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Kunst am Kopf

Franziska Monden ist Deutschlands beste Nachwuchs-Maskenbildnerin. Dazu gibt es Glückwünsche vom Oscargewinner.

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© Anja Goebel

Von Anna Hoben

Als sie zum ersten Mal auf der Seitenbühne stand, mit klopfendem Herzen und offenem Mund, fürs Publikum unsichtbar und dennoch ganz nah dran am Geschehen auf der Bühne, da wusste Franziska Monden: Das ist es. So würde sie ihr Leben verbringen wollen: am Theater. An der Oper. Oder am Filmset. Die Gewissheit kam während eines Praktikums nach dem Abitur an der Oper Chemnitz.

Mit der Schwertlilien-Maske für ihr Modell Janna Enge überzeugte Franziska Monden die Fachjury und landete auf Platz 1 – vor einem Fliegenpilz und einer Venusfliegenfalle.
Mit der Schwertlilien-Maske für ihr Modell Janna Enge überzeugte Franziska Monden die Fachjury und landete auf Platz 1 – vor einem Fliegenpilz und einer Venusfliegenfalle. © Anja Goebel

Inzwischen studiert die 22-Jährige Maskenbild an der Dresdner Hochschule für Bildende Künste als eine von zehn jungen Frauen in ihrem Jahrgang. Es geht die Geschichte um, dass vor Jahren auch einmal ein Mann den Abschluss gemacht hat, genau weiß man es nicht. Seit dem Wochenende hat die Hochschule jedenfalls mit Franziska Monden eine preisgekrönte Studentin: Sie hat bei der Deutschen Meisterschaft für Maskenbildner in Ausbildung in Düsseldorf den ersten Platz gemacht.

Dass sie überhaupt teilnahm, auch das fing mit einem Herzklopfen an. Nur wenn sie das verspüren würde beim Thema des Wettbewerbs, so hatte sie zu sich selbst gesagt, würde sie mitmachen. Im Herbst letzten Jahres ging die Ausschreibung zu „Flora – Die Welt der Pflanzen“ raus. Franziska verspürte dieses Herzklopfen. Sofort flatterten ihr eine Menge verschiedener Ideen durch den Kopf. In den Tagen darauf spazierte sie durch den Botanischen Garten, blätterte durch Pflanzenbücher und recherchierte im Internet. „Ich wollte eine Pflanze finden, die mich inspiriert.“

Irgendwann stieß sie auf die Schwertlilie und war fasziniert von deren Farbe und Form. So sehr, dass sie die Blume zeichnete, an einem einzigen Abend. Sie schickte die Skizze ein, zusammen mit einem Konzept, wie sie das Maskenbild umsetzen wollen würde. Im Dezember kam die Zusage: Franziskas Idee war unter die besten acht gelangt, sie würde zur Meisterschaft nach Düsseldorf fahren dürfen. Schon zuvor hatte sie sich in ihrem Freundeskreis auf die Suche nach einem Modell gemacht. Wichtig war, dass die Person schnell abrufbar war. Es sollte jemand sein mit einem besonderen Gesicht, Lust auf eine völlig neue Erfahrung und vor allem viel Geduld.

Schließlich würden die beiden viel Zeit miteinander verbringen, und das Modell würde die ganze Zeit still dasitzen müssen. Die Freundin eines Bekannten hörte von der Suche – und sagte zu. Sie hatte gerade ihre Prüfungen hinter sich und einen flexiblen Zeitplan. „Wir waren uns gleich sympathisch, es tat mir nur leid, dass sie mich kennengelernt hat als ich so angespannt war“, sagt Franziska und lacht.

Das Föhnen der Kunststoffplatte

In ihrem Studium an der Hochschule steht auf dem Stundenplan viel Theorie: historische Frisuren, Stilkunde, Kunstgeschichte, Kostümgeschichte. Nun kam es auf die Praxis an. Im Januar fertigte sie von ihrem Modell Janna Enge einen Kopfabdruck aus Gips an. Sie baute die Form für das Gesichtsteil und arbeitete nebenbei am Kopfputz. Dafür verwendete sie ein Material, das im Rohzustand hart wie eine Kunststoffplatte ist und biegsam wird, wenn man es föhnt. Beide Stücke, Gesichtsteil und Kopfputz, durfte sie fertig zum Wettbewerb mitnehmen. Live würde es dann darum gehen, das Gesicht zu kolorieren und die Übergänge zu gestalten.

Das übte sie in den letzten zwei Wochen vor der Meisterschaft: jeden Tag fünf Stunden. Viel Zeit, in der man sich fast zwangsläufig anfreundet. Dass Janna stets mitdachte, machte sie zum Super-Modell: „Sie sagte zum Beispiel, hast du nicht was vergessen?“ In der heißen Phase kurz vor dem Wettbewerb war sie eine gute Beruhigerin. Und Franziska selbst konnte sich in die Sitzende einfühlen. Für Kommilitoninnen hat sie selber schon stundenlang stillgehalten. Sie weiß, dass Nichtstun ganz schön anstrengend sein kann und dass das Entfernen von Make-up und angeklebtem Gesichtsteil danach häufig eine ziemlich schmerzhafte Prozedur ist.

Vergangenen Samstag stand sie früh auf, sammelte Janna und ihre Mutter ein und fuhr mit dem Auto nach Düsseldorf. Am Sonntag wurde es ernst. Aufgeregt waren diesmal beide, die Künstlerin und das Modell. Schließlich saßen in der Jury so hochkarätige Leute wie Nick Dudman, der für die Make-up-Effekte in den Harry-Potter-Filmen zuständig war. Doch die Jury beruhigte die jungen Frauen. „Ihr habt alle schon jetzt gewonnen, weil ihr es hierher geschafft habt“, sagten die Experten.

Als Franziska sich umschaute, war die Konkurrenz bereits am Arbeiten. Sie hatte den Startschuss verpasst. „Typisch für mich“, sagt sie im Nachhinein. Darüber lachen konnte sie auch schon währenddessen. Von da an ging alles schnell. Bei der Siegerehrung wurden zwei Namen aufgerufen, Platz 3 und Platz 2, „okay, nicht so schlimm“, sagte Franziska zu Janna. Dann hörte sie, Platz 1, ihren Namen, fühlte sich wie im falschen Film und freute sich riesig. Demnächst darf sie eine Make-up-Meisterklasse in London besuchen. 1 000 Euro gab es obendrein, damit kann sie ihr Material refinanzieren. Ungefähr 500 Euro hat sie für die Maske ausgegeben.

Hinterher kam Howard Berger zu ihr, ein Maskenbildner, der für „Die Chroniken von Narnia“ 2006 einen Oscar gewonnen hat. „You did an amazing job“, sagte er, fantastische Arbeit. Franziska Monden erzählt zögerlich davon, bescheiden. Nach dem Wettbewerb setzte sie sich ins Auto und fiel um halb vier Uhr nachts in Dresden ins Bett. Nächste Woche will sie mit ihren Kommilitoninnen anstoßen, dann geht die Arbeit weiter: Bewerbung für ein Praktikum. Ob Howard Berger ihr seine Visitenkarte hinterlassen hat, ist nicht bekannt.