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Gülle-Mief regt Lerchaer auf

Trockenheit und Wind tragen üble Gerüche vom Feld ins Wohngebiet. Das Wetter können die Bauern kaum berücksichtigen.

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© Claudia Hübschmann

Von Marcus Herrmann

Meißen. Warme Temperaturen und sonnenreiche Tage konnten viele Lerchaer zuletzt nicht nutzen, um ihre Wäsche draußen zu trocknen. Sie mussten drinnen bleiben. „Wenn man es doch versucht, kann man sie gleich noch mal waschen“, sagt Rosemarie Drubig, Bewohnerin am Bockwener Weg am südlichen Stadtrand.

Das Problem: Anfang der Woche haben Bauern auf einer nahegelegenen Ackerfläche Gülle als Düngemittel ausgebracht. Seitdem stinkt es rund um die Uhr. „Die Wäsche nimmt den Geruch an. Das ist schon nicht schön. Und normales Lüften ist ebenso eine Zumutung“, sagt die 78-Jährige. Dass es über viele Tage so heftig stinkt, sei eher ungewöhnlich. Das bestätigen auch andere Anwohner von Lercha wie der Meißner Stadtrat Andreas Graff (Die Linke).

Was ihn und Rosemarie Drubig aber mehr ärgert als der Gülle-Mief, ist die aus ihrer Sicht mangelnde Information zu den Arbeiten auf der Ackerfläche an der S 177. „Warum erfahren wir nicht, wer hier die Verantwortung trägt, welcher Dünger aufgebracht wird und wie lange es noch stinkt?“ fragt Graff. Stellvertretend für die Lerchaer hat er inzwischen eine Beschwerde an den Meißner Oberbürgermeister gerichtet. Darin wird das Stadtoberhaupt gebeten, dabei zu helfen, das Problem den zuständigen Ministerien sowie dem Stadtrat mitzuteilen und gegebenenfalls um eine Kontrolle von Amts wegen zu bitten.

„Die Geruchsausbreitung und Stärke hat sich in Wohnungen festgesetzt“, heißt es in dem Schreiben. Das könne so nicht hingenommen werden. Einen Hinweis auf einen Verstoß gegen die im Juni 2017 novellierte, bundesweit geltende Düngeverordnung gäbe es bislang nicht, sagt Mario Schmidt vom Staatlichen Amt für Landwirtschaft und Gartenbau Großenhain. Bei der Ackerfläche handele es sich um genossenschaftlich genutztes Land. Die Betriebsdaten dürfe er jedoch nicht herausgeben. Laut der geltenden Düngeverordnung müssen die Bauern keine Rücksicht auf die Witterungsbedingungen nehmen. „Wenn es mal regnet, wird es sofort besser. Die Bauern hätten sich doch wenigstens nach dem Wetterbericht richten können“, sagt Drubig. Eine Pflicht besteht aber eben nicht.

Anders sieht es bei der Art und Weise aus, wie der Dünger auf das Feld aufgebracht wird. Bei einem gesunden Wirtschaftsdung, der vorschriftsmäßig in den Boden eingeschlitzt wird, vergeht der Gestank normalerweise innerhalb weniger Stunden, bestätigt Sylvia Konrad vom Sächsischen Landesbauernverband. Allerdings spielten mehrere Faktoren bei der Dauer der Geruchsbelästigung eine Rolle. Etwa die Herkunft des organischen Düngers – also Schweine-, Rinder- oder Hühnerdung – , der Untergrund, auf den die Nährstoffe aufgebracht werden sowie die Windrichtung. Allgemein gelte, dass unschöne Gerüche sich auf Grünflächen häufig länger halten als auf Ackerflächen.

Im ungünstigsten Fall könnten mehrere Tage Gestank durchaus vorkommen. „Außer die Gülle ist vorher durch eine Biogasanlage gegangen. Dann stinkt sie nicht mehr“, erklärt Konrad. Viele Bauern nutzten dieses Verfahren inzwischen. Aber eben nicht alle. Mario Schmidt vom Amt für Landwirtschaft rät den Bürgern, die Bauern beim Aufbringen der Gülle direkt anzusprechen. So könnten Missverständnisse vermieden werden und die Leute könnten erfragen, wo sie sich hinwenden müssen, wenn es Probleme geben sollte.

Beim Ordnungsamt der Stadt sind Beschwerden jedenfalls sinnlos, bestätigt Amtschef Silvio Kockentiedt. „Ich der Polizeiverordnung der Stadt gibt es zu diesem Thema keine Regelungen.“ Die stehen in der Düngeverordnung des Bundes. Eine darin befindliche Neuerung macht es den Bauern schwer, die Zeit des Düngens variabel zu gestalten. „Die Sperrfristen sind deutlich kürzer geworden. Gülle darf etwa im Herbst nur eingeschränkt aufgebracht werden. Deshalb wird sich auf den Frühling konzentriert, wo die wachsenden Pflanzen ja auch die Nähstoffe schnell benötigen“, sagt Mario Schmidt. Die Spielräume sind daher gering. Auf die Aussicht nach Regen könne deshalb selten gewartet werden. Auch wenn es für die Lerchaer wünschenswert gewesen wäre.