Merken

Kleine Kraftwerke aus Klee

Pellets aus Weiß- und Rotklee sollen den Anbau von Gemüse revolutionieren. Entwickelt wurde der Biodünger in Dresden.

Teilen
Folgen
© Robert Michael

Von Ines Mallek-Klein

Der Amboss und der Hammer im Flur sind Programm in der Dresdner Gründungsschmiede. Sie teilen sich den schmalen Flur mit Metallregalen, die auf ihren Aufbau warten. Das eher unscheinbare Bürogebäude in der Andreas-Schubert-Straße bekommt neue Mieter und das Start-up-Unternehmen Grünerdüngen neue Nachbarn. Wer die Gründer Simon Scheffler, Beate Wunderlich und Torsten Mick besucht, trifft auf einen blauen Kickertisch. Der ist nicht ungewöhnlich für die Start-up-Szene. Der Duft nach frischem Heu aber schon. Verströmt wird er von dunkelgrünen, gut einen Zentimeter langen Pellets, die in handlichen 1,75-Kilo-Kartons auf ihren Einsatz waren. Die Pellets bestehen aus getrocknetem und gepresstem Bioklee. Sie sind besonders stickstoff- sowie kaliumhaltig und eignen sich damit hervorragend zum Düngen von Gemüsepflanzen im Garten und im Bioanbau.

Die Knöllchenbakterien an den Kleewurzeln binden Stickstoff aus der Luft.
Die Knöllchenbakterien an den Kleewurzeln binden Stickstoff aus der Luft. © Robert Michael
Der Stickstoff wird über die Pellets als Dünger in den Boden eingebracht.
Der Stickstoff wird über die Pellets als Dünger in den Boden eingebracht. © Robert Michael

Eine kleine, grüne Revolution, die von Dresden aus die Biogärtner erfassen soll. Denn die Europäische Union, die den Ökolandbau seit 1992 mit einer eigenen Rechtsverordnung regelt, hat einen wesentlichen Punkt vergessen: den Dünger. Während es für das Saatgut, die Ernte, den Transportweg und die Lebensmittel klare, sehr strenge Vorschriften im Ökolandbau gibt, erlaubt die Europäische Union den Biobauern, organische Abfälle sowie Reststoffe der konventionellen Landwirtschaft als Dünger einzusetzen. Dazu zählen auch Haar-, Federn-, Knochen- und Blutmehle, Hornspäne, Horngries, und sonstige Schlachtabfälle.

Das an sich wäre kein Problem. Oft kommen aber diese organischen Abfälle aus der ganzen Welt und widersprechen in ihrer Ökobilanz allen Kriterien des Ökolandbaus. Zudem besteht das Risiko, dass sie mit Chemikalien behandelt worden sind. Professor Knut Schmidtke, der in Pillnitz das Fachgebiet Ökologischen Landbau der HTW Dresden lehrt, hatte deshalb schon vor zehn Jahren die Idee, einen echten Biodünger zu entwickeln. Simon Scheffler, ein wissenschaftlicher Mitarbeiter im Team von Schmidtke, nahm diese Herausforderung an. Basis sollte ein Schmetterlingsblütengewächs sein. Diese Pflanzenfamilie lebt in symbiotischer Beziehung mit Knöllchenbakterien an ihren Wurzeln. Sie vollbringen wahre Wunder, denn sie sind in der Lage, Stickstoff aus der Luft aufzuspalten und zu binden. Das Team von Grünerdüngen verwendet Weiß- und Rotklee für seine Dünger-Pellets. Die perfekte Mischung ist streng gehütetes Betriebsgeheimnis. Der Klee wird auf Ackerflächen in Sachsen nach den Vorschriften des Ökolandbaus angebaut, wächst dort mindestens zwei Jahre und wird in dieser Zeit zu KleePura, so der Name des innovativen Bio-Düngers, schonend weiterverarbeitet. Die Kleemahd muss schnell in eines der beiden sächsischen, biozertifizierten Trockenwerke, um weiter verarbeitet werden zu können. Das Ergebnis duftet herrlich nach Kleeheu und ist schon allein damit klar im Vorteil gegenüber den Hornspänen, die oft im Ökolandbau eingesetzt werden. Hornspäne riechen weitaus unangenehmer und haben noch dazu den Nachteil, dass sie vorwiegend Stickstoff, aber kaum Kalium, kein Phosphor und andere Spurenelemente in die Erde einbringen. „Wer jahrelang nur mit Hornspänen düngt, läuft Gefahr, den Boden auszuzehren“, sagt Simon Scheffler.

