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Im Wimbledon des Gewichthebens

Das Turnier um den Pokal der Blauen Schwerter bringt die neue Halle zum Beben – mit einem dramatischen Höhepunkt.

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© Claudia Hübschmann

Von Thomas Riemer

Meißen. Er ist mit allen Wassern gewaschen und der erfolgreichste deutsche Gewichtheber aller Zeiten: Ronny Weller. 49 Medaillen bei internationalen Wettkämpfen, elf Weltrekorde stehen auf der Haben-Seite des heute 48-Jährigen. Und zwei Siege beim Turnier um den Pokal der Blauen Schwerter in Meißen. „Die Vase hat zu Hause einen Ehrenplatz“, gesteht Weller, der am Sonnabend nach eigenen Angaben zum ersten Mal seit 2004 wieder auf einer Heberbühne stand. Und das wieder in Meißen. Mit 17 war er erstmals zum Turnier in der Domstadt. „Meißen war das Wimbledon des Gewichthebens“, erinnert er sich.

Den Freudensalto Jon Luke Mau sah auch Sport-Legende Ronny Weller, der an Meißen gute Erinnerungen aus seiner aktiven Zeit hat und sich in einem außergewöhnlichen Vergleich bestätigt sieht.
Den Freudensalto Jon Luke Mau sah auch Sport-Legende Ronny Weller, der an Meißen gute Erinnerungen aus seiner aktiven Zeit hat und sich in einem außergewöhnlichen Vergleich bestätigt sieht. © Claudia Hübschmann

Die Elbestadt ist auf dem besten Wege, diesen schmeichelhaften Ruf neu zu erobern. 30 Athleten aus zehn Nationen – solch eine hochkarätige Besetzung gibt es zumindest deutschlandweit sonst nirgendwo. Jeweils rund 400 Zuschauer bei den beiden Veranstaltungen erleben einen Top-Wettkampf. Nichts ist zu spüren vom monatelangen Lampenfieber des Organisationsteams um Jürgen Grellmann. Mit dem Umzug vom „Wellblechdom“ in die umgebaute frühere Schwimmhalle im Sportzentrum „Heiliger Grund“ waren im Vorfeld leise Zweifel aufgekommen, ob der Funke von der Heberbühne aufs Publikum überspringt. „Ich bin gespannt, ob die Halle zum Beben kommt“, sagt auch Meißens Oberbürgermeister Olaf Raschke (parteilos). Die Sorge ist unberechtigt, wie man seit Sonnabend weiß.

Alles läuft wie am Schnürchen. Schon die erste Heber-Runde zur Mittagszeit füllt die Halle. Da sind die ersten Steine im Orga-Team schon vom Herzen gefallen. Und während sich die Frauen und Männer für die zweite Runde im großzügigen Aufwärmbereich für große Lasten präparieren, herrscht im früheren Schwimmbecken eifriges Hantieren. Marc Huster, einst selbst Medaillenhamster im internationalen Gewichtheben und jetzt Moderator des Turniergeschehens, sortiert seine Unterlagen. Frank Mavius, ebenfalls ein erfolgreicher Ex-Heber und erstmals im Vorbereitungsteam, schießt noch schnell ein Foto vom Publikum. Pressesprecher Michael Hennig atmet durch, als alle Besucher ihre Plätze gefunden haben. Vorjahressieger Max Lang, diesmal leider verletzt, begrüßt seine Sportler-Kollegen. Es ist angerichtet.

Für ein Pokalturnier, in dem es kaum Fehlversuche auf der Bühne gibt. Stattdessen recken sich immer wieder die „Siegerfäuste“ in den Himmel, die – sicher ungewollt – an die legendäre Boris-Becker-Pose aus Wimbledon erinnern und Ronny Weller damit beizeiten recht geben. Rhythmisches Klatschen vor jedem Versuch, frenetischer Jubel nach der Lastenbewältigung, aufmunternder Beifall nach Fehlversuchen – das Publikum muss nicht darum gebeten werden. Es „lebt“ das Turnier von Anfang an mit – bis zum dramatischen Höhepunkt: Erst mit dem allerletzten Versuch des Abends sichert sich der Pole Arkadiusz Michalski die große Vase aus Meissener Porzellan. Die Lettin Rebeka Koha bekommt die etwas kleinere Version als stärkste Frau des Abends – es ist ihre dritte Trophäe in Folge in Meißen.

Die Stadt gehört an diesem Tag zu den Hauptgewinnern. Nicht nur, weil der Spagat vom Wellblechdom in die neue Halle gelingt. Sondern auch, weil im Vorfeld vom Rathaus über die Sponsoren bis hin zum Orga-Team alle Rädchen ineinandergriffen. Perfekt. Wie in Wimbledon eben.