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Hier wird keine ruhige Kugel geschoben

Freitals Kegler sind zurück in der Zweiten Bundesliga – mit einem jungen Fast-Weltmeister im Kader. Einige Spieler nehmen stundenlange Anreisen in Kauf, um hier anzutreten.

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© Karl-Ludwig Oberthür

Von Stephan Klingbeil

Freital. Zack – der Wurf hat gesessen. Und auch mit seinem nächsten Versuch räumt Michael Kubitz alle neune ab. Die 2,5 Kilogramm schwere Kugel rauscht mit 42 Stundenkilometern über die rund 20 Meter lange Bahn in das Holz. Noch einmal, und er hat das sogenannte „Diplom“ sicher. Dann müssten die anwesenden Männer vom KSV 1991 Freital jeweils 50 Cent in die Vereinskasse zahlen. Doch das bleibt diesmal aus, obschon so ein Triple nicht unmöglich ist. Vor allem dann, wenn man wie bei Kubitz sichtlich Spaß am Classic Kegeln hat.

Das sind Freitals Zweitliga-Aufsteiger: Ralf Jordan, Sven Keil, Mirko Knöpchen, Ingolf Schöne, Lucas Dietze, Jörg Gotthardt, Michael Kubitz (v.l.o.n.r.u.). Zum Fototermin nicht anwesend war Frank Gonzalez Fresnedo.
Das sind Freitals Zweitliga-Aufsteiger: Ralf Jordan, Sven Keil, Mirko Knöpchen, Ingolf Schöne, Lucas Dietze, Jörg Gotthardt, Michael Kubitz (v.l.o.n.r.u.). Zum Fototermin nicht anwesend war Frank Gonzalez Fresnedo. © Karl-Ludwig Oberthür

Der 32-Jährige wohnt in Neueibau, anderthalb Autostunden entfernt, an der deutsch-tschechischen Grenze im Landkreis Görlitz. Jeden Dienstag fährt er zum mehrstündigen Training der Ersten und Zweiten Männermannschaft nach Freital. Auf der Anlage in Kegelgaststätte „Alle Neune“ hinter dem Stadion des Friedens feilt er wie die anderen Aktiven hier aus Freital, Possendorf, Dresden, Weinböhla und Leipzig an seinem Wurf. Wie die Klubkollegen, schätzt er den Teamgeist beim KSV, das Miteinander, den sportlichen Reiz.

Da nimmt er die lange Anreise in Kauf. „Das sportliche Niveau ist hier schon ein anderes“, erklärt Kubitz, der zu den besten KSV-Keglern der abgelaufenen Saison zählte. In keiner Partie der Disziplin 120 Wurf war er unter 600 Punkten geblieben. Das ist wahrlich nicht schlecht. Da seine Teamkollegen im Kader mit sechs Spielern und zwei Ersatzleuten ebenfalls für viele Erfolge sorgten, schaffte der KSV Historisches.

Der Verein

Der Kegelsportverein 1991 Freital entstand vor 26 Jahren. Der Gründung folgte 1994 eine Fusion von SV Blau-Weiß Freital, SV Grün-Weiß Freital und TSG Freital-Dölzschen. Heimstätte ist die Kegelbahn „Alle Neune“.

Über 50 Jahre zurück liegen die Wurzeln des KSV. Mit Unterstützung des Edelstahlwerks wurde 1951 die BSG Stahl Freital gegründet, denen sich dann bis zu 240 Kegler anschlossen.

Nach der Wende löste sich die BSG auf. Unter dem Namen SV Blau-Weiß wurde bis zur Fusion weitergekegelt.

103 Mitglieder kegeln in den jeweils zwei Männer- und Seniorenteams sowie in der Frauenmannschaft, zudem trainieren donnerstags 20Kinder dort.

Kontakt: KSV 1991 Freital, Burgker Str. 4, 01705 Freital, Tel. 03516492118, Mail: [email protected], Internet: www.ksv-freital.de

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Denn in diesem Frühjahr wurden sie erstmals Landesmeister (120 Wurf). Als Sieger der Verbandsliga, der höchsten Spielklasse im Freistaat, qualifizierten sich die Freitaler schließlich für die Aufstiegsspiele für die Zweite Bundesliga. Bei dem Turnier in Zwickau, auf neutralem Boden, setzte sich der KSV klar gegen Thüringens Meister Carl Zeiss Jena und Blau-Weiß Deutzen durch. Letzterer hatte sich das Ticket für das Aufstiegsturnier als Deutschen Meister in der Disziplin 200 Wurf gesichert. Hinter Freital stiegen die Randleipziger mit auf. Für den KSV 1991 war es die Rückkehr in die zweithöchste Spielklasse Deutschlands – nach einem Fast-Aufstieg in die deutsche Elite-Liga 2015 und dem Abstieg im Jahr darauf. Am Ende der Saison 2014/15, in der es der KSV überraschend bis in das Viertelfinale des Deutschen Pokals geschafft hatte, hätte der damalige Zweitligist (200 Wurf) als Tabellenvierter in die Erste Liga aufsteigen dürfen. Der Aufstiegsverzicht der drei besserplatzierten Teams hätte dies eigentlich ermöglicht.

Doch darauf wurde dann doch nichts. Denn der KSV hatte sich vorab auch für den Umstieg in das künftig allgemein auf Bundesebene geltende 120-Wurf-Spielsystem entschieden, was unerwartet zur Hürde wurde, sagt Sportvorstand Jörg Gotthardt. Der aus Sachsen-Anhalt stammende, ehemalige DDR-Jugendmeister aus Wolfen sagt, er hätte gerne mal in der Ersten Liga gespielt. „Wir hatten damals gedacht, dass es bis zur generellen Umstellung auf das 120-Wurf-System noch ein Jahr länger dauert, so hätten wir zunächst in die Erste Liga aufsteigen und im Jahr darauf in das neue System wechseln können“, sagt der Wahl-Freitaler, der diesen Mittwoch 50 wurde.

Nach dem versagten Aufstieg und dem erneuten Start in der Zweiten Liga – aber in dem neuen Spielsystem – lief es in der Saison 2015/16 nicht mehr so rund. Am Ende musste der KSV absteigen. Das war eine bittere Erfahrung. Doch das Team meldete sich eindrucksvoll zurück und packte den sofortigen Wiederaufstieg. Nun zähle für das Team nur der Klassenerhalt.

Überhaupt war die abgelaufene Spielzeit eine sehr erfolgreiche für den Verein. So erkämpften sich die Frauen des KSV den Supercup der Kreismeister. Im Mai traten sie in Pirna gegen den Ersten der anderen Kreisstaffel an, den KSV Neustadt. Freital gewann mit 1 597 zu 1 543 Holz gegen Neustadt – und spielt damit fortan höherklassig auf Bezirksebene.

Der Sprung in die nächsthöhere Spielklasse, in die Bezirksliga, gelang auch dem Zweiten Männerteam. Dabei gewann die KSV-Reserve alle ihre 14 Partien. Doch auch der Nachwuchs präsentierte sich einmal mehr ganz stark. Freitals Kreismeisterin Aline Ott errang etwa sensationell Bronze bei der Deutschen U-14-Meisterschaft. Und Kreismeister Lucas Dietze gelang sogar ein noch größerer Coup.

Der 18-Jährige aus Freital wurde vor wenigen Wochen mit der Deutschen Nationalmannschaft (U 18) im badischen Dettenheim Vize-Weltmeister. Dabei lag die Auswahl vor seinem Einsatz auf Rang vier. Im Schlussspurt kam Dietze ins Spiel und hievte die Deutschen sogar auf den Spitzenplatz, die damit Bronzemedaillengewinner Kroatien und Serbien hinter sich ließen. Da aber dann ein Österreicher mit starken 650 Zählern abschloss, holte sich der Nachwuchs der Alpenrepublik knapp den Titel – mit nur 16 Punkten Vorsprung.

Wie seine Vereinskollegen ist Dietze sehr stolz. „Vize-Weltmeister, das hört sich doch gut an“, sagt der Tischlerlehrling. Er will sich jetzt bei der deutschen U 23 beweisen, dem KSV in der Zweiten Liga unterstützen – und trainiert auch im Sommer, also außerhalb der Saison, extrem fleißig. Wie er, kamen viele im Klub schon als Kinder, über die Schule oder über Freunde, zum Kegelsport. Auch heute ist das so.

Anders als im Männerbereich gibt es bei den Frauen Nachwuchssorgen. Gerade dann, wenn junge Spielerinnen ihren Fokus auf Ausbildung oder Beruf legen, hören viele auf. So wie zuletzt Michelle Mückan, die einst Jugend-Landesmeisterin und Bezirksmeisterin war. Der KSV muss solche Entscheidungen hinnehmen und hofft auf neue Talente. Jeden Donnerstag, ab 15.30 Uhr, bietet KSV-Trainerin und Kreisjugendwartin Silvia Burkhardt dazu ein Training auf der 1978 erbauten, 2008 fertig sanierten, erstligatauglichen Kegelanlage an. Und wer weiß – vielleicht dauert es nicht mehr lange, bis ein Talent den Bahnrekord von Sven Keil (645 Holz) knackt.