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Gut in Tritt

Mit zwölf Jahren ist Steffi Freudenberg schon dreifache deutsche Meisterin im Kickboxen. Ein Trainingsbesuch in Kampfsport Akademie Dresden.

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© Sven Ellger

Von Henry Berndt

Dresden. Liegestütze, Kniebeugen, Sit-ups, und wieder von vorn. Dabei immer laut mitzählen. Auf Japanisch natürlich. Niemand hat gesagt, dass dieser Nachmittag in der Kampfsport Akademie Dresden ein Zuckerschlecken werden würde. Von nichts kommt nichts. Dreimal in der Woche trainiert Steffi Freudenberg hier im Tao Fit an der Dohnaer Straße in Leubnitz-Neuostra. Selbst in den Pausen bearbeitet sie mit ihren Fäusten einen der schwarzen Sandsäcke, die hier von der Decke hängen. Der grün-weiße Gürtel um ihre Hüfte kann schließlich nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zum schwarzen sein. „Ich will irgendwann zur Weltmeisterschaft“, sagt sie. „Und dort auch gewinnen.“ Wie bitte? Den erstaunten Blick kontert sie mit einem selbstbewussten Nicken.

Drei goldene Pokale kommen nicht von ungefähr.
Drei goldene Pokale kommen nicht von ungefähr. © Sven Ellger

Wer nicht weiß, dass Steffi eine außergewöhnlich ehrgeizige und talentierte Kickboxerin ist, der könnte sich glatt in diesem Mädchen täuschen. Brille, Sommersprossen, 1,43 Meter klein – mit so jemanden möchte man eigentlich Sammelkarten tauschen oder Schlösser aus Lego bauen. Doch sobald Steffi auf der Matte in Aktion ist, weicht ihr kindliches Lächeln einem fast furchteinflößend strengen Blick. Sie schaltet in den Angriffsmodus, startet knallharte Schlagserien und tritt zu wie Chuck Norris zu seinen besten Zeiten. Spätestens jetzt will man ihr lieber freiwillig alle seine Sammelkarten schenken.

Erfolg in Serie

In ihrer Gewichtsklasse bis 35 Kilogramm macht Steffi in ganz Deutschland schon lange niemand mehr etwas vor. 2015, 2016 und 2017 wurde Steffi deutsche Meisterin. Beim nächsten Wettkampf am 30. September will sie nun zum ersten Mal in der Klasse bis 40 Kilo starten. Ihre Spezialität: Der Roundhouse-Kick, ein seitlicher Tritt, bei dem Steffis Fußspitze ganz locker auch den Kopf von deutlich größeren Kontrahenten trifft. Das gibt dann im Kampf gleich zwei Punkte. Für einen Körpertreffer wird ein Punkt angerechnet.

Glücklicherweise halten sich die Kickboxer in der Jugend noch etwas zurück und setzen eher auf Genauigkeit statt auf Härte. Der sogenannte „Vollkontakt“ ist erst bei den Erwachsenen angesagt. Das heißt aber längst nicht, dass sich nicht auch schon die Kleinen im Ring böse verletzen könnten. Der richtige Schutz ist daher Pflicht: Kopfschutz, Fußschutz, Schienbeinschutz, Zahnschutz und Boxhandschuhe sind nötig, bevor es zur Sache geht. So ausgestattet, hat sich Steffi noch nie ernsthaft wehgetan. Dabei steht sie schon im Ring, seit sie acht Jahre alt ist. „Meine große Schwester hat Karate gemacht, und ich wollte meinen eigenen Sport“, sagt die Schülerin der 64. Oberschule in Laubegast. Das Probetraining bei der Kampfsport Akademie machte auf Anhieb Spaß.

Der Talentschuppen wurde 1994 von Ronny Schönig gegründet, damals noch im XXL in Seidnitz. Der Sensei, das ist Japanisch für Lehrer, studiert seit 1986 traditionelle Kampfkünste und moderne Kampfsportarten. Natürlich trägt er auch im Kickboxen den schwarzen Gürtel. Ein Vorbild auch für Steffi.

Strenges Regiment

Sie blieb dran und holte sich einen Gürtel nach dem anderen. Weiß, Weiß-Gelb, Gelb, Weiß-Orange, Orange, Weiß-Grün. Im Dezember soll der Grüne fällig sein. Steffis Trainerin Lisa Winkler, die sie seit Anfang an begleitet, hat keinen Zweifel, dass ihr Schützling auch diese Aufgabe meistern wird. „Sie ist sehr zielstrebig und diszipliniert, kommt einfach immer zum Training“, sagt Lisa. „Aus kämpferischer Sicht zeichnen sie definitiv ihre präzisen Kicktechniken aus, mit dem sie schon einige Kämpfe für sich entscheiden konnte.“

Um das Talent voll auszuschöpfen, hilft nur üben, üben, üben. Ihre Freizeit ordnet Steffi komplett dem Kickboxen unter – mal abgesehen vom Freundetreffen und ein bisschen turnen. An der Leistungsspitze ist die Luft nun mal am dünnsten. Im Training herrscht auch deswegen ein strenges Regiment. Schwatznasen werden umgehend zur Ordnung gerufen. Konzentration! Erst Seilspringen, dann Schattenboxen mit Kurzhantel. Bei jedem Schlag stößt Steffi ein kurzes „Puh“ aus. Geballte Energie, um ihre Kraft noch mehr zu bündeln. Jetzt werden die Handpratzen aus den Schränken geholt, gepolsterte Stoßfänger für Partnerübungen. Heute steht etwas mehr Sparring auf dem Programm als sonst üblich, da bald der Wettkampf ansteht.

„Was steht ihr denn so rum?“, ruft Trainerin Lisa. „Seid ihr heute das erste Mal beim Training?“ Weiter geht’s. Die Pausen sind kurz, die Übungen intensiv. Im Kickboxen gibt es Hunderte verschiedene Schläge und Tritte, die nach und nach ins Repertoire der Kämper aufgenommen werden sollten. Selbst einige gesprungene Varianten hat Steffi mit ihren zarten zwölf Jahren schon drauf. Der arme Sandsack! Die armen Gegner!

Über der Tür des Trainingsraums steht ein Spruch: „Der Weg ist das Ziel.“ Auf der anderen Seite grüßen die Kickbox-Legenden vergangener Zeiten von Fotos. Motivation kann man nie genug haben.