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„Ich mache mir Sorgen um Ella“

Der Fall des verschwundenen Mädchens aus Großenhain beschäftigt viele – und bald ist Weihnachten.

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© Kristin Richter

Großenhain. Die kleine Ella aus Großenhain könnte seit einem halben Jahr in die Schule gehen und in vier Wochen Weihnachten mit ihrer Familie feiern. So wie andere Kinder. Doch so ist es nicht. Denn die Mutter ist mit dem Mädchen seit Mai untergetaucht, nachdem der Vater nach unzähligen Gerichtsterminen das Sorgerecht zugesprochen bekam. Die SZ sprach mit Dr. Uta Strewe von Court Kids, dem Verfahrenbeistand der kleinen Ella vor Gericht.

Ella ist seit Mai dieses Jahres verschwunden. Die Polizei geht davon aus, Mutter und Tochter könnten in Deutschland sein.
Ella ist seit Mai dieses Jahres verschwunden. Die Polizei geht davon aus, Mutter und Tochter könnten in Deutschland sein. © privat

Frau Strewe, hat Sie das Untertauchen der Mutter mit Ella überrascht?

Natürlich hat niemand damit gerechnet, und so etwas passiert selten, zumindest mit dieser Konsequenz und offenbar vorbereitet. Aber letztlich bestätigt es traurigerweise sogar das Urteil des Familiengerichts.

Inwiefern?

Weil es eben nicht nur um die Umgangsverweigerung der Mutter gegenüber dem Vater ging – und zu diesem Eindruck kam das Gericht schließlich auch und ist letztlich den schweren Schritt gegangen, das Sorgerecht dem Vater zu übertragen. Das hat sich keiner leicht gemacht. Alle wissen, die Herausnahme eines Kindes aus seinem gewohnten Umfeld kann nur die letzte Entscheidung sein. Es gab unzählige Gespräche und Verhandlungstermine. Schließlich ging es nicht nur darum, dass die Mutter jegliche Mitarbeit verweigerte, wie mancher mutmaßt. Es ging darum, dass Ella schlussendlich kein selbstbestimmtes Leben ermöglicht wurde, mit Kitabesuch, einem Wandertag, einem Kindergeburtstag, Freunden, allem, was altersgerecht dazugehört. Und Ella hatte sich das so gewünscht. Als Verfahrensbeistand für Kinder geht es nicht darum, ob sich Vater oder Mutter wohlfühlen oder wer recht hat, sondern darum, was für das Kind das Beste ist. Wenn eine Verweigerungshaltung aus einer Paarbeziehung heraus entstanden ist, kann man damit arbeiten, miteinander sprechen, Kompromisse finden. Aber das hier ging tiefer. Es war ja auch auffällig, dass es seitens der Mutter nie massive Vorwürfe gegen den Vater gab. Nur gegen seine Familie, und diese Anschuldigungen wurden alle ausgeräumt. Das Gericht hat sich viel Zeit dafür genommen, allem nachzugehen. Nein, es ging um Festhalten und schließlich isolieren. Als die Mutter ankündigte, sie wolle nach Bayern umziehen, ohne dass der Umgang geregelt war, eskalierte die Situation schließlich.

Darf ein Elternteil ohne Einverständnis des anderen mit dem Kind umziehen, das scheint doch oft zu passieren?

Sicher gibt es das in der Realität, aber erlaubt ist es bei gemeinsamem Sorgerecht nicht. Natürlich kann das Gericht der Mutter keine Vorschriften machen, aber da es auch darum geht, die Beziehung zu beiden Eltern zu erhalten, kann das Gericht über das Aufenthaltsrecht neu entscheiden. Das sind die schwierigsten, die emotionalsten Entscheidungen, gerade wenn neue Partner da sind. Einwohnermeldeämter, Kindergärten und Schulen sind da auch zunehmend sensibilisiert, denn dort müssen am Ende beide Eltern unterschreiben.

Was, wenn der Kontakt von einem Elternteil hintertrieben wird?

In Fragen des Umgangsrechtes muss innerhalb von vier Wochen bei Gericht terminiert werden. Dieses sogenannte Beschleunigungsgebot gilt seit dem neuen Familienverfahrensgesetz seit 1. September 2009. Die Familienrichter wissen, dass jede längere Entfremdung schadet. Kommt es zu einem Umgangsbeschluss, ist darin immer eine Vollstreckbarkeitsklausel enthalten. Mittlerweile verhängen die Gerichte auch Ordnungsgelder.

Nun ist der Vater dabei geblieben, dass er Ella der Mutter gar nicht wegnehmen will, auch wenn er jetzt das Recht hat, über den Aufenthalt zu bestimmen. Er wollte einen normalen Umgang. Aber dieses gerichtlich niedergelegte Angebot hat die Mutter nie ergriffen.

Weil es eben aufseiten der Mutter ein Problem gibt, dass es ihr nicht möglich macht. Das ist genau das, was mir auch Sorgen macht. Wenn Ellas Mutter in dieser Situation schon so reagiert hat, was passiert dann, wenn sie an neue, echte Grenzen kommt?

Das Gespräch führte Birgit Ulbricht