Anne-Kathrin Hartmann rechtskräftig werden, muss sie wegen der Feststellung der besonderen Schwere der Schuld mindestens zwei Jahre länger im Gefängnis bleiben. Nach 15 Jahren entscheidet eine Strafvollstreckungskammer, wie viel Strafe noch verbüßt werden muss. Mit dem Urteil ist das Landgericht den Forderungen von Oberstaatsanwalt Sebastian Matthieu in vollem Umfang gefolgt, während es der Argumentation des Hartmann-Verteidigers André Kanzog offensichtlich nichts abgewinnen konnte. Anders als der Verteidiger ist das Gericht davon überzeugt, dass es sich um einen gemeinschaftlichen Tatplan mit langer Vorgeschichte handelte, der gemeinschaftlich ausgeführt wurde und dem Philipp W. zum Opfer fiel.

Richter Theo Dahm beschrieb in seiner Urteilsbegründung die lange Vorgeschichte der Angeklagten mit immer wieder wechselnden Männerbekanntschaften, die sich am Ende von ihr ausgenutzt fühlten, denen sie Lügen auftischte, um ihre Hilfsbereitschaft zu erwecken, und von der Überforderung mit der Betreuung ihres Sohnes. Dies alles, dazu das zweimalige Erwischtwerden bei Autofahrten mit Drogen sowie Drohungen gegen den Kindsvater, der sich um das Kind liebevoll kümmert, führten dazu, dass ihm Anfang Dezember das alleinige Sorgerecht zugesprochen wurde. Nach weiteren Drohungen gab es später sogar eine Kontaktsperre für sie. Da entstand der Plan, des Kindes mittels Entführung habhaft zu werden. Ein Opfer musste her, um Geld und Auto zu besorgen. Philipp W., der laut dem Richter auch an Anne-Katrin Hartmann interessiert war, wurde als Opfer ausgemacht. Dass es einen Tatplan gab, machte der Richter vor allem an verräterischen Handynachrichten zwischen den Angeklagten und einem Liebesbrief von ihm an sie fest. Außerdem suchte die Angeklagte im Internet nach Möglichkeiten, das Opfer auch mit Gift zu töten.

Für das Gericht gibt es keine Zweifel, dass spätestens, als Philipp W. die Görlitzer Wohnung betrat, klar war, dass er sterben musste. Der Plan wurde in die Tat umgesetzt, dem in diesem Moment nicht um sein Leben fürchtenden Nieskyer erst EC-Karte und Pin entlockt. Später wurde ihm, so der Richter, eine Plastiktüte über den Kopf gezogen, mit einem Topf mehrfach auf den Kopf geschlagen und schließlich dem bewusstlosen Mann der Kopf so verklebt, dass er erstickte. „Irgendwelche Vorkehrungen, ihn bis zur Entführung des Kindes festzuhalten, aber am Leben zu lassen, gab es nicht“, stellte Dahm fest. Zur Entführung kam es nicht mehr. Die Verhaftung kam dem zuvor.