Er, Beate Wunderlich und Torsten Mick haben es sich mit ihrem Start-up zur Aufgabe gemacht, dem einzig echten regionalen Bio-Dünger zum Durchbruch zu verhelfen. Hierzu arbeitet das Team mit Naturland, einem der größten deutschen Anbauverbände des ökologischen Landbaus, zusammen. Da selbst Bio-Düngemittel wie KleePura, die aus ökologisch zertifizierten Rohstoffen stammen, nicht in den Anwendungsbereich der EU-Vorschriften zum ökologischen Landbau fallen, erfolgt eine Kontrolle und Zertifizierung nach den strengen Naturland-Richtlinien. Das Potenzial für KleePura ist groß. Es reicht vom erwerbsmäßigen Biobauern bis hin zum naturbewussten Hobbygärtner im Stadt- und Landgarten. Die kleinste Liefermenge (1,75 kg) passt in einen handlichen Karton mit Schütte. Eifrige Gärtner können für eine reiche Ernte und üppige Blütenfülle auch einen Fünf-Kilo-Sack bestellen. Das Design der Verpackung ist nun fertig; ein Dresdner Design-Büro hat die herrlich grünen Etiketten mit einem großen, weißen Kleeblatt entworfen. Mittlerweile steht der echte Biodünger in den ersten Regalen der Bioläden und ausgewählter Lebensmitteleinzelhandelsgeschäfte. Bald sollen die Garten- und Baumärkte folgen. Hier war das Team von Grünerdüngen auch unterwegs, um die Produkte der Konkurrenz zu sichten. Bioangebote gibt es viele. Deren Kennzeichnung ist nach geltendem Recht völlig korrekt. „Und doch führt sie den Verbraucher in die Irre“, sagt Torsten Mick. Die Verbraucher greifen zum Bio-Dünger, weil sie glauben, dass in „Bio“ auch „Bio“ drin ist. Tatsächlich aber sind in nahezu allen gängigen Bio-Düngern nur organische Roh- und Reststoffe der konventionellen Landwirtschaft enthalten.

Der neue Dresdner Bio-Dünger hingegen besteht tatsächlich aus ökozertifiziertem Bio-Klee, angebaut von ökologisch wirtschaftenden Familienbetrieben in Sachsen. Dass KleePura ausschließlich aus pflanzlichen Bestandteilen besteht, macht ihn auch für alle jene interessant, die rein vegane Lebensmittel anbauen wollen, sagt Beate Wunderlich. Und ganz besonders wichtig ist ihr, dass mit KleePura bereits Kindergartenkinder nachhaltig und ökologisch gärtnern und große, leckere Tomaten oder Erdbeeren ernten können.

KleePura hat auch die Jülicher Jury überzeugt, die die Exist-Gründerstipendien für Firmengründungen aus der Wissenschaft vergeben. Das Team von Grünerdüngen hat sich beworben und Erfolg gehabt. Bis Ende Februar 2018 stehen ihm 153 000 Euro zur Verfügung, die in Marketing, Coaching und Sachkosten fließen können. Aus dem Betrag beziehen die drei Gründer auch ihren Lohn. Das gibt Sicherheit und sei nicht ganz unwichtig, sagen die Jungunternehmer, die alle Familie mit Kindern zur versorgen haben. Ohne Stipendium hätten sie an dem Projekt KleePura festgehalten, allerdings nur nebenberuflich. „Das hätte die Markteinführung verzögert“, sagt Simon Scheffler.

KleePura kann ganz einfach von Hand ausgebracht und eingeharkt werden, idealerweise vor einem Sommerregen oder mit anschließendem Gießen. Die kleinen grünen Pellets werden von nützlichen Bodenpilzen besiedelt und von einem weiß-grauen Flaum überzogen. Das sieht ungewöhnlich aus, zeigt aber, dass die Pellets von den Organismen in der Erde verstoffwechselt werden. Nur so können der Stickstoff und andere wichtige Nährstoffe für die Gemüsepflanzen, Kräuter, Obst und Blumen zugänglich gemacht werden. Hauptzeiten der Anwendungen sind die Monate März bis Juni und dann, zur Vorbereitung des neuen Gartenjahres, die Monate September bis Oktober. Balkongärtner müssen sich noch etwas gedulden. Bis dato ist die gute Wirksamkeit von KleePura in Anbauversuchen im Freilandbeet wissenschaftlich bestätigt. Die Gründer stehen kurz davor, ein weiteres Düngemittel auf der Basis von Bio-Klee zu präsentieren, welches für Balkonpflanzen geeignet ist.