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Heilpraktikerin setzt auf deutsche Blutegel

Martina Höllerl ist eine der wenigen im Landkreis Meißen, die mit den Tieren Schmerzen und Entzündungen behandelt. Dabei ist sie sehr patriotisch.

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© Klaus-Dieter Brühl

Von Jörg Richter

Lampertswalde. Wenn Patienten zum Arzt gehen, sollten sie sich vorher waschen. Das gehört sich so und ist auch für den Mediziner angenehmer. Wenn Martina Höllerl zu ihren Blutegel-Tagen in ihre Lampertswalder Heilpraxis einlädt, sollen ihre Patienten auf Körperhygiene verzichten. Drei Tage lang sollen sie weder Seife, Duschbad noch Hautcreme verwenden. Wenn es geht, sollen sie sich einen Tag vor der Behandlung noch nicht mal mit Wasser waschen. Stinken erwünscht. „Damit die Haut auch nach Mensch riecht“, sagt die Heilpraktikerin. „Das zieht die Blutegel an.“

16 Stück dieser kleinen Weichtierchen hat sie sich in dieser Woche schicken lassen. Eingenäht in einem feuchten Stoffbeutel, der in einer Styroporschachtel steckte. Absender: die Bibertaler Blutegelzucht GmbH in Hessen. Das ist einer von nur zwei Betrieben in Deutschland, die den Hirudo medicinalis (den medizinischen Blutegel) züchten. „Ich verwende nur Tiere von deutschen Anbietern“, sagt Martina Höllerl. Die ansonsten sehr weltoffene Lampertswalderin fügt lachend hinzu: „Ich bin ein Blutegel-Nationalist.“ Sie will im Interesse ihrer Patienten sicher sein, dass die Tiere nicht mit Keimen verunreinigt oder schon einmal für therapeutische Zwecke benutzt worden sind. Denn das wäre in Zeiten von Aids fatal. In Deutschland gelten Blutegel als medizinische Fertigarzneimittel und unterliegen strengen Vorschriften. „Darauf verlass ich mich, weil ich keine Experimente eingehe“, sagt die 50-Jährige.

Obwohl die Blutegeltherapie zu den ältesten Heilmethoden zählt, wird sie meist nur von Naturheilpraktikern angeboten. „Aber auch die Schulmedizin entdeckt diese Methode zunehmend wieder für sich“, sagt Martina Höllerl. Das Problem sei, dass es sensible Lebewesen sind, die nicht immer zubeißen, wenn sie sollen. Nicht nur Seife, sondern auch scharfes Essen mit Pfeffer, Knoblauch oder Zwiebel dämpft den Appetit der Blutsauger. Und auch Alkohol sollten Patienten drei Tage lang nicht getrunken haben, wenn sie mit den Parasiten behandelt werden möchten. Zudem ist vorher schlecht kalkulierbar, wie lange eine Behandlung dauert. Manche Blutegel saugen sich schnell voll; manche brauchen bis zu drei Stunden, ehe sie sich gesättigt fallenlassen.

Martina Höllerl benutzt Schröpfgläser, um die Tierchen zu fixieren. „Denn ich möchte, dass sie an einem bestimmten Fleck anbeißen“, erklärt sie. Zum Beispiel bei Krampfadern oder Gelenkschmerzen unmittelbar daneben. Oder bei Bluthochdruck auf die Reflexzone auf dem Rücken, oberhalb des Beckens. Selbst Tinnitus ließe sich mit den kleinen Blutsaugern behandeln. Dann werden sie unterhalb der Ohren angedockt. „Da muss man aber aufpassen“, sagt Martina Höllerl, „denn Blutegel verschwinden gern in die nächstgelegene Körperöffnung.“

Die Lampertswalderin, die seit zehn Jahren eine offiziell vom Landratsamt genehmigte Heilpraxis betreibt, registriert ein gestiegenes Interesse an der Blutegel-Therapie. „Immer mehr Leute fragen danach, wissen aber nicht, wo sie das machen lassen können“, sagt sie. Für ihre Blutegel-Tage in dieser Woche gab es mehr Nachfragen als Terminmöglichkeiten.

Nach der Behandlung werden die Blutegel eingefroren. Für Martina Höllerl ist das die sanfteste Methode, sie zu töten. „Doch wer möchte, kriegt seinen Blutegel auch mit nach Hause“, sagt sie. Das wissen ihre Patienten schon vorher. Wenn sie sie als medizinischen Blutegel für sich selbst wiederverwenden möchten, sollen sie ein Gurkenglas mit abgekochtem Wasser mitbringen. Keins direkt aus der Leitung, denn da ist Chlor drin. Die weitere Pflege der Tierchen ist einfach. Einmal pro Woche soll das Wasser gewechselt werden. Außerdem sollen kleine Kieselsteine ins Glas, damit sie sich häuten können. Und ein ruhiger, dunkler Platz tut ihnen auch gut. Erst nach sechs bis acht Monaten kriegen die Tiere wieder Hunger und sind bereit für die nächste Behandlung.