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Kochen unter gutem Stern

Der Ritterschlag durch den Guide Michelin traf Stephan Mießner völlig unerwartet. Doch er bleibt in seinem Element.

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© Sven Ellger

Von Nadja Laske

Große Wellen mag Stephan Mießner nur beim Surfen. Im Februar, wenn er sich den einzigen Urlaub des Jahres gönnt. Ansonsten liebt der Koch ruhiges Fahrwasser und hält den Kurs auch bei Sturm. Der kam vor zwei Wochen auf, als bekannt wurde, welche Köche im Guide Michelin mit Sternen geadelt wurden. Seitdem hängt in Stephan Mießners Restaurantküche ein sonnengelbes Surfbrett von der Decke. Luftschlangen schlängeln sich darum – ein Gruß vom Team an den Chef des Haues, der mit dem Stern eine Art Oscar der Gastronomie verliehen bekommen hat.

Auf der Theke des neuen Sternerestaurants „Elements“ stehen noch die Flaschen und Glückwunschkarten. Die erste Aufregung hat sich gelegt. Sie an jenem Tag nicht hochschwappen zu lassen, hat Stephan Mießner viel Disziplin und Konzentration abverlangt. Denn der Stern fiel aus heiterem Himmel auf ihn herab, da blieb zunächst keine Zeit zum Freuen, geschweige denn zum Feiern. „Das haben wir erst in der Nacht gemacht, nachdem der letzte Gast gegangen und alles aufgeräumt war“, erzählt Mießner.

Zum Feiern fehlte die Zeit

Den hatte am Vormittag ein Lieferant angerufen und gesagt: Du hast einen Stern. Der 31-Jährige aber glaubte ihm nicht. Am Abend vor der offiziellen Verkündung in Berlin waren Stephan Mießner und seine Frau im Internet nicht fündig geworden. „Wir wussten, dass die Sterne vergeben werden, und wollten wissen, welche Restaurants denn in diesem Jahr ausgezeichnet wurden.“ Sein eigenes zu entdecken, damit habe er sowieso nicht gerechnet. Als am nächsten Morgen die Informationen online zu haben waren, fehlten Stephan Mießner Ruhe und Zeit. Schließlich öffnen Punkt 11 Uhr Bistro und Restaurant, bis dahin hat er viel zu tun. So begann er sein Glück erst zu glauben, als die ersten Glückwünsche bereits eingingen. Von da an standen die Telefone nicht mehr still.

„Ich bin am Kochen“, hatte der Ahnungslose dem Überbringer der Botschaft gesagt. Und genau so hielt es Stephan Mießner für den Rest des Tages. Nur in der nachmittäglichen Schließzeit des Elements änderte der Sternekoch seine Tagesordnung, um in Kameras zu lächeln und erste Pressefragen zu beantworten. Dann rief schon wieder die Pflicht, schließlich war für den Abend eine Veranstaltung geplant. „Den Gästen konnten wir ja nicht sagen: Verzeihung, heute hängt es hier und da ein bisschen.“ Diese Gesellschaft hatte die einmalige Chance, sich als allererste vom nunmehr dritten Dresdner Sternekoch verwöhnen zu lassen. Stefan Hermann im „Bean&Beluga“ und Benjamin Biedlingmaier im „Caroussel“ haben ihre Sterne verteidigt. Doch die Aufregung dürfte in ihren Küchen nicht annähernd so groß gewesen sein, wie in der Stephan Mießners.

Der blieb ganz in seinem Element. „Aber ich musste mich ganz schön konzentrieren, der Kopf war voller Gedanken daran, was dieser Stern wohl auslösen würde.“ Zwei Wochen später hängt da das Surfbrett im Raum, zur Erinnerung an die Zeit, als Mießner noch durch die Welt surfte, von einer Saisonanstellung zur nächsten, in der Schweiz und in Südtirol, in Südafrika, auf Mallorca und Gran Canaria. Und an die Jahre, als er noch mehr Zeit für sein Hobby hatte. Aber was ändert sich nun? „Nichts“, sagt der Chef des Hauses.

Ein Wagnis, das sich auszahlt

Auch künftig sollen seine Gäste das von ihm bekommen, was er ihnen und sich vor fünf Jahren im hundertseitigen Konzept fürs eigene Restaurant versprochen hat: Essen, das man sich selbst nicht zubereitet. „Man kann ja heute so viel zu Hause kochen, es gibt super Produkte und genug Anleitung“, sagt Stephan Mießner. Sein Anspruch ist es, Gäste zu überraschen und das zu Preisen, die das Erlebnis wiederholbar machen. „Es nützt mir nichts, wenn sich die Leute einen Abend bei uns nur einmal im Jahr leisten können, sie sollen regelmäßig kommen und sich gut dabei fühlen.“

Mit 27 Jahren voll reicher Erfahrung zurück in die Heimat zu gehen und in Dresden auf 700 Quadratmetern zwei Seiten der Kochkunst und Bewirtung zu vereinen, war ein Wagnis. Doch Stephan Mießner hat an seinen Traum von Gourmetrestaurant und Bistroversorgung unter einem Dach geglaubt. Banken tun das in dieser Branche kaum noch. Eine aber gab dem jungen Koch Kredit. Nach vier Jahren kann er sagen: Das Geschäft läuft gut. Michelins Stern zeigt: Der Genuss läuft spitze.