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Keine zweite Chance?

Ein Abc-Schütze fliegt schon nach einer Woche aus der evangelischen Grundschule in Oßling. Der Vater ist fassungslos.

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© René Plaul

Von Frank Oehl

Oßling. SZ-Leser Ringo Herrmann traute seinen Augen nicht, als er am 12. August einen Brief der Evangelischen Grundschule Oßling in den Händen hielt. Sein Kind sollte schon nach einer Woche die Schule wieder verlassen? Wie sollte er das seinem Sohn erklären, der ausgerechnet an diesem Sonnabend seinen 7. Geburtstag feierte? „Joe schnallte erst gar nicht, was los ist. Und dann ist er irgendwann zusammengeklappt.“ Zum Glück ist das Kind dann nur ein paar Hundert Meter weiter in der staatlichen Kastanienschule im Ort untergekommen. „Da kennt er die meisten aus dem Kindergarten.“ Und irgendwann wird er den Schock verdaut haben. Womöglich eher, als seine Eltern. Die haben sich mit ihrem Fall nun auch an die SZ gewandt.

Der Auslöser für das überaus strenge Vorgehen des Schulträgers soll der Schuljahreseröffnungsgottesdienst am 6. August in der Oßlinger Kirche gewesen sein, heißt es. Herr Herrmann bestätigt den Vorfall mit seinem Sohn. „Joe hat ein lautes Organ und ist sehr lebhaft. Nach einer Weile hat er den Gottesdienst ziemlich gestört, das stimmt.“ Gemeinsam mit einem Freund habe Joe rumgefaxt, die Ermahnungen der Lehrer, des Vorsitzenden des Schulvereins und auch des Pfarrers fruchteten nicht. Und die Eltern? „Wir saßen getrennt von den Kindern im Kirchenschiff. Was hätten wir von dort aus tun sollen? Das alles war uns ja schon unangenehm genug“, so Herr Herrmann. Außerdem habe man nicht in die Kompetenz der Lehrer eingreifen wollen. „Wie hätte das denn gewirkt?“

Schon am ersten Schultag scheint der Vorfall in den beiden betroffenen Familien bereits vergessen gewesen zu sein. Auch die ganze erste Schulwoche lang habe es keine weiteren Beschwerden gegeben, so der Leser. Und dann plötzlich kam der Rauswurf. „Wir waren geschockt. Es gab auch kein Gespräch mit uns Eltern.“ Familie Herrmann ist nicht konfessionsgebunden. „Das sei kein Problem, hieß es im Aufnahmegespräch.“ Für Herrmanns waren zwei Argumente entscheidend für die Schulwahl. Man wollte das Lernen von der ersten bis zur zehnten Klasse, wie man es aus DDR-Zeiten kannte – die neue Grundschule ergänzt in Oßling schließlich das erfolgreiche Oberschulangebot der evangelischen Mittelschule. „Außerdem hat uns in Trado auch der Hol- und Bringedienst der Schule begeistert.“ Herr Herrmann vermutet nun, dass sein Sohn nur für die Zulassung der ersten 1. Klasse gebraucht worden sein könnte – und nun halt nicht mehr. Das weist Henry Nitzsche vom Schulträgerverein zurück: „Das ist Unfug. Wir sind eine freie Einrichtung und insbesondere auch nicht an Schuleinzugsbereiche gebunden.“ Zum Rauswurf von Joe, also dem reinen Verwaltungsakt, will sich Nitzsche nicht äußern. Er bestätigt den Vorfall in der Kirche, der offenbar Grenzen des Anstands auch bei einem Siebenjährigen weit überschritten hat. „Die Forderung nach der Relegation der zwei Jungen kam aus der Lehrerschaft.“ Bedauerlich sei, dass der Brief so spät raus ist. Dies habe an der Formalie an sich und vor allem am allgemeinen Schulanfangsstress in der ersten Woche gelegen. Es sei im Übrigen allen klar gewesen, dass die beiden Jungen nichts ins Leere fallen.