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Horst und die Täubchen

Horst Tischer (80) aus Lückersdorf züchtet seit über 65 Jahren Rassegeflügel. Dabei geht es um Leidenschaft und Liebe.

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© René Plaul

Von Ina Förster

Lückendorf. Im Garten hinterm Haus gurren die Tauben. Horst Tischer ist mit der Gießkanne unterwegs und füllt unermüdlich Wasser in kleine Schüsseln. Das Thermometer zeigt schon gegen 10 Uhr vormittags 27 Grad in Lückersdorf. Und genau das bedeutet Badetag für seine Lieblinge. Die Deutschen Schautauben flattern vorsichtig an und stürzen sich in die Mini-Fluten. Man möchte am liebsten gleich mittun.

„Bei dieser Hitze brauchen die Tauben das“, sagt der Senior. „Da geht es ihnen wie uns!“ Vor ein paar Tagen erst hat er seinen 80. Geburtstag gefeiert. Auf einer seiner Volieren flattert noch ein vereinsamter Luftballon mit der Zahl darauf im Wind. Ein Überbleibsel von der großen Party am Montag. Horst Tischer ist bekannt wie ein bunter Hund. Nicht nur in Lückersdorf. Rassegeflügelverein, Feuerwehr, früher fuhr er noch Ski und trieb viel Sport. Kein Wunder, dass der Garten voll war. Am Kirschbaum neben der Voliere grinst Horst Tischer nun sein eigenes lustiges Konterfei aus Pappmaché an. „Hat mein Enkel gebastelt“, lacht er. Eine nette Vogelscheuche gibt der Papp-Horst ab. Ja, Spaß muss sein. Seine acht Zuchttaubenpärchen haben vom Trubel wenig mitbekommen. Oder sich nicht stören lassen. Die Deutschen Schautauben blau mit schwarzer Binde und in gelbfahl haben es dem Rentner angetan.

200 frische Eier im Jahr

Seit 1956 schon. Solange züchtet er diese Rasse. Noch um einiges länger überhaupt Tauben. Das hat etwas mit Leidenschaft und Liebe zu tun. Mit Fürsorge für die Tiere. Mit Erinnerungen an die Jugend, an seine Eltern, die ihm das erste Zuchtpärchen schenkten. Damals – als in den Nachkriegsjahren eigentlich sogar das eigene Essen knapp war. „Ich erinnere mich noch ganz genau daran, wie meine Mutter mit den Strassertauben in der Tür stand und sie mir übergab. Das machte mich stolz“, sagt er. Seitdem gab es kein Halten mehr. Es wurde Platz geschaffen, wo Platz war. Zeit freigeschaufelt, wo eigentlich keine war. Er stammte aus einem großen Hof mit Landwirtschaft in Petershain. Da musste jeder mit anpacken von der Familie. Wenn der junge Horst sich seinen Tauben widmete, dann war das aber mehr Hobby als Arbeit. So hat er es bis heute gehalten. Immer schön gemütlich. Kein Stress! Im eigenen Haus, das er und seine Brunhilde 1963 in Lückersdorf bezogen, konnten später größere Zucht-Träume geschmiedet werden. Hier war dann sogar noch Platz für einige Zwerghühner. Die Zwerg-Wyandotten liefern noch heute bis 200 frische Eier im Jahr. Für seine Familie, die Nachbarn, Bekannte und Verwandte. Die Tischers haben immerhin allein sieben Enkel und sechs Urenkel. Langweilig wird es hier an der Kamenzer Straße nie. Und Horst Tischer kennt Müßiggang nicht. Auch wenn er sich heute nach dem Aufstehen und nachdem er seinen Täubchen den Schlag geöffnet hat, meistens einfach noch einmal hinlegt. „Und dann muss ordentlich gefrühstückt werden“, sagt der Senior. Ehe der große üppig blühende Garten wartet und seine Tiere.

Übergabe an Jüngere

Früher war das anders. Da lief die Uhr automatisch schneller am Tag. Zu tun gab es viel. Neben der Arbeit als Zimmermann warteten nach Feierabend die Hobbys. Der heute 80-Jährige war es auch, der zu DDR-Zeiten die legendären Geflügelschauen im Wiesaer Kulturhaus leitete. Hier kamen Züchter aus dem gesamten damaligen Bezirk Dresden zusammen. Das kostete viel Zeit, aber es brachte einen weiter. „Wenn wir unsere Schauen durchführten, liefen Politiker und Funktionäre von Stadt und Kreis bei uns zusammen“, erinnert sich der heutige Rentner: „Die Hochachtung war berechtigt, wir waren schließlich wichtiger Faktor in der Fleischversorgung.“ Heute lässt sich auf den Schauen im kleinen Lückersdorf und in der Umgebung nur selten ein wichtiger Mensch aus Stadt oder Gemeinde sehen. Vielleicht zu einem Jubiläum. Das sei schade, aber der Lauf der Dinge, weiß er. Auch, dass die Jugend wenig für die Züchterei übrig hat. Unter Nachwuchs läuft heutzutage jemand, der jenseits der 40 ist. Bereits seit 1956 ist Horst Tischer Mitglied im Rassegeflügelverein Kamenz und Umgebung 1879. Den Job des Ausstellungsleiters möchte der 80-Jährige im Herbst ein letztes Mal übernehmen, dann übergibt er an die Jüngeren.

Mit der Zucht soll aber noch nicht Schluss sein. Das ist er seinen Schautauben schuldig. Die sind mittlerweile pitschenass und hocken sich zufrieden zum Nichtstun auf die Stangen. „Zucht bedeutet übrigens nicht nur Füttern, sondern vor allem Beschäftigung mit den Tieren.“ Spricht‘s und erzählt ihnen was vom Wetter .