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Großeinsatz in der Südstadt

Bei einer Übung testet die Feuerwehr Bischofswerda ihre neue Drehleiter – und das Zusammenspiel mit anderen.

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© Toni Lehder

Von Constanze Knappe

Bischofswerda. Ein Szenario, wie es sich nun wahrlich niemand wünscht. Dicker schwarzer Qualm quillt aus dem Obergeschoss einer Schule, aus den Fenstern schreien Menschen um Hilfe. Wenig später geht am Mittwoch der Notruf bei der Rettungsleitstelle ein. Diese alarmiert um 17.40 Uhr die Kameraden der Freiwilligen Feuerwehr Bischofswerda und der Wehren in den fünf Ortsteilen der Stadt. 17.47 Uhr fährt das erste Fahrzeug auf den Schulhof an der Dietrich-Bonhoeffer-Straße in Bischofswerda-Süd. 17.51 Uhr wird die Drehleiter in Stellung gebracht, um 17.55 Uhr im zweiten Obergeschoss die erste Person in den Rettungskorb gehoben ...

Die Atemschutzgeräteträger überprüfen gegenseitig, ob Maske und Schutzanzug richtig sitzen.
Die Atemschutzgeräteträger überprüfen gegenseitig, ob Maske und Schutzanzug richtig sitzen. © Toni Lehder
Die neue Bischofswerdaer Drehleiter hat an ihrem Rettungskorb einen Vorsatz für Rollstühle.
Die neue Bischofswerdaer Drehleiter hat an ihrem Rettungskorb einen Vorsatz für Rollstühle. © Toni Lehder

Zu dieser Zeit halten sich im hinteren Teil des an mehreren Stellen brennenden Gebäudes zwölf Schüler in einem Zimmer im Obergeschoss auf, drei von ihnen sitzen im Rollstuhl. Im Erdgeschoss im vorderen Gebäudeteil befinden sich weitere zwölf Schüler, von denen vier das Bewusstsein verlieren. Der Qualm wird stärker, mehrfach knallt es, die ersten Scheiben bersten. Spätestens jetzt ist jedem der Ernst der Lage klar. Während die Wehren aus den Ortsteilen vorfahren, fordert Einsatzleiter Martin Philipp weitere Kräfte und Mittel an. Zur Verstärkung kommen Kameraden aus der Gemeinde Demitz-Thumitz und von der Berufsfeuerwehr Bautzen mit einer zweiten Drehleiter.

Mittlerweile qualmt es auch aus dem Zimmer, aus dem die Hilfeschreie zu hören sind. Nach dem Motto „Menschenrettung geht vor Brandbekämpfung“ läuft die Bergung hintereinander weg. Der Rettungskorb an der neuen Drehleiter der Bischofswerdaer Feuerwehr ist mit einem speziellen Vorsatz für Rollstühle ausgerüstet. In dem verqualmten Zimmer versuchen zwei Kameraden, den ersten Rollstuhl samt seinem Fahrer über die Fensterbrüstung in den Korb zu heben. Sie haben damit große Mühe. Es zeigt sich dabei schnell, dass sie das Gewicht unterschätzt haben.

Einsätze sind Schwerstarbeit

Im vorderen Teil des Gebäudes hat die Rettung der Personen ebenfalls begonnen. Der Durchgang ist verschüttet, so müssen auch sie über Leitern nach draußen gebracht werden. Auf der Straßenseite gegenüber bauen Kameraden aus Medewitz ein Zelt auf und richten es als Verletztensammelstelle ein. Die medizinische Versorgung ist Sache von Notärzten und Sanitätern.

Im Schulhof sind Schläuche ausgerollt, die Wasserversorgung steht, die Brandbekämpfung von außen ist im Gange. Atemschutzgeräteträger machen sich bereit. In Zweiergruppen überprüfen sie gegenseitig, ob Maske und Kleidung richtig sitzen. „In dem Moment vertraut man sein Leben dem anderen an“, erklärt André Lodig, stellvertretender Gemeindewehrleiter von Demitz-Thumitz. Bei 29 Grad Außentemperatur begibt sich der erste Trupp auf den Weg ins Innere. Das ist Schwerstarbeit. In Schutzanzügen, mit Atemflasche und Ausrüstung haben die Männer 20 Kilogramm Gewicht dabei, auch Helmlampen, eine Wärmebildkamera und ein Hooligan-Tool, ein Werkzeug ähnlich einer Brechstange, um Türen aufzuhebeln und Wände einzureißen. Vom Dach bis zum Keller müssen sie Raum für Raum durchkämmen – auf der Suche nach weiteren Personen. Im Inneren des Gebäudes kann es gut 600 bis 800 Grad Celsius heiß werden. Länger als 20 Minuten hält das kein Trupp aus. Es muss gewechselt werden. Auch von innen wird nun der Brand bekämpft.

Um 18.58 Uhr dann die erlösende Nachricht: Alle Menschen gerettet, das Feuer gelöscht. Noch einmal begeben sich Trupps in die Schule, um zu kontrollieren, ob es irgendwo noch Glutnester gibt. Weil das nicht der Fall ist, kann Einsatzleiter Martin Philipp Entwarnung geben. Bevor es ans Aufräumen geht, werden Getränke verteilt, um die vielen Liter Schweiß auszugleichen, die in dieser Zeit geflossen sind.

Zum Glück war es nur eine Übung! Ausgedacht hatten sie sich der Bischofswerdaer Ortswehrleiter Sixten Mütterlein, weshalb sein Stellvertreter den Einsatz leitete, André Lodig und andere Wehrleiter. Dass die Schule in Bischofswerda-Süd ohnehin abgerissen wird, war ein günstiger Umstand. „Wo sonst kann man mit echtem Feuer trainieren“, so Sixten Mütterlein.

Über 140 Kameraden alarmiert

Der Qualm kam aus einer Nebelmaschine. 141 Feuerwehrleute waren an der Übung beteiligt, Kameraden aus Burkau und Frankenthal mimten die Verletzten. „Aufgabe erfüllt“, konstatierte der stellvertretende Kreisbrandmeister Stefan Hentschke. Kritik gab es vor allem, dass die Kameraden zu wenig miteinander redeten. Daher sei es notwendig, häufiger in größeren Einheiten zu üben. Mit der Einschätzung „Es war sehr anstrengend“ dankte er allen Beteiligten. Drei Kameraden mussten am Ende mit Kreislaufproblemen behandelt werden.