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Gute Laune im Laster

An Sonn- und Feiertagen gilt ein Lkw-Fahrverbot. Gegen die Langeweile lassen sich die Trucker einiges einfallen.

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© Christian Juppe

Von Christoph Springer

Eisiger Wind jagt Neuschnee über den Beton. Es ist bitterkalt. Auf dem großen Parkplatz der Autobahnraststätte Dresdner Tor in Richtung Osten stehen 83 Laster. Viele haben polnische Kennzeichen, einige auch tschechische, rumänische und slowakische. Dazwischen stehen vereinzelt Trucks aus Spanien, Litauen und Holland. Deutsche Lkws sucht man fast vergeblich. An den meisten sind die Gardinen in den Fahrerhäusern zugezogen. „Ich schlafe“ oder wenigstens „lasst mich in Ruhe“, geben die Fahrer damit zu verstehen.

Im gelben Mercedes-Lkw wartet Istvan auf dem großen Raststättenparkplatz auf das Ende des Fahrverbots.
Im gelben Mercedes-Lkw wartet Istvan auf dem großen Raststättenparkplatz auf das Ende des Fahrverbots. © Christian Juppe

Wer jetzt trotzdem stört, muss dafür einen wirklich guten Grund haben. In der Mitte der 200 Meter langen Parkreihe mit ausländischen Lastern steht ein gelber Mercedes mit deutschem Kennzeichen. Die Gardine ist offen. Der Fahrer drückt auf den Fensterheber-Knopf. „Istvan“, stellt er sich vor, seinen Nachnamen nennt er nicht. Istvan ist 46 Jahre alt und fährt für eine Spedition im Nordschwarzwald. „Ich stehe seit 30 Stunden hier“, sagt er in gebrochenem Deutsch. Im T-Shirt lehnt er sich aus dem Beifahrerfenster. Es ist Sonntag gegen Elf. Bis er weiterfahren darf, muss Istvan noch fast elf Stunden warten. Nur Laster mit verderblicher Ware oder Sondergenehmigung sind jetzt unterwegs. Für Istvan gilt ein Fahrverbot. Danach müssen Lkws wie seiner an Sonn- und Feiertagen von 0 bis 22 Uhr auf einem Parkplatz stehen. Eine verordnete Pause, die mit den festgelegten wöchentlichen Ruhezeiten bis zu 45 Stunden lang werden kann.

45 Stunden Langeweile? Istvan lächelt und wedelt mit seinem Handy. Er telefoniert viel. Einen Laptop hat er auch im Fahrerhaus. Damit kann er Filme ansehen und spielen. „Essen gehe ich in die Raststätte“, sagt der 46-Jährige und zeigt Richtung Tankstelle. Kaffee kann er sich wie jeder Trucker selbst kochen. Das Restaurant am anderen Ende des Parkplatzes meidet er. Es ist ihm zu teuer.

Thomas Soldat ist der Chef der Tankstelle mit angeschlossenem Imbiss. Zwei Männer- und eine Frauendusche gibt es dort für die Trucker. Ein Duschgang kostet 2,50 Euro. Gleich neben den Duschen im Imbiss gibt es einen verglasten Raum mit Stehtischen und zwei Spielautomaten. Dort darf beim Kaffee auch geraucht werden. „Das war mal ein Konferenzraum, wir haben die Rauchmöglichkeit geschaffen, weil der Bedarf bestand.“ Dennoch ist der Raum leer. Soldat weiß, warum das so ist: „Das Leben der Lkw-Fahrer hat sich total verändert“, sagt der Tankstellenpächter. „Früher sind sie mit Clogs und Goldkettchen in die Raste gekommen, um hier zu essen. Solche Angebote nehmen sie heute aber nicht mehr wahr“, hat er beobachtet. „Die haben Gaskocher, kaufen höchstens mal eine Kartusche und machen sich ihr Essen selber warm.“ Die Truckerromantik sei Geschichte. Wie zum Beweis läuft ein Lkw-Fahrer mit einem weißen Kanister in Richtung Tankstellenraststätte. Er braucht frisches Wasser für seine Kaffeemaschine.

Auf dem Parkplatz stoppt ein polnischer Pkw. Der Fahrer steigt aus und spricht mit einem Landsmann, der aus einem Sattelzug geklettert ist. Dann öffnet er die Heckklappe und liefert dem Trucker ein Paket Wasserflaschen, eine neue Gasflasche für seinen Kocher und Konserven. Die Spedition, für die der Trucker fährt, liefert ihren Mitarbeitern unterwegs das Nötigste. Reden wollen die Männer nicht.

Dimitri hat mehr Lust auf Konversation. Der Litauer öffnet seine Fahrertür, grüßt Russisch und zieht an seiner Zigarette. Seit 36 Stunden steht er auf dem Parkplatz. Sein Lkw ist leer, er muss nach Dresden und Heidenau, um Ladung abzuholen. Vier Wochen am Stück ist er auf Achse, dann zwei Wochen zu Hause. „Die Arbeit ist gut, bei uns gibt es nur wenig Arbeit“, sagt Dima. So nennt sich der 40-Jährige selbst.

Dima gehört zu den Truckern, die nur zum Waschen und Zähneputzen in eine Raststätte gehen. „Ich habe alles hier“, deutet er auf sein Fahrerhaus. Dort hat er es sich gemütlich gemacht und die Schuhe ausgezogen. Auch Dima hat einen Laptop, der ihm als Fernseher dient. „Viel schlafen“, sagt er noch auf die Frage, wie er die Wartezeit erträgt. Erst am nächsten Morgen wird er weiterfahren. Jetzt ist Sonntagmittag. Dima drückt die Zigarette aus und verabschiedet sich. Dann zieht er den Vorhang zu und schließt die Tür. Es ist Schlafenszeit auf dem Lkw-Parkplatz.