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Görlitz nicht in Feierlaune

Rathaus und Stadtrat lehnen Tag der Sachsen 2021 und einen neuen Anlauf als Kulturhauptstadt ab. Gefeiert werden soll trotzdem.

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© dpa

Von Sebastian Beutler

Auch der Besuch von Landtagspräsident Matthias Rößler im vergangenen Jahr war nicht genug Ermunterung für die Görlitzer Kommunalpolitik. Der CDU-Mann warb damals im Verein mit Landtagsabgeordnetem Octavian Ursu für eine Bewerbung von Görlitz für den Tag der Sachsen 2021, dessen Auswahlkomitee er vorsteht. Doch wie Rathaus-Sprecher Wulf Stibenz jetzt mitteilte, hätten sich Oberbürgermeister Siegfried Deinege und die Mehrheit des Verwaltungsausschusses hinter verschlossenen Türen gegen einen Tag der Sachsen 2021 oder 2020 ausgesprochen. Stattdessen soll die 950-Jahr-Feier von Görlitz nun gezielt vorbereitet werden. Unter dem Arbeitstitel „Geschichte bewahren – Zukunft gestalten“ gibt es im Rathaus erste Gespräche zum Stadtjubiläum. Ab 2019 soll ein Konzept für die Feiern 2021 erstellt werden, ließ Stibenz weiter verlauten.

Ursu hat die Nachricht aus dem Rathaus „nicht begeistert“ aufgenommen. Er hatte sich vor allem für eine Bewerbung von Görlitz stark gemacht. Nun will er erst einmal die Gründe hören, die die Görlitzer Kommunalpolitik für die Ablehnung einer Bewerbung anführt.

Vor allem drei sind es. Zum einen fürchtet das Görlitzer Rathaus, auf einem dicken Minus nach dem Tag der Sachsen sitzen zu bleiben. Rolf Weidle von der Bürgerfraktion nennt eine Summe von über einer Million Euro. „Uns liegen detaillierte Zahlen von Löbau vor, wo in diesem Jahr das Fest stattfindet. Sie sind noch schlimmer, als die SZ berichtet hatte.“ Erhöhte Anforderungen an die Sicherheit tragen nach Weidles Worten den größten Teil zum Defizit bei. Eine solche Summe könne sich Görlitz nicht leisten. Zum zweiten locke solch ein Tag der Sachsen vor allem Publikum aus Sachsen an, Görlitz wolle aber mit seinem Stadtjubiläum Touristen weit über Sachsen hinaus ansprechen. Und zum dritten, so erklärt Rathaus-Sprecher Stibenz, gebe es bereits eine Bewerbung für 2021. Da es üblich sei, nicht in Konkurrenz zu anderen Bewerbern zu treten, bliebe nur 2020 übrig. Und zwei Jahre hintereinander derart große Veranstaltungen durchzuführen, übersteige schließlich die Kraft der Stadt.

Alles nichts Neues, sagt Ursu. Dass sich Freital für den Tag der Sachsen 2021 interessiere, sei schon bekannt gewesen, als Rößler in Görlitz weilte. Die Stadt südlich von Dresden blickt 2021 auf die Vereinigung von drei Orten zu Freital vor 100 Jahren zurück. Doch eine förmliche Bewerbung liegt in Dresden nicht vor. Sie ist auch erst nach der Ausschreibung drei Jahre vor dem Ereignis sinnvoll, also nicht vor Ende 2018. Deswegen plädiert Ursu dafür, mit den Freitalern auszuloten, wie ernsthaft sie die Bewerbung erwägen.

Auch die Finanzen spielten von Anfang an eine Rolle. „Ich erwarte von der Stadt eine nachvollziehbare Kostenkalkulation, auf deren Grundlage mit dem Freistaat gesprochen werden kann“, sagt Ursu. Nur einfach zu sagen, es sei für uns zu teuer, reiche nicht aus. „Vor allem aber erwarte ich eine Perspektive für Görlitz: Wollen wir den Tag der Sachsen 2021 nicht oder nie?“ Ursu bezweifelt auch, dass man Löbau und Görlitz vergleichen könne. „Wir haben den Kulturservice, sind eine viel größere Stadt mit anderen Möglichkeiten“, sagt Ursu.

Doch auch bei einer anderen Veranstaltung legt Görlitz den Rückwärtsgang ein. Hier allerdings kam der Anstoß vom Landkreis. Künftig können sich auch Regionen mit einer Stadt um den Titel „Kulturhauptstadt Europas“ bewerben. Deswegen nahm Landrat Bernd Lange die Idee des früheren Fernsehjournalisten Fritz Pleitgen auf, sich als Landkreis mit der Stadt Görlitz an der Spitze für 2025 zu bewerben. Da auch eine geteilte Stadt in Slowenien und Italien, mit der der Kreis in regem Austausch steht, eine Bewerbung erwägt, hoffte der Kreis auf ein positives Votum der Stadt. Das kommt nun aber nicht. Wie Rathaus-Sprecher Stibenz bestätigt, hätten OB und der Verwaltungsausschuss Abstand von einer Bewerbung genommen. Auch diese Diskussion verlief hinter verschlossenen Türen. Als Gründe werden hier angegeben: Kosten, die kurze Zeit bis zum Bewerbungsende 2018 sowie die Konkurrenz zu Dresden und Chemnitz, die sich ebenfalls bewerben wollen. Für den Landkreis ist das Thema damit erledigt. „Wir müssen die Argumente der Stadt akzeptieren“, erklärt Kulturamtsleiter Joachim Mühle. Ob der Kreis mit einer anderen Stadt im Landkreis eine Bewerbung versucht, ist eher zweifelhaft. Chemnitz, so hieß es am Freitag, eröffnet im Sommer im Stadtzentrum ein Kulturhauptstadt-Büro.