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Hilferuf der Ehefrau

Ex-Europameister Eduard Gutknecht fiel nach seinem letzten Kampf ins Koma und ist nun für immer auf Pflege angewiesen.

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© action press

Von Thomas Wolfer

Eduard Gutknecht ist kaum wiederzuerkennen. Der einstige Profiboxer sitzt abgemagert in einem Rollstuhl, die Haut wirkt blass, der Blick ausdruckslos. Es ist ein bedrückendes Foto, das seine Ehefrau Julia am Wochenende veröffentlichte. Freiwillig tat sie das nicht, vielmehr ist es ein verzweifelter Ruf nach Hilfe für einen Sportler, der seine Leidenschaft fast mit dem Leben bezahlt hätte.

„Wir müssen glücklich darüber sein, dass er lebt. Er bekommt mit, dass wir da sind. Er erkennt uns, da sind wir sicher“, sagte Julia Gutknecht den Online-Portalen boxenplus.de und boxwelt.com: „Ich verwende die letzte Kraft, die mir geblieben ist, Eddy so gut wie möglich zu unterstützen, ihn zurück ins Leben zu holen und gleichzeitig für unsere drei Kinder da zu sein.“ Die Gutknechts haben zwei Söhne – acht und sieben Jahre alt – sowie eine dreijährige Tochter. Der ehemalige Europameister (35) war nach seinem letzten Kampf im November 2016 im Supermittelgewicht gegen den Briten George Groves mit schwersten Kopfverletzungen kollabiert. In London wurde er wegen einer Gehirnschwellung notoperiert, später verlegte man ihn nach Hannover, wo er mehrere Wochen im künstlichen Koma lag. Dieser 36. Profikampf wird sein letzter bleiben. Zumindest im Seilgeviert.

Denn der gebürtige Kasache ringt zunächst einmal um eine Rückkehr in ein halbwegs geordnetes Leben. Die rechte Hirnhälfte des einstigen Modellathleten ist nach Familienangaben fast komplett beschädigt. Dazu, so heißt es, kommen mehrere Einklemmungen und immer wieder Schlaganfälle im gesamten Bereich des Gehirns. „Die Ärzte haben gesagt, dass er wohl oder übel für immer auf Pflege angewiesen sein wird“, sagt Julia Gutknecht.

Die Verletzung sei einfach zu schwer, „und selbst nach dieser langen Zeit macht er zu wenige Fortschritte“, sagt sie weiter: „Ich hoffe darauf, dass er mich wieder in den Arm nehmen wird und sagt: ’Schatz, ich liebe dich, und wir haben drei wundervolle Kinder‘. Zurzeit kann er sich manchmal durch Kopfnicken verständigen.“

Die Ärzte haben der Familie versichert, es sei ein Wunder, dass Gutknecht den Abend im November überhaupt überlebt hat. Trotzdem stellen sich die Angehörigen viele Fragen. Zum Beispiel, ob der Kampf nicht viel eher hätte abgebrochen werden können. „Vielleicht wäre dann wenigstens die Möglichkeit auf ein selbstständiges Leben garantiert. Bei dem Ausmaß solcher Verletzungen zählt jede Minute“, sagt Julia Gutknecht.

Ihr Mann kann weder laufen noch sprechen – und fordert den ganzen Einsatz der Familie. Nicht nur emotional, auch finanziell ist die Belastung groß. „Was ich verkaufen konnte, habe ich verkauft“, sagt Julia. Der Promoter von Gegner George Groves habe sich gemeldet, er möchte demnächst ein paar Spenden überweisen. Auch Freunde und Fans sammeln Geld. Bei Gutknechts ehemaligem Promoter sieht die Lage anders aus. „Mit Eddys Promoter haben wir keinen Kontakt mehr. Die Verbindung ist abgebrochen“, sagt Julia. Die Kritik geht an die Adresse von Winfried G. Spiering, Geschäftsführer und Promoter des „Winking-Boxstalls“ in Berlin, für den Eduard Gutknecht zuletzt kämpfte. Ihrem Mann kann Julia Gutknecht allein keine finanzielle Absicherung bieten. Deshalb sucht sie nach Auswegen: „Unser Zuhause muss behindertengerecht umgebaut werden.“

Julia Gutknecht wirkt verzweifelt, doch für das Wohl ihres Mannes will sie kämpfen – und verteidigt deswegen auch den Gang an die Öffentlichkeit. „Ich weiß, dass viele Fans und Freunde mich dafür verurteilen werden, dass ich Bilder von ihm veröffentliche und um Hilfe bitte“, sagt sie: „Mein Wunsch ist es, dass mein Mann bei allen im Herzen der Eddy bleibt, den sie kennen, und dass sie ihm seine Privatsphäre lassen. Leider habe ich keine Wahl. Nur so kann ich Eddy die Möglichkeit geben, sich weiterzuentwickeln und nicht alles so hinzunehmen.“

Dem jungen Mann, der als Amateur den heute beinahe unantastbaren Mittelgewichts-König Gennadi Golowkin, Weltmeister in vier Verbänden, besiegte, blieben in seiner professionellen Karriere die ganz großen Erfolge versagt. Die wichtigen Duelle gegen die deutsche Konkurrenz – zweimal gegen Jürgen Brähmer, einmal gegen Robert Stieglitz – verlor er. Sein größter Kampf steht jetzt erst bevor. Seiner Frau kann dabei jede Hilfe recht sein. Julia Gutknecht hat gleichzeitig mit den erschütternden Fotos ihres Mannes ein Spendenkonto öffentlich gemacht. (sid/mit ald)

Mehr unter www.boxenplus.de