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Kultiviert streiten in der Frauenkirche

Beim „Diskussionstheater“ war das am Mittwoch möglich.

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© dpa-tmn

Von Alexander Buchmann

Eine Diskussion, bei der jede Seite die andere ausreden lässt und deren Argumente anerkennt. Unter dem Eindruck hitzig geführter und mit Emotionen beladener Debatten scheint das unmöglich. Dass es doch geht, haben am Mittwochabend die rund 35 Teilnehmer des Diskussionstheaters in der Unterkirche der Frauenkirche bewiesen. Dabei führt die Bezeichnung Theater etwas in die Irre. Denn das Publikum ist gleichzeitig der Protagonist.

Doch genau darum geht es Georg Lind, der diese Methode entwickelt hat. Denn am Mittwoch wurde nicht über ein Thema diskutiert, das die Anwesenden persönlich betrifft, sondern über erfundene Personen und deren Dilemma. Im konkreten Fall ein kleinwüchsiges Paar mit starkem Kinderwunsch, das sich dazu entscheidet, das Genmaterial so manipulieren zu lassen, dass ihr Kind normalwüchsig wird. Es wurde debattiert, ob diese Entscheidung richtig oder falsch war. Die einzigen Regeln dabei: Es darf alles gesagt, aber niemand bewertet werden. Ziel des ganzen ist es, dass die Menschen ihre Angst vor demokratischer Auseinandersetzung verlieren, wie Lind kürzlich im Gespräch mit der SZ erklärte.

Und das funktioniert. „Ich hätte nicht gedacht, dass ich so viel sage“, erzählt eine Teilnehmerin am Ende der Veranstaltung. Andere lobten die Ruhe und Sachlichkeit der Diskussion, die gegenseitige Wertschätzung und wünschten sich, solche Abende auch zu anderen Themen zu machen. Einige der Anwesenden wollen das Gelernte vielleicht auch selbst nutzen. „Es war sehr lehrreich und ich könnte mir vorstellen, die Methode im Job anzuwenden“, sagt Claudia Rachner. Sie studiert Soziale Arbeit und arbeitet in einem Kindergarten. Und ein Dresdner Oberschullehrer erzählt: „Ich nehme das mit als Möglichkeit, Schüler der 4. bis 6. Klasse an Dinge heranzuführen. Bei der Methode steht die Sache und nicht die Person im Mittelpunkt.“ Das wäre dann auch ein Schritt, die „mangelnde moralische und demokratische Kompetenz“, die es laut dem Geschäftsführer der Stiftung Frauenkirche Frank Richter gibt und die in der Schule vernachlässigt werde, zu beheben. Ob und wann es das nächste Diskussionstheater in Dresden gibt, ist aber offen.