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Kreuz an der falschen Stelle

Wahlplakate aller Parteien im Kreis Görlitz werden derzeit beschädigt. Nicht immer steckt eine politische Haltung dahinter.

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© nikolaischmidt.de

Von Matthias Klaus

An der Dr.-Kahlbaum-Allee in Görlitz hatte die Bundeskanzlerin ja noch Glück. Hier bekam sie „nur“ ein Kreuz über das Gesicht verpasst. Schlimmer erwischte es Angela Merkel am Kreisverkehr in Königshufen. „Volksverräter“ musste sie sich quer über den Oberkörper schreiben lassen. Wahlwerbeplakate der CDU wurden in der Kreisstadt auf diese Art und Weise verunstaltet. „Eine Riesensauerei“, findet der CDU-Kreisvorsitzende Octavian Ursu. Das sei keine Art und Weise, sich mit dem politischen Gegner auseinanderzusetzen. Vor allem die großen, mobilen Aufsteller der CDU sind von den Schmierereien betroffen. Ein Schicksal, das die Christdemokraten mit anderen Parteien teilen.

Wahlkampf, Wahlwerbung – das lockt die mehr oder weniger Kreativen auf den Plan. Norbert Starke, Mitarbeiter im Büro des SPD-Bundestagsabgeordneten Thomas Jurk, kann davon ein Lied singen. Seit 27 Jahren ist er im Geschäft und regelmäßig zu Wahlkampfzeiten hat er mit beschädigten Plakaten zu tun. „In diesem Jahr ist in Niesky ein ganz Eifriger am Werk“, erzählt er. Der pappe nicht einfach den werbenden Politikern mit Aufklebern die Münder zu, sondern auch noch in unterschiedlichen Farben. „Das ist fast schon kreativ“, schmunzelt Norbert Starke. Er geht davon aus, dass es sich um einen Einzelgänger handelt, der sich an den Plakaten vergreift. Auch bei der SPD sind vor allem die großen Plakate betroffen. „In Görlitz halten sich die Beschädigungen dabei noch im Rahmen“, so Norbert Starke. Was kaputt gemacht oder beschädigt ist, werde ersetzt.

Der Polizeidirektion Görlitz wurden in den vergangenen Wochen aus unterschiedlichen Orten Beschädigungen von Wahlplakaten bekannt. Jeder Straftat werde selbstverständlich nachgegangen, so Sprecher Thomas Knaup. Zuweilen geht es um reine Randale, wie in Leutersdorf und Seifhennersdorf. Dort wurden am Sonnabendmorgen Wahlplakate wahllos in Brand gesetzt. Dabei kommt aber nicht jeder Fall zur Anzeige. Der CDU-Kreisvorsitzende Octavian Ursu verzichtet darauf, jedes beschädigte Plakat der Polizei zu melden. „Es kommt mit großer Sicherheit bei einer Anzeige gegen unbekannt nichts heraus. Und wir beschäftigen nur die Polizei“, sagt er.

Anders sieht man es bei den Grünen im Kreis. Sie erstatteten Anzeige, nachdem ein großes Wahlplakat in Mittelherwigsdorf beschädigt wurde. „Sogar ein Bauzaun wurde weggeschoben, um heranzukommen“, sagt Matthias Böhm vom Grünen Regionalbüro in Görlitz. Der jüngste Fall von beschädigten Grünen-Wahlplakaten trat am Zittauer Martin-Wehnert-Platz auf. Auch hier: Vor allem die Großplakate sind betroffen, sagt Matthias Böhm.

Das bestätigt Jens Hentschel-Thöricht, von der Fraktion Die Linke im Kreistag Görlitz. „Mit der Beschädigung von ,normalen’ Plakaten haben wir fast täglich zu tun“, schildert er. Olbersdorf sei dabei derzeit ein Schwerpunkt. „Generell werden Wahlplakate eher in kleineren Ortschaften beschädigt“, sagt Jens Hentschel-Thöricht. In Städten wie Löbau, Zittau, Weißwasser und Görlitz gebe es weniger Probleme. Die AfD hat da gegenteilige Erfahrungen. „Gerade in den Städten werden unsere Plakate häufiger beschädigt, in den Gemeinden eher weniger“, sagt Lothar Renner. Er ist Schatzmeister im AfD-Kreisvorstand. Den Rekord halte Weißwasser: Sechs, sieben Stunden, nachdem die Wahlwerbung aufgebaut wurde, war sie auch schon zerstört. Christine Schlagehan kennt das. „Im Oberland, in Ebersbach-Neugersdorf, hat es nur wenige Tage gedauert, bis die Großflächenplakate beschädigt waren“, sagt die Vorsitzende der freien Demokraten im Kreis und Bundestagskandidatin. Auch die FDP stellt Anzeige. „Ich finde, es geht bei der Wahlwerbung und deren Beschädigung aggressiver zu als in der Vergangenheit“, findet Christine Schlagehan.

Das Görlitzer Ordnungsamt jedenfalls hat bisher keine übermäßige Zahl an beschädigten Plakaten festgestellt, so Stadtsprecherin Sylvia Otto. Auch eine Tendenz, welche Partei besonders stark betroffen sei, gebe es aus Sicht des Amtes nicht. Die Stadt greife nur ein, wenn eine Gefährdung vorliege. Sylvia Otto: „Dies war bisher nicht erforderlich.“ Wenn es Mängel gibt, die durch Kontrollen auffallen, aus Bürgerhinweisen oder über das Internet kommen, werden zunächst die betroffenen Parteien informiert. Die Sachbeschädigung von Wahlkampfplakaten ist kein Kavaliersdelikt. Es kann Geldbußen geben, aber auch Haftstrafen von bis zu zwei Jahren.