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Lebensgefahr im Wald

Sachsenforst und Landratsamt warnen vor dem Betreten. Orkan „Friederike“ hat Tausende Festmeter Holz zerstört.

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© Dietmar Thomas

Von Tina Soltysiak

Mittelsachsen. Wie Streichhölzer hat Orkantief „Friederike“ die Bäume in der Region Döbeln umgeknickt. Nach und nach wird das ganze Ausmaß der Schäden sichtbar. „Als erste vorsichtige Schätzung reden wir von mindestens 2 500 Festmetern Schadholz“, sagte Revierförster Dirk Tenzler, zuständig für den Privat- und Körperschaftswald in der Region Döbeln. Das Revier erstreckt sich auf einer Fläche von etwa 2 700 Hektar. „Besonders betroffen sind erneut die Gebiete in Waldheim und Hartha sowie in Roßwein und Umgebung, in denen 2017 im Sommer bereits der Borkenkäfer und Ende Oktober Sturm Herwart gewütet haben“, sagte Dirk Tenzler. Infolge dieser beiden Ereignisse mussten bereits zahlreiche Bäume weggeräumt werden. Es sind Lücken entstanden. Die boten „Friederike“ eine größere Angriffsfläche. „Wenn die Front einmal auf ist, kommt es immer wieder zu Schäden“, so Tenzler.

Derzeit sind er, die übrigen Revierförster sowie zahlreiche private Waldbesitzer mit dem Sichten der Schäden beschäftigt. Das sei selbst für erfahrene Forstarbeiter zum Teil sehr gefährlich. Denn es gibt jede Menge Bruchholz. Entwurzelte Bäume oder angebrochene Äste können umstürzen oder herabfallen. Das Sächsische Umweltministerium und das Landratsamt Mittelsachsen warnen derzeit eindringlich vor dem Betreten des Waldes. „Es besteht Lebensgefahr“, so Umweltminister Thomas Schmidt (CDU). Dennoch stoße diese Warnung bei manch einem Spaziergänger auf taube Ohren, so Dirk Tenzler: „Am Wochenende habe ich im Zweiniger Grund Familien mit Kindern rumlaufen sehen. Dafür habe ich absolut kein Verständnis.“


Wie lange es dauern wird, bis die Sicherheit für Spaziergänger wieder hergestellt ist, vermag er aktuell nicht zu sagen. „Das große Problem ist, geeignete Firmen mit freien Kapazitäten zu finden, die die Arbeiten übernehmen“, so Tenzler. Denn dafür sind Spezialmaschinen erforderlich. Die Waldbesitzer sind verpflichtet, die Schäden zu begutachten, zu melden und für die Beräumung von Wurf- und Bruchholz zu sorgen. „Die jeweils zuständigen Revierförster unterstützen dabei. Wir schauen auch, wo sich Waldbesitzer sinnvoll zusammenschließen können, um Firmen fürs Beräumen zu beauftragen“, sagte Dirk Tenzler. Die Zeit dafür drängt. „Bis April ist Zeit, um Fichten, Kiefern und Lärchen aus dem Wald zu bringen, sonst holt sie sich der Borkenkäfer“, so Tenzler. Und das solle unbedingt vermieden werden.

Dessen ist sich auch Johannes Hanöffner bewusst, dem unter anderem Wälder im Zweiniger Grund sowie in der Region Kriebstein entlang der Burg sowie an der Talsperre gehören. „Wenn das Frühjahr trocken und warm wird, wird die Situation dramatisch“, sagte er. Hanöffner ist seit dem Orkan am Donnerstag in seinen Wäldern unterwegs. „Heute wurden mit Unterstützung der Feuerwehr in der Weilbergsiedlung in Kriebstein weitere Wege freigeschnitten. Am Kaiserbach in Mahlitzsch wurde in der Nähe der Gaststätte auch ein Zaun zerstört. Dort sind wir aktuell mit Aufräumen beschäftigt“, sagte er am Montagnachmittag.

Seiner Ansicht nach hat Orkan „Friederike“ in Mittelsachsen stärker gewütet als „Kyrill“ vor elf Jahren. „Noch ist der Gesamtschaden für mich nicht überschaubar“, so Hanöffner. Denn außer der Zahl der beschädigten Bäume würden zahlreiche weitere Faktoren hinzukommen, die es bei der Bildung einer Schadenssumme zu berücksichtigen gelte: „Es ist viel Holz vorhanden. Das wird den Preis sinken lassen. Hinzu kommen immense Aufforstungskosten. Weil es derzeit feucht ist, zerstören wir mit den schweren Maschinen und Lkw die Wald- und Rückewege. Sie instand zu setzen, kostet auch Zeit und Geld“, so Johannes Hanöffner.

Bis der Wald „saniert“ ist, wie die Forstleute es nennen, dauere es gewiss mehrere Jahre. Er hat noch nicht einmal die Schäden von Herbststurm „Herwart“ beseitigen lassen können. „Ich hatte mich direkt danach bei diversen Firmen erkundigt. Ich hatte nun einen Termin für Ende Januar. Aber auch der wurde mir schon wieder abgesagt, weil die Firma anderswo gebraucht wird“, sagte Hanöffner, der seit 2002 Wald in verschiedenen Teilen Mittelsachsens besitzt.

Schilder aufzustellen, die auf die derzeitige Gefahr im Wald hinweisen, könne er weder zeitlich noch personell oder finanziell leisten. „Es sollte jedem klar sein, dass man Wälder derzeit besser meiden sollte“, meint Johannes Hanöffner.

Überall in Sachsen sind Wälder unpassierbar. „Im Colditzer Forst und Wermsdorfer Wald werden die Schäden mit jeweils rund 30 000 Festmetern quantifiziert“, so Andreas Padberg, Leiter des Forstbezirkes Leipzig. Die Aufarbeitung von Sturmholz sei sehr gefährlich, da oftmals Kronenteile an anderen Bäumen hängengeblieben sind und die Bäume nur schwer zu Fall gebracht werden können. Auch stehen die übereinandergeworfenen Bäume meist unter großer Spannung. Für das vergangene Wochenende war eine große revierübergreifende Wildschweinjagd im Thümmlitzwald angesetzt. Diese wurde abgesagt. Revierleiter Ronald Köllner ließ darüber hinaus ausrichten, dass die für den 17. Februar geplante Winterwanderung ausfällt.

Revierförster Dirk Tenzler Tel. 0170 9223847