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Gute Geschäfte mit der Gier

Ein 28-jähriger Betrüger gesteht, knapp 300 000 Euro ergaunert zu haben.

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© ronaldbonss.com

Von Alexander Schneider

Ebay-Auktionen für private Käufer, Restposten-Fake-Shops für Firmenkunden und nicht zuletzt Kapitalanlage-Angebote für ganz potente Interessenten – ein 28-jähriger Angeklagter, der sich seit Mittwoch vor dem Landgericht Dresden verantworten muss, hat mit verschiedenen Betrügereien knapp 300 000 Euro erbeutet. Nach Überzeugung der Staatsanwaltschaft ist das jedoch nur ein Teil aller krummen Geschäfte des einschlägig vorbestraften Täters, gegen den noch weitere Ermittlungsverfahren anhängig sind.

Am Mittwoch hat der Prozess gegen Paul L., einen 28-jährigen Brandenburger, begonnen. Er muss sich wegen schweren Betruges in Dutzenden Fällen vor dem Landgericht Dresden verantworten. Erst Ende November vergangenen Jahres ist der Angeklagte von Brasilien an die deutsche Justiz überstellt worden, nachdem er dort 14 Monate in Auslieferungshaft gesessen hatte. L. macht einen eher unscheinbaren, betont ruhigen Eindruck, als ihn die Wachtmeister aus dem Haftkeller brachten und er neben seiner Verteidigerin Ina Becherer Platz nimmt.

Flucht nach Brasilien

Jahre hatte die Polizei nach dem Angeklagten gefahndet. Ende 2011 ist er nach Brasilien geflüchtet, nachdem es ihm in Dresden zu heiß geworden war. In wenigen Monaten hatte er mit Ebay-Betrügereien rund 18 000 Euro eingenommen – Punkt 1 der Anklage, die Oberstaatsanwalt Silvio Helmert nun verlas. L. verkaufte über die Plattform Handys, Fotoapparate und Computer – 69 Fälle.

In Recife/Brasilien hat Paul L. sein Geschäftsmodell verfeinert. 2012 eröffnete er sogenannte Fake-Shops. Auf Internet-Seiten mit Namen wie „Restposten-Insolvenzware24“ bot er gezielt Geschäftskunden Elektronik zum Schnäppchenpreis an – vor allem Smartphones und Tablet-PCs, im Bündel zu je drei bis zu elf Geräten. 21 Taten sind angeklagt mit einem Schaden von weiteren 27 000 Euro.

2013 dann der Kapitalanlagebetrug. L. warb im Namen einer frei erfundenen irischen Gesellschaft mit Sitz in Belize und Brasilien, für die er Immobilienprojekte realisiere und Renditen von 17 bis 25 Prozent anbot. Er ließ Broschüren drucken, erstellte ein professionelles Werbevideo, mietete Büroservice und Konferenzräume in Deutschland an. In Zeitungen und im Internet schaltete er Anzeigen, warb mit 20 Jahren Erfahrung, Umsätzen von Hunderten Millionen Euro, hundertprozentiger Steuerbefreiung. Fünf Kunden legten Beträge zwischen 3 000 und 110 000 Euro an – insgesamt 248 000 Euro.

Haftanrechnung: Faktor 1:2 bis 1:3

Die Anklage listet nicht nur die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft auf. Sie zeigt eine beängstigende Entwicklung des jungen Mannes in nur drei Jahren – und sie zeigt, wie gut Geschäfte mit der Gier laufen. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft gibt es weitere Ermittlungsverfahren wegen Betruges über Onlineshops, etwa in Detmold.

Nach einem Rechtsgespräch stellte Richterin Beate Ibler-Streetz, die Vorsitzende der Strafkammer, Paul L. für umfassende Angaben eine Freiheitsstrafe von bis zu sechseinhalb Jahren in Aussicht. Staatsanwalt Helmert baute Druck auf: Er hatte sieben Jahre gefordert und werde nur zustimmen, wenn L. auch Angaben zu seinen Komplizen macht – die Beweise seien erdrückend. Für die Frage der Schuld sei das Geständnis nicht erforderlich.

L. musste schlucken, wollte diesem Deal zunächst nicht zustimmen. Erst Verteidigerin Becherer überzeugte den 28-Jährigen im Haftkeller, dass er mit Schweigen seine Lage nicht verbessern werde. Ein Punkt auf seiner Haben-Seite: Die lange Haft in Brasilien. Laut Becherer wiegen deutsche Gerichte einen Tag in einem brasilianischen Gefängnis mit zwei bis drei Tagen Haft in Deutschland auf.

Im Anschluss war L. an der Reihe. Er berichtete von seiner abgebrochenen Malerlehre und dass er 2011 in Zossen für Ebay-Betrug zu einer Jugendstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt wurde. In Dresden habe er bei seiner Freundin gelebt und sich eine Existenz aufbauen wollen. Aber schon ab Mai 2011 wieder Sachen verkauft, die er nicht hatte. „Das Geld war für den Neuanfang“, sagte er. Die Vorsitzende nahm ihm das nicht ab. Wie er in Brasilien auf die Idee des Kapitalanlagebetrugs gekommen sei, fragte sie. „Gute Frage“, antwortete Paul L. „Ich glaube, ich habe eine Reportage im Fernsehen gesehen, dann kam Kokain dazu und daraus entwickelte sich das Geschäft.“ Ob ihm das Gericht das abnimmt? „Sehr unscharf“ nannte Ibler-Streetz diese Aussage.

Unklar blieb auch, wofür L. das viele Geld ausgegeben hat. Er machte dazu wenig Angaben. Sein Lebensunterhalt in Recife und die Brust-Operation seiner Freundin allein, das kann es wohl nicht gewesen sein. Der Prozess wird fortgesetzt.