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In der falschen Tonne

Mit dem Müllsortieren nehmen es viele im Landkreis nicht so genau. Aus Achtlosigkeit oder mit Absicht?

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© SZ-Archiv/Böhme

Von Jan Lange und Jana Ulbrich

Die Frauen am Förderband dürfen wirklich nicht empfindlich sein, wenn sich der tagtägliche Inhalt aus Gelben Säcken und Tonnen vor ihnen ausbreitet. Eigentlich sollten es ja nur Wertstoffe sein, die die Mitarbeiterinnen beim Veolia Umweltservice in Droben bei Bautzen sortieren – Plastikverpackungen, Weißblechdosen oder Tetrapacks. Aber der eigentliche Verpackungsmüll macht gerade einmal 60 Prozent dessen aus, was im Landkreis Görlitz in den Gelben Tonnen landet. Der Rest sind Bioabfälle und Restmüll: verschimmelte Lebensmittel, tote Katzen, stinkende Windeln, gebrauchte Hygieneartikel und anderes. „Fehleinwürfe“ nennt man das freundlich ausgedrückt bei Veolia. Deren Quote liegen nach Angaben des seitens der Dualen Systeme beauftragten Entsorgers bei der Gelben Tonne bei 40 bis 45 Prozent. Und der Anteil nimmt zu. Die Qualität schwanke je nach Siedlungsstruktur und Erfassungssystem, erklärt Ronny Hirschmann, Betriebsleiter des Regiebetriebs Abfallwirtschaft des Landkreises. Im ländlichen Raum gebe es demnach weniger Probleme mit dem Müllsortieren als in größeren Wohngebieten.

Aber auch in anderen Tonnen ist längst nicht nur drin, was drin sein sollte. So liege der Anteil der falsch sortierten Stoffe bei der Biotonne zwischen drei und zehn Prozent. „Hier sind jahreszeitliche Schwankungen erkennbar“, so Hirschmann. Im Biomüll landen schon mal Lebensmittel in ungeöffneten Verpackungen, vor allem in Plastik. Oder auch Folienreste. Die aber verrotten nicht – und beeinträchtigen schließlich die Qualität der Komposterde. Sie müssen aufwendig aus dem erzeugten Kompost entfernt und richtig entsorgt werden. Der Inhalt der Biotonnen geht im Landkreis in verschiedene Kompostieranlagen. Der Biomüll aus dem Norden wird nach Weißwasser gebracht, der aus Görlitz sowie der Region Löbau-Zittau zu den Veolia-Anlagen in Laucha bei Kittlitz und in Droben. Im Landkreis Görlitz werden pro Kopf und Jahr 92 Kilogramm organische Abfälle über die Biotonne entsorgt. „Dies stellt einen Spitzenwert im Freistaat Sachsen dar“, weißt Hirschmann hin.

Der Wert könnte sogar noch größer sein. Denn in der Vergangenheit durchgeführte Sortieranalysen haben einen kompostierbaren Organikanteil von bis zu 30 Prozent in der Restmülltonne ergeben. Das heißt, dass fast ein Drittel des Restmülls stofflich statt thermisch behandelt werden könnte, wenn besser getrennt werden würde, meint Hirschmann. Der Inhalt der Schwarzen Tonnen wird zuerst in die Umladestationen in Reichenbach sowie Weißwasser und von dort zur thermischen Anlage nach Lauta gebracht. Eine Sortierung wie bei der Gelben Tonne findet hier nicht mehr statt, erklärt der Chef der Abfallwirtschaft.

Über die Ursachen der hohen Fehlerquote bei der Abfallentsorgung kann nur spekuliert werden. Ist es Unwissenheit? Achtlosigkeit? Oder Absicht? Alles spiele eine Rolle, darin sind sich die Mitarbeiter der Abfallwirtschaft sicher. Der viele Bioabfall im Restmüll lässt sich möglicherweise mit der Tatsache erklären, dass im Landkreis Görlitz nur 66 Prozent aller Haushalte eine Biotonne nutzen. Damit liegt der Kreis nur knapp über dem Wert der Nachbarn in Bautzen, wo es 60 Prozent sind.

Wer auf dem eigenen Grundstück kompostiert, kann sich von der Entsorgungspflicht befreien lassen. Vor allem Haushalte im ländlichen Raum wählen so die Biotonne ab, muten dem Komposthaufen im Garten dann aber doch nicht alle organischen Abfälle zu – vor allem keine tierischen. Bestenfalls landen diese dann im Restmüll, schlimmstenfalls aber eben auch in der Gelben Tonne und vor den Veolia-Mitarbeiterinnen auf dem Sortierband.

Es gibt Anzeichen dafür, dass Restmüll zum Teil auch ganz bewusst nicht über den offiziellen Weg entsorgt wird. Denn während die Gelbe Tonne frei ist, muss für jede Leerung der Schwarzen Tonne bezahlt werden. Könnte das ein Grund sein, dass Restmüll auf die anderen Tonnen verteilt wird? Oder er landet einfach in der freien Natur. Im Jahr 2015 wurden insgesamt 26 Tonnen illegal abgelagerte Abfälle durch den Landkreis ordnungsgemäß entsorgt, wie Hirschmann erklärt. Im Vergleich landeten im Landkreis Bautzen gut 90 Tonnen Müll illegal im Wald.

Dass das Restmüllaufkommen sinkt, kann Hirschmann nicht bestätigen. Sowohl im Jahr 2015 als auch im Jahr 2016 lag das Restmüllaufkommen jährlich bei 88 Kilogramm pro Einwohner, 2014 wurden 87 Kilogramm pro Einwohner und Jahr an Restabfall erfasst. Gleiches gilt für die Gelbe Tonne. Über die vergangenen Jahre ist die Menge annähernd konstant bei jährlich 40 Kilogramm pro Einwohner geblieben. Dafür stieg die gesammelte Menge an Sperrmüll in den zurückliegenden drei Jahren deutlich an. Wurden 2014 noch 7 312 Tonnen Sperrmüll gesammelt, waren es im Vorjahr bereits 8 582 Tonnen. Pro Kopf stieg die Menge also um fast 18 Prozent.

Gut die Hälfte des jährlich anfallenden Abfalls landet in der Müllverbrennungsanlage in Lauta. Hier wird aber ebenfalls verwertet: Bei der Verbrennung des Restmülls werden Strom und Wärme erzeugt, und selbst die Rückstände können noch als Baustoffe oder zum Verfüllen von Bergbauhohlräumen herhalten.Auf ein Wort