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Hurerei im Bett des Kurfürsten?

Alten Akten zufolge soll es am Hof von Kurfürst Moritz Zwangsprostitution gegeben haben.

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© Elke Estel/Hans-Peter Klut

Ralf Hübner

Prostitution und sexueller Missbrauch am Dresdner Hof und Kurfürst Moritz ist tatverdächtig. Gänzlich bewiesen ist dessen Schuld zwar nicht. Dennoch ist der Fall im „Kriminalregister der Stadt Dresden“ aktenkundig. Das Stadtarchiv hat ihn in dem Band „in civitate nostra Dreseden (in unserer Stadt Dresden) –- Verborgenes aus dem Stadtarchiv“ veröffentlicht.

Mandy Ettelt vom Stadtarchiv spricht dabei von einem absoluten Glücksfall. Denn eigentlich sind in dem Kriminalregister nur Fälle von Bürgern der Stadt dokumentiert. Für Kleriker, Adlige, Angehörige des Hofes oder auch Juden waren hingegen die geistlichen Gerichte oder das Gericht des Landesherrn zuständig. Ein Blick hinter die Kulissen der gehobenen Gesellschaft ist so nur möglich, wenn etwa bei einem Verfahren einer der Beteiligten in seiner Aussage über das Leben bei Hofe plauderte.

Das war im Fall der Marthe Lange so, die wegen mehrfachen Diebstahls und Hehlerei vom Stadtgericht zum Tod durch den Strang verurteilt und 1554 hingerichtet wurde. Diebstahl, Mord, Ehebruch, Unzucht, Bigamie sowie Hurerei galten im 16. Jahrhundert als todeswürdig. Marthe Lange nun hatte teils bei „gutlicher Frage“, teils bei „scharfer Frage“ gestanden. Auf gut Deutsch: Die Frau wurde gefoltert.

In ihrer Aussage berichtete sie unter anderem von dem Hurenmädchen Sibilla, die ihr im Vertrauen das Herz ausgeschüttet haben muss. Hurenmädchen ist in dem Falle möglicherweise irreführend. Denn schon damals war die Prostitution nicht immer freiwillig. Und das scheint auch bei Sibilla der Fall gewesen zu sein. Denn wie es weiter heißt, wurde sie von den Kupplern Seidensticker und Otilia Klotzsche eingekleidet, mit Alkohol gefügig gemacht und Kurfürst Moritz zugeführt. Welche Beziehungen von den Kupplern zum Hof bestanden, ob diese Art der Beschaffung von Frauen für das Geschlechtsleben des Renaissancefürsten damals üblich war, wie die Mädchen möglicherweise ausgewählt wurden und wie Sibilla in diese Situation geriet, ist nicht bekannt. „Wir wüssten da auch gern mehr“, sagt Ettelt.

Der Schilderung zufolge kam Sibilla im Bett des Kurfürsten wieder zu sich und soll darüber nachgedacht haben, wie sie nur dorthin gekommen sei und wie sie wieder wegkönne. Doch Moritz blieb unbarmherzig. Es soll sie aufgefordert haben, sich ihm zuzuwenden. Aber sie wollte wohl nicht und so bedrohte er das Mädchen und ließ einen Teufel vom Bett herabfallen. Was damit gemeint sein könnte, ist ebenfalls nicht bekannt. Möglicherweise eine Art Gewand, mit dem er dem Mädchen Angst machen wollte, vermutet Ettelt.

Am nächsten Morgen ließ der Kurfürst der Erzählung zufolge das Mädchen in die Herberge zurückbringen und drei Tage später noch einmal holen. Er habe die ganze Nacht seine „ubung mit ihr vorbracht“, wie es heißt. Schließlich soll er auch dem jungen Grafen zur Barby befohlen haben, ebenfalls „sein unczucht mit ihr zu haben“.

Kurfürst Moritz (1521–1553) zählt in der sächsischen Geschichte zu den absoluten Schwergewichten. Er war einer der mächtigsten Reichsfürsten und im Heiligen Römischen Reich der große Gegenspieler von Kaiser Karl V.. Im Schmalkaldischen Krieg (1546–1547) hatte er diesem jedoch gegen die protestantischen Fürsten beigestanden und war dafür mit der Kurwürde belohnt worden.

Unklar ist, was am Bericht der Marthe Lange den Tatsachen entspricht. Moritz und Sibilla konnten nicht mehr befragt werden. Das Mädchen war in einem Krieg damals schon ums Leben gekommen und der Kurfürst im Jahr zuvor in der Schlacht bei Sievershausen gefallen. Womöglich wollte Marthe Lange mit ihren Aussagen erreichen, dass ihr der Strang erspart blieb und sie durch das Schwert hingerichtet würde. Erhängen galt im Mittelalter als unehrenhaft. Der Dresdner Hof entsprach ihrem Gesuch. Das könnte dafür sprechen, dass ihr Bericht glaubwürdig erschien